302/AB XXIII. GP
Eingelangt am 30.03.2007
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BM für Gesundheit, Familie und Jugend
Anfragebeantwortung

Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMGF-11001/0012-I/3/2007
Sehr geehrter Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 310/J der Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde wie folgt:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass in Österreich nicht pauschal von mangelernährten bzw. unzureichend versorgten Menschen, Patienten und Heimbewohnern auszugehen ist. Es gibt viele Institutionen mit intramuraler Behandlung, Pflege und Betreuung, die größten Wert auf eine ausgewogene, vitalstoffreiche, frisch zubereitete, schmackhafte, bekömmliche und gesunde Ernährung legen, unterstützt von einem interdisziplinären Team bestehend aus Ärzte/-innen, Diätologeninnen/Diätologen und Pflegepersonen.
Fragen 1, 2 und 6:
Bereits seit der KAKuG-Novelle BGBl 1993/801 ist im Rahmen der Anstaltsordnung, die die innere Organisation von Krankenanstalten regelt, die regelmäßige Abhaltung von interdisziplinären Dienstbesprechungen zwischen den in Betracht kommenden Berufsgruppen, vorgesehen. Diese sich naturgemäß auf die Vorgaben eines Grundsatzes beschränkende Regelung kann von den Ländern auf Ebene der Landesauführungsgesetze oder auch auf Ebene der Träger von Krankenanstalten durch die Installierung von Teams für spezielle Bereiche – so wie etwa Ernährungsteams – konkretisiert werden.
Mir kommt aufgrund der Kompetenzverteilung in der Bundesverfassung keine direkte Einflussmöglichkeit auf die Ernährungssituation in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu. Es kann lediglich im Zuge der Ausbildung von ärztlichen bzw. nichtärztlichen Gesundheitsberufen der Stellenwert der Ernährung betont werden.
Frage 3:
Durch Verpflichtung zur Etablierung von Ernährungsteams. Jedes Krankenhaus und jedes Wohn- und Pflegeheim (Pflegebereich) sollte ein Ernährungsteam (vgl. Hygieneteam) zur Betreuung der Patientinnen/-en von der Diagnose bis zur Durchführung und mittels Anleitung für den ambulanten bzw. semistationären Bereich mit folgender Zusammensetzung etablieren mit dem Ziel, eine individuelle Ernährungstherapie zu ermöglichen:
· Ärztin/Arzt
· Diätologin/Diätologe
· Pflegeperson
· Pharmazeut/-in
Fragen 4 und 5:
Derzeit wird „Ernährungstherapie“ nicht als medizinische Behandlungsmaßnahme anerkannt – weder intramural noch extramural bzw. ambulant. Die entsprechenden Tätigkeiten werden derzeit großteils nicht von den Kassen honoriert, sollten aber Bestand von Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen werden.
Seitens des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger wurde Folgendes ausgeführt:
Die Sozialversicherung bzw. der Hauptverband ist – wobei der Position der Länder und Gemeinden im Rahmen von deren Zuständigkeit nicht vorgegriffen werden kann – zur Schaffung von Normen für Behandlungen in Krankenanstalten nicht befugt.
Ob und welche Leistungen außerhalb von Behandlungen in Krankenanstalten erbracht werden, ist in den grundsätzlichen Regelungen der Sozialversicherungsgesetze festgelegt; die Definition einschlägiger Inhalte ist ferner vom Stand der medizinischen Wissenschaften, somit der ärztlichen Kunst abhängig; auf den Aufgabenkreis des Obersten Sanitätsrates darf verwiesen werden.
Weiters ist festzuhalten, dass Versicherte und anspruchsberechtigte Angehörige bereits jetzt daheim und in Pflegeheimen bei medizinischer Notwendigkeit auf Kosten der Krankenversicherungsträger nach vorhergehender Bewilligung durch den ärztlichen Dienst versorgt werden.
Bei der Frage, ob ernährungstherapeutische Defizite auf Kosten der sozialen Krankenversicherung zu beheben sind, ist zunächst zu klären, ob bei einer so genannten Mangelernährung eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vorliegt.
Dies ist dann der Fall, wenn die Mangelernährung durch eine normale Nahrungsaufnahme nicht behoben werden kann (z. B. Vorliegen einer Stoffwechselkrankheit). In einem derartigen Fall übernehmen die Krankenversicherungsträger bereits jetzt die Kosten für die erforderlichen Präparate.
Des Weiteren können bestimmte Körperfunktionen gestört sein, die die Resorption der Nährstoffe aus der normalen Nahrung verunmöglichen oder Fälle, in denen die Verdauung derart gestört ist, dass nur mehr mit einer speziellen Ernährung die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen möglich ist (bestimmte Schluckstörungen, Resorptionsstörungen im Darm, etc.). Auch in diesen Fällen können dann spezielle Ernährungsprodukte Heilmittel im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sein und werden dann ebenfalls in der erforderlichen Menge von den Versicherungsträgern finanziert. Die Verabreichung kann dann auf verschiedene Art und Weise erfolgen wie z. B. durch eine Sonde, durch orale Verabreichung oder – wenn dies nicht anders möglich ist – parenteral durch entsprechende Infusionen.
Sofern Versicherte in fondsfinanzierten Spitälern untergebracht sind, ist festzuhalten, dass die ausreichende Ernährung der Versicherten – unabhängig davon, ob die erforderlichen Präparate als Heilmittel oder nur als diätetische Lebensmittel einzuordnen sind – durch die jeweiligen Spitäler sicher zu stellen ist und keine Aufgabe der Krankenversicherung darstellt. Die ausreichende Ernährung der Pfleglinge in den stationären Einrichtungen wird durch die Zahlungen der Versicherungsträger im Rahmen der Krankenanstaltenfinanzierung zur Gänze abgegolten. Hier besteht daher kein Raum für Verhandlungen über Zahlungen der Kassen.
Bei ernährungstherapeutischen Defiziten in Pflegeheimen wäre anhand der jeweils bestehenden privatrechtlichen Unterbringungsverträge zu klären, inwieweit die Einrichtungen ihrer Verpflichtung aus diesem Vertrag zur ausreichenden Zurverfügungstellung von Nahrung nachkommen, sofern nicht eine Finanzierung durch die soziale Krankenversicherung dann erfolgt, wenn die eingangs erwähnten Voraussetzungen als Heilmittel bzw. im Versicherungsfall der Krankheit vorliegen.
In Pflegeeinrichtungen aber auch im Bereich der häuslichen Pflege wird seitens der Sozialversicherung im Rahmen der Pflegegeldbegutachtungen im Sinne einer Qualitätssicherung auch auf Unterversorgungen betreffend Ernährung geachtet.
Bei der in der Anfrage angeführten Feststellung, dass ein hoher Prozentsatz von Patienten die angebotene Nahrung nicht aufnimmt, ist es unerlässlich, die Ursachen dafür näher zu erheben. Der Grund dafür kann z. B. darin bestehen, dass der Betroffene durch seine Krankheit so geschwächt ist, dass er selbst nicht in der Lage ist, das Essen zu sich zu nehmen, obwohl er z. B. ausreichend Appetit hätte. Würde diesem Patienten im Spital keine ausreichende Hilfe geboten, die Nahrung auch tatsächlich zu sich zu nehmen, wäre dies ein schwerer Pflegefehler, dem durch entsprechende Qualitätssicherungsmaßnahmen entgegen getreten werden müsste. Dies kann aber auch nicht Aufgabe der sozialen Krankenversicherung sein, sondern vielmehr der Spitalserhalter.
Die in der Anfrage angesprochenen „Vertragsverhandlungen“ zwischen dem BMGFJ und den Krankenversicherungsträgern erscheinen aufgrund der Rechtslage daher weder notwendig noch zielführend, da bereits jetzt, bei Vorliegen medizinischer Notwendigkeit, eine entsprechende Versorgung mit Heilnahrung auf Kosten der Krankenversicherungsträger erfolgt.
Wie bereits ausgeführt, wird bei medizinischer Notwendigkeit die Versorgung mit Heilnahrung im Rahmen der Krankenbehandlung durch die Krankenversicherungsträger sichergestellt. Die in Rede stehenden Leistungen werden daher nicht nur für krebskranke, sondern für alle PatientInnen übernommen, sofern es die Krankenbehandlung erfordert.
Die Finanzierung von Nahrungsmitteln vom Vorliegen einer bestimmen Erkrankung abhängig zu machen, halten wir für sachlich nicht gerechtfertigt. Es gibt eine Reihe von Krankheitsbildern, welche spezielle - meist teure - Ernährungsformen notwendig machen. Demgemäß wird z. B. die parenterale Ernährung mittels Infusionen, wenn dies nach medizinischer Begutachtung erforderlich ist, von den Versicherungsträgern extramural bezahlt. Bei der enteralen Ernährung mit der angesprochenen voll bilanzierten Trinknahrung wird im Einzelfall entschieden, ob ein derartiges Produkt als Heilmittel anzusehen ist oder nur als ergänzende Ernährung, die – wie bereits oben ausgeführt – nicht Aufgabe der sozialen Krankenversicherung ist.
Sofern Krebspatienten stationär untergebracht sind, ist wiederum die Bereitstellung jeglicher Nahrung durch die Krankenanstalt sicherzustellen und die Finanzierung durch die Pauschalbetragszahlung der Krankenversicherung jedenfalls zur Gänze abgedeckt. Eine gesetzliche Änderung ist daher auch in diesem Zusammenhang nicht notwendig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andrea Kdolsky
Bundesministerin