3551/AB XXIII. GP

Eingelangt am 16.04.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0025-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3576/J-NR/2008

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Nahrungsergänzungsmittel/Gefälschte Arzneimittel – Doping & Gesundheitsgefährdung – Gerichtliche Erledigungen 2007“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Einleitend halte ich fest, dass ich die Fragen anhand der mir übermittelten Berichte der Oberstaatsanwaltschaften bzw. Staatsanwaltschaften (beruhend auf vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellten ADV-Registerauswertungen) sowie der Informationen aus den befassten Fachabteilungen meines Hauses beantworte.

Zu 1 und 2:

Anzahl der Strafanzeigen nach § 84a Arzneimittelgesetz:

Staatsanwaltschaft Eisenstadt: 2

Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt: 1

Staatsanwaltschaft Graz: 1

Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis: 2

Staatsanwaltschaft Salzburg: 2 (auch wegen §§ 146 ff StGB)

Staatsanwaltschaft Innsbruck: 8

Zu 3, 4 und 6:

Sieben Anzeigen wurden gemäß § 90 Abs. 1 StPO aF zurückgelegt, wobei es in zwei Fällen an der inländischen Gerichtsbarkeit und in fünf Fällen an der Tatbestandsmäßigkeit mangelte. In zwei Verfahren wurde gemäß § 90f Abs. 1 StPO aF für eine Probezeit von zwei bzw. drei Jahren von der weiteren Verfolgung vorläufig zurückgetreten. In einem Verfahren wurde nach Zahlung eines Geldbetrages von der Verfolgung gem. § 90a StPO aF zurückgetreten. Ein Verfahren wurde gem. § 412 StPO aF vorläufig eingestellt.

Zu 5 und 13:

Im Jahr 2007 kam es zu vier rechtskräftigen Verurteilungen nach § 84a AMG und zu insgesamt fünf Verurteilungen nach § 176 StGB. Zur Art der verhängten Sanktionen liegen dem Bundesministerium für Justiz derzeit noch keine Daten vor.

Ob die genannten Verurteilungen jedoch überhaupt mit gefälschten Arzneimitteln bzw. Doping in Zusammenhang stehen, und ob auch Betreiber von Fitnessstudios davon betroffen sind, wird statistisch nicht erfasst und kann daher nicht mitgeteilt werden.

Zu 7:

Zwei Verfahren befinden sich im Ermittlungsstadium, ein Verfahren ist gemäß § 412 StPO aF abgebrochen (siehe oben).

Zu 8:

Soweit mir bekannt geworden ist, erfolgte die Verständigung der Bezirksverwaltungsbehörden durch die anzeigenden Polizeidienststellen. Die von den Bezirksverwaltungsbehörden getroffenen Entscheidungen fallen nicht in den gesetzlichen Vollziehungsbereich der Bundesministerin für Justiz.

Zu 9:

In Salzburg wurden bei einer Hausdurchsuchung fünf Produkte beschlagnahmt (zwei Durchstichflaschen „Testosteron“, eine Flasche „Dinitrophenol“, eine Flasche mit Testosteron-Pulver und eine Flasche Öl).

Zu 10 bis 12:

Keine.

Zu 14:

Der Begriff „Sport“ umfasst auch Breiten- und Freizeitsport. Unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung besteht kein Anlass, den Begriff einschränkend auszulegen.

Zu 15:

Bei der Verabreichung verbotener Stoffe im Sinne von § 5a AMG liegt dann eine (vorsätzliche oder fahrlässige) Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung vor, wenn die Tatbestandsmerkmale der relevanten Gesetzesbestimmungen des StGB (§§ 83 ff, 88) erfüllt sind; das heißt im Zusammenhang mit Doping insbesondere dann, wenn eine rechtswidrige und schuldhafte Gesundheitsschädigung (Hervorrufen oder Verschlimmern einer Krankheit) nachweisbar ist. Eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung ist nicht rechtswidrig, wenn der Verletzte in sie einwilligt und die Verletzung nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 90 Abs. 1 StGB).

Zu 16 bis 19:

Das Bundesministerium für Justiz hat im Herbst 2007 sämtliche anderen EU-Mitgliedstaaten um Informationen über ihre Rechtslage im Zusammenhang mit „Doping“ ersucht. Zu dieser Anfrage sind Antworten von insgesamt 15 Mitgliedstaaten eingelangt, und zwar von Dänemark (DK), Deutschland (D), Estland (EE), Frankreich (F), Italien (I), Litauen (LT), Luxemburg (LUX), Niederlande (NL), Schweden (SW), Slowakei (SK), Slowenien (SLO), Spanien (SP), Tschechien (CZ), Ungarn (HU) und Vereinigtes Königreich (GB).

Zusammenfassend kann dazu festgehalten werden, dass

1.      von den 15 Staaten vier keine besonderen Strafgesetze gegen Doping vorgesehen haben: UK, SLO, LT, HU (in HU ist das bereits bestehende Gesetz im Jahr 2000 vom Verfassungsgericht aufgehoben worden);

2.      in den restlichen elf Staaten (D, F, LUX, EST, CZ, NL, SK, SW, SP, I, DK) das Inverkehrbringen und Anwenden von Dopingmitteln bei anderen gerichtlich strafbar ist;

3.      von diesen elf Staaten fünf auch eine Strafbarkeit des Besitzes kennen, davon

-    zwei Staaten (SW, DK) uneingeschränkt,

-    zwei Staaten (NL, LUX) eingeschränkt auf Besitz mit dem Zweck der Weitergabe oder Verabreichung und

-    ein Staat (D), wenn eine „nicht geringe Menge“ besessen wird (seit 1.11.2007; die Bestimmung war umstritten und wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur jüngst kritisiert);

4.      von den elf Staaten zwei eine Strafbarkeit des Sportlers, dh eine Strafbarkeit der Anwendung kennen, nämlich IT und SW. In F kann der Sportler zwar nicht wegen der Einnahme, aber wegen Verstößen im Zusammenhang mit Dopingkontrollen bestraft werden;

5.      fast alle Staaten an Arzneimittel anknüpfen; nur vier Staaten haben in ihre Straftatbestände auch „medizinische Praktiken“ (IT), „Praktiken“ (F), „Dopingmethoden“ (LUX) bzw. „Methoden“ (SP) aufgenommen, sodass auch das derzeit diskutierte Blutdoping erfasst sein dürfte (ähnlich auch die aufgehobene Regelung in HU: „Techniken“);

6.      (zumindest) in D in bestimmten Fällen Dopinghandlungen des Sportlers vom Betrugstatbestand (§ 263 dStGB) erfasst sein können. Erforderlich ist dafür insbesondere, dass mit der Dopinghandlung ein unmittelbarer Vermögensschaden verbunden ist. Erfasst werden können folgende Betrugsfälle:

-    Nachteil des Veranstalters durch die Zulassung zum Start („Antrittsgeld“) oder die Auszahlung eines Preisgeldes,

-    Nachteil des Sponsors („Werbeverträge“), sofern dieser beim Abschluss des Sponsoringvertrages über die Dopingeinnahme getäuscht wird oder eine Täuschung durch Unterlassen vorliegt.

Nicht erfasst werden dagegen zB Dopinghandlungen

-    zum Nachteil der Konkurrenten, die durch die Teilnahme des gedopten Sportlers in ihren Gewinnchancen beeinträchtigt sind (umstritten),

-    zum Nachteil der Teilnehmer an Sportwetten,

-    zum Nachteil der Zuschauer bei einem Sportwettkampf.

Die derzeitige Rechtslage in Österreich (Besitz nicht strafbar; Sportler nicht strafbar; Blutdoping nicht erfasst) entspricht demnach dem derzeitigen europäischen Trend bei der Regelung von „Doping“.

Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz wird mit den bestehenden gerichtlichen Strafbestimmungen auch weitestgehend das Auslangen gefunden, wenngleich im Hinblick auf die Problematik Blutdoping durchaus ein Anpassungsbedarf eingeräumt wird. Auf Grund der strafrechtlichen Prinzipien der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit wäre „Blutdoping“ jedoch genau zu umschreiben; das Miteinbeziehen auch anderer Methoden wie Gendoping oder sonstiger physikalischer oder chemischer Manipulationen würde hingegen grundsätzliche Fragen der Strafwürdigkeit und Bestimmtheit aufwerfen.

Eine Strafbarkeit des Besitzes wäre – wenn schon – nur zum Zweck des Inverkehrbringens zu befürworten. Sportler selbst sollten jedenfalls nicht kriminalisiert werden, weil Doping an sich eine reine Selbstschädigungshandlung darstellt. Im Falle der Strafbarkeit des Besitzes/Konsums wäre durch eine mögliche Selbstbelastung wohl auch eine (weiter) verminderte Kooperationsbereitschaft der Sportler mit den Strafverfolgungsbehörden zu erwarten.

Zu 20 und 21:

Nach § 84a iVm § 5a AMG ist es verboten, Arzneimittel, die nicht Suchtmittel iSd SMG sind, zu Dopingzwecken im Sport ua. in Verkehr zu bringen. Unter dem Begriff des „In-Verkehr-Bringens“ ist nach der Definition des § 2 Abs. 11 AMG das Vorrätighalten, Feilhalten oder die Abgabe von Arzneimitteln zu verstehen.

Insofern unterliegt auch das Bewerben von Dopingmitteln und deren Anbieten zum Verkauf im Internet dem gerichtlichen Straftatbestand des § 84a AMG, sofern dies zu Dopingzwecken im Sport geschieht. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen können Betreiber solcher Internetseiten dementsprechend auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Die Beantwortung der Frage im Hinblick auf eine verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit fällt nicht in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz.

Der Vertrieb von Doping- bzw. Arzneimitteln im Internet ist sehr eng mit dem Problem der „Arzneimittelfälschungen“ verknüpft. Mit diesem Thema ist auf österreichischer Ebene die ressortübergreifende Austrian Medicines Enforcement Group (AMEG) und auf internationaler Ebene eine Expertengruppe des Europarates befasst, wo in einiger Zeit Ergebnisse – auch im Hinblick auf die noch auszubauende internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Doping – zu erwarten sind.

Zu 22:

Warum die österreichischen Justizbehörden von ausländischen Strafverfolgungsbehörden über die in dieser Anfrage angesprochene Großrazzia nicht informiert wurden, vermag ich nicht zu beantworten. Die Vorgangsweise ausländischer Behörden fällt nicht in den Vollziehungsbereich der Bundesministerin für Justiz.

Zu 23:

Nach den mir vorliegenden Berichten der Staatsanwaltschaften sind diesen bislang keine Ergebnisse ausländischer Ermittlungsverfahren im angesprochenen Zusammenhang bekannt geworden.

Zu 24:

Auch schon vor der internationalen Polizeirazzia gab es Amts- und Rechthilfeersuchen, wenn bei ausländischen Behörden der Verdacht bestand, dass Anabolika oder gefälschte Medikamente unter Umgehung der erforderlichen zollamtlichen Stellungspflicht in das Gemeinschaftsgebiet oder nach Österreich eingeführt oder Personen solche Gegenstände an sich gebracht, verheimlicht oder verhandelt oder aus Österreich in andere Staaten versendet haben. Auf Grund solcher Ersuchen wurden in der Vergangenheit auch Strafverfahren nach § 84a Abs. 1 ArzneimittelG eingeleitet.

Eine Übersicht über diese großteils im unmittelbaren Behördenverkehr eingegangen justiziellen Rechtshilfeersuchen wird vom Bundesministerium für Justiz nicht geführt.

Zu 25:

Nach den mir vorliegenden Berichten der Staatsanwaltschaften gibt es keine Hinweise auf illegale Handelsstrukturen für die Herstellung und den Vertrieb von Dopingmitteln in Österreich.

Zu 26:

Die Rechtshilfeersuchen der italienischen Staatsanwaltschaft in der sog. „Blutdopingaffäre“ (Turin) wurden von den österreichischen Gerichten auf Grundlage von Artikel 49 lit.a des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ), BGBl III Nr. 90/1997, erledigt. Demnach wird Rechtshilfe auch in Verfahren wegen Handlungen geleistet, die nach dem nationalen Recht einer oder beider Vertragsparteien als Zuwiderhandlungen gegen Ordnungsvorschriften durch Behörden geahndet werden, gegen deren Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann. Der Verdacht der Vornahme von „Blutdoping“ durch Nichtärzte stellt eine Verwaltungsübertretung nach § 199 Abs. 1 ÄrzteG 1998.

Die italienischen Rechtshilfeersuchen wurden im unmittelbaren Behördenverkehr an die zuständigen österreichischen Justizbehörden übermittelt und auf diesem Weg auch erledigt. Das erste Rechthilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Turin vom 17.3.2006 dürfte am 24.3.2006 unmittelbar beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingelangt sein.

Der italienischen Staatsanwaltschaft wurde so weit wie nur möglich Rechtshilfe durch Erhebungen, Vernehmungen und Zustellungen an die Beschuldigten geleistet.

Zu 27:

Die Ermittlungen erfolgten entsprechend den Bestimmungen des ARHG und der StPO wegen des Verdachtes eines dem § 84a AMG entsprechenden italienischen Deliktes. Der Staatsanwaltschaft wurden keine Ermittlungsergebnisse übermittelt, weil nach der bis Ablauf des 31. Dezember 2007 geltenden Rechtslage die Gerichte für ausländische Rechtshilfeersuchen zuständig waren. Veranlassungen wurden nicht getroffen, weil sich im Jahr 2007 auf Grund der Erhebungen kein Verdacht einer in Österreich gerichtlich strafbaren Handlung ergab.

Zu 28:

Auf Grund des Rechtshilfeersuchens im Jahr 2007 erhielt die Staatsanwaltschaft Wien keine derartige Liste.

Zu 29:

Die Empfehlung 4 der Europäischen Kommission im Weißbuch Sport vom 11.7.2007, KOM(2007) 391 final, zur verstärkten Zusammenarbeit der verschiedener Behörden der Mitgliedstaaten bei Bekämpfung des Dopings und der Verbreitung von Dopingsubstanzen durch Bildung von Partnerschaften wird begrüßt.

Es besteht schon heute die Möglichkeit durch Gemeinsame Ermittlungsgruppen nach Artikel 13 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005, und im Rahmen von Eurojust anlassbezogen verstärkt zusammen zu arbeiten.

Zu 30 und 31:

Dazu darf auf die zu den Fragen 16 bis 19 dargelegte Haltung des Bundesministeriums für Justiz verwiesen werden, aus dessen Sicht mit den derzeit in Österreich bestehenden gerichtlichen Strafbestimmungen weitestgehend das Auslangen gefunden und lediglich im Hinblick auf die Problematik Blutdoping ein Anpassungsbedarf eingeräumt wird.

 

Eine (wesentliche) Verschärfung der Strafbestimmungen wird demnach grundsätzlich abgelehnt, sodass auch eine Gleichsetzung des Dopinghandels mit dem illegalen Drogenhandel nicht gerechtfertigt erscheint.

. April 2008

 

(Dr. Maria Berger)