2995/AB XXIII. GP

Eingelangt am 05.03.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0003-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3169/J-NR/2008

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Heinz-Christian Strache und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Herabwürdigung religiöser Lehren“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Da die strafrechtliche Beurteilung konkreter Sachverhalte in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften und der unabhängigen Gerichte fällt, wird hiezu nur grundsätzlich ausgeführt:

Den Tatbestand der Herabwürdigung religiöser Lehren gemäß § 188 StGB verwirklicht, wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgemeinschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgemeinschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen.

Die Tathandlung besteht im Herabwürdigen oder im Verspotten eines der Deliktsobjekte, wobei unter Herabwürdigen ein Verächtlichmachen des geschützten Objekts verstanden wird, so dass es als der Achtung der Mitmenschen unwert oder unwürdig erscheint. Verspotten bedeutet Lächerlichmachen. Die Tathandlungen müssen jedoch „unter Umständen begangen werden, unter denen das Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen“. „Berechtigt“ ist ein Ärgernis nur, wenn jeder, der mit den rechtlich geschützten Werten verbunden ist, sich über das Verhalten des Täters empören oder zumindest die Empörung Betroffener verständlich finden würde. Die Tat kann nur vorsätzlich begangen werden, wobei bedingter Vorsatz genügt.

Die den unabhängigen Gerichten obliegende Beurteilung der Verwirklichung der Tatbestandsmäßigkeit eines konkreten Sachverhaltes ist einerseits stets eine Frage des Einzelfalls, andererseits steht gerade dieses Delikt im Spannungsverhältnis zu verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, wie dem Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung sowie dem Recht auf Freiheit der Kunst. § 188 StGB enthält eine Konkretisierung des Grundrechts auf Religionsfreiheit. Eine Rechtfertigung tatbestandsmäßigen Verhaltens scheidet jedenfalls dann aus, wenn nachhaltig und intensiv gegen das auch der Freiheit der Kunst sowie der Meinungsäußerung innewohnenden Missbrauchsverbot verstoßen wird, was strikt einzelfallsbezogen abzuwägen ist.

Zu 3 und 4:

Nein. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde der geschilderte Vorfall der Staatsanwaltschaft Wien erst durch diese Parlamentarische Anfrage bekannt.

Zu 5:

Nein, zumal der Sachverhalt nach den mir vorliegenden Informationen mittlerweile verjährt wäre.

 

Zu 6:

Die Beantwortung dieser Frage entfällt im Hinblick auf Anfragepunkt 5.

Zu 7:

Die Anzeigepflicht nach § 78 Abs. 1 StPO (§ 84 Abs. 1 StPO alte Fassung) trifft Behörden und öffentliche Dienststellen. Ein Parlamentsklub (§ 7 GOG-NR) fällt unter keinen dieser Begriffe. Behörden müssen nach außen hin mit entscheidender und verfügender Gewalt („imperium“) ausgestattet sein. Öffentliche Dienststellen sind sonstige auf Dauer eingerichtete, rechtlich geregelte Stellen zur Durchführung öffentlicher Aufgaben im Rahmen der Vollziehung, die aber kein Imperium besitzen. Da die Klubs der Nationalratsabgeordneten im Rahmen der Gesetzgebung tätig sind und ihnen selbst keine Aufgaben in der Vollziehung zukommen, trifft sie daher keine Anzeigepflicht im Sinne der erwähnten Bestimmung der StPO.

 

. März 2008

 

(Dr. Maria Berger)