3369/AB XXIII. GP
Eingelangt am 20.03.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0016-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 3493/J-NR/2008
Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Dr. Manfred Haimbuchner und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „diplomatischer Immunität von Vladimir Vozhzhov“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Der russische Staatsangehörige Vladimir V., geboren am 29.1.1957, ist am 10.6.2007 nach Österreich eingereist und wurde am 11.6.2007 in Salzburg wegen des Verdachtes des Vergehens des militärischen Nachrichtendienstes für einen fremden Staat nach § 319 StGB im Verfahren 245 Ur 296/07m des Landesgerichts für Strafsachen Wien festgenommen. Im Hinblick auf den Verdacht, dass sich der Festgenommene zumindest seit dem Jahr 2002 in Deutschland flugtechnische Unterlagen des EADS-Konzerns beschafft hat, wurde beim Landesgericht Salzburg zu 15 Ur 176/07m auch ein Verfahren zur Auslieferung des Genannten nach Deutschland eingeleitet.
Zum Zeitpunkt der Festnahme waren der Staatsanwaltschaft Wien keine Umstände bekannt, die eine Immunität des Festgenommenen begründen könnten.
Zu 2:
Das russische Außenministerium hat mit Verbalnote vom 15.6.2007 vorgebracht, Vladimir V. sei ein Mitglied der offiziellen Delegation der Russischen Föderation bei einer Tagung des Weltraumausschusses der Vereinten Nationen in Wien gewesen und genieße daher Privilegien und Immunitäten nach Abschnitt 11 der Konvention über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen.
Vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten wurde daraufhin beim Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien erhoben, dass Vladimir V. den Vereinten Nationen bereits am 5.6.2007 in einer Liste der russischen Konferenzteilnehmer notifiziert worden war. Er habe sich bei den Vereinten Nationen in Wien als Konferenzteilnehmer registrieren lassen und sei sodann nach Salzburg abgereist.
Zu 3 bis 5:
Nein. Zur Feststellung der Immunität des Vladimir V. waren Erhebungen und Anfragen erforderlich. Vladimir V. kommt funktionelle Immunität nach Abschnitt 33 des Amtssitzübereinkommens der Vereinten Nationen in Wien, BGBl. III Nr. 99/1998, und Artikel IV Abschnitt 11 des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.2.1946, BGBl. Nr. 126/1957, zu.
Zu 6:
Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten hat das Rechtsbüro der Vereinten Nationen um Stellungnahme ersucht, ob nach Ansicht der Vereinten Nationen der russische Staatsangehörige Vladimir V. Immunität nach Artikel IV des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.2.1946 genießt.
Mit Verbalnote vom 19.6.2007 teilte das Rechtsbüro der Vereinten Nationen mit, dass seiner Ansicht nach der Begriff „während der Ausübung ihrer Aufgaben“ schon deshalb weit auszulegen sei, weil er auch die Reise vom und zum Konferenzort umfasse. Die funktionelle Immunität umfasse daher jeden Aufenthalt im Konferenzstaat. Daher kam das Rechtsbüro der Vereinten Nationen zur Auffassung, dass Immunität bestanden habe.
Der entsendende Mitgliedstaat kann diese Immunität aber aufheben, um „den Lauf der Gerechtigkeit“ nicht zu behindern. Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten hat daher am 20.6.2007 die russische Seite befragt, ob sie auf die Immunität verzichte, was die russische Seite noch am selben Tag abgelehnt hat.
Vladimir V. wurde dementsprechend am 21.6.2007 enthaftet.
Zu 7 und 8:
Der Oberstaatsanwaltschaft Wien wurde das Gutachten des Rechtsbüros der Vereinten Nationen mit Erlass vom 20.6.2007 zur Kenntnis gebracht. Die Staatsanwaltschaft Wien hat die Enthaftung des Vladimir V. beantragt.
Zu 9:
Nein.
Zu 10 bis 12:
Die deutschen Behörden haben an das Bundesministerium für Justiz kein förmliches Auslieferungsersuchen gerichtet. Im konkreten Fall liegt nämlich ein Anwendungsfall des Europäischen Haftbefehls vor, über den nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die justizelle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, ausschließlich von den Gerichten im unmittelbaren Behördenverkehr zu entscheiden ist.
Die deutschen Behörden haben weder Kontakt zum Bundesministerium für Justiz aufgenommen noch liegt eine deutsche Stellungnahme im Hinblick auf eine allfällige Auslieferung des Vladimir V. nach Deutschland vor.
Der deutsche Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat dem Landesgericht Salzburg seinen Europäischen Haftbefehl vom 6.6.2007, 3 BJs 19/07-3-GEH, wegen § 99 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Strafgesetzbuches zur Vollstreckung vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat im Hinblick auf die Immunität des Genannten am 21.6.2007 den Antrag auf Verhängung der Übergabehaft nach § 18 EU-JZG (§ 29 ARHG) zurückgezogen und das Auslieferungsverfahren in der Folge eingestellt.
Zu 13 bis 15:
Nach den mir vorliegenden Berichten der Staatsanwaltschaften sind diesen mit Ausnahme des in der Einleitung dieser Anfrage genannten Falles keinerlei Aktivitäten russischer Geheimdienstmitarbeiter bei den Vereinten Nationen in Wien bekannt geworden. Maßnahmen waren daher nicht zu ergreifen.
Zu 16 bis 18:
Weitergehende Informationen als die in der Einleitung dieser Anfrage genannten sind weder den Staatsanwaltschaften noch mir bekannt. Maßnahmen waren daher nicht zu ergreifen.
. März 2008
(Dr. Maria Berger)