357/AB XXIII. GP

Eingelangt am 20.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Die Abgeordneten zum Nationalrat Haidlmayr, Freundinnen und Freunde haben am
20. Februar 2007 unter der Nr. 342/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend benachteiligende Bestimmungen f
ür Menschen mit Behinderungen gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich im Rahmen meines Wirkungsbereiches wie folgt:

Zu den Fragen 1 bis 4:

Im Bericht der Bundesregierung „über den Gesamtbericht der Arbeitsgruppe zur Durch-
forstung der
österreichischen Rechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender
Bestimmungen“ (III-178 BlgNR
XX. GP) sind eine Reihe von Bestimmungen aus dem
AVG, dem VStG, dem VVG, dem VwGG und dem VfGG sowie das Rundfunkgesetz,
BGBl. Nr. 379/1984, (Änderung des Titels in ORF-Gesetz“ durch das Bundesgesetz
BGBl.
I Nr. 83/2001) angeführt. Hinsichtlich des VStG und des VVG wird im Gesamtbe-
richt lediglich auf die jeweils anwendbaren Bestimmungen des AVG verwiesen. Ein
gesondertes Eingehen auf Bestimmungen dieser beiden Gesetze kann daher auch im
vorliegenden Zusammenhang unterbleiben.

ad B.III.1.a.a. des Gesamtberichtes (§ 13 Abs. 3 AVG):

Gemäß § 17a AVG (eingefügt durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/1999) hat die


Behörde blinden und hochgradig sehbehinderten Beteiligten den Inhalt von Akten durch
Verlesung oder nach Ma
ßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in sonst ge-
eigneter Weise zur Kenntnis zu bringen. Zum
Inhalt von Akten“ im Sinne dieser Bestim-
mung geh
ören auch Verbesserungsaufträge.

Durch § 76 Abs. 1 dritter Satz AVG (eingefügt ebenfalls durch das Bundesgesetz BGBl. I
Nr. 164/1999) ist sichergestellt, dass die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a
erwachsenden Kosten (dasselbe gilt im
Übrigen für einem Dolmetscher für Gebärden-
sprache zustehende Geb
ühren) von jenem Rechtsträger zu tragen sind, in dessen Na-
men die Behörde gehandelt hat.

ad B.III.1.a.c. des Gesamtberichtes (§ 17 Abs. 1 AVG)

Auch zur Regelung der Akteneinsicht ist auf den § 17a AVG zu verweisen. In den Materi-
alien (AB 2034 BlgNR XX. GP) wird darauf hingewiesen, dass als ein Zur-Kenntnis-Brin-
gen
in sonst geeigneter Weise“ insbesondere der Ausdruck von Schriftstücken in Brail-
leschrift in Frage kommt, sofern der Beteiligte diese Schrift beherrscht.

ad B.lll.1.b.b. des Gesamtberichtes (§ 40 Abs. 1 AVG):

Gemäß § 40 Abs. 1 vorletzter Satz AVG (eingefügt durch das Bundesgesetz BGBl. I
Nr. 164/1999) ist bei der Auswahl des Verhandlungsortes, sofern die mündliche Ver-
handlung nicht mit einem Augenschein verbunden ist, darauf zu achten, dass dieser für
k
örperbehinderte Beteiligte gefahrlos und tunlichst ohne fremde Hilfe zugänglich ist. Die
Beh
örde hat daher bei der Entscheidung über den Ort der mündlichen Verhandlung den
Aspekt des barrierefreien Zugangs f
ür körperbehinderte Beteiligte zu berücksichtigen.

ad B.lll.1.c.a. sowie B.lll.1.c.b. des Gesamtberichtes (§§ 62 und 67g AVG):
Da die Vorschrift des § 17a AVG nicht auf das Ermittlungsverfahren beschränkt ist und
auch der Bescheid einen Akteninhalt darstellt, besteht auch hinsichtlich eines Beschei-
des ein Anspruch auf Verlesung.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 18 Abs. 3 AVG in der Fassung des
Bundesgesetzes BGBl.
I Nr. 10/2004 externe Erledigungen (soweit keine besonderen
Formvorschriften bestehen) in jener Form vorzunehmen sind, die der Beh
örde und den
Beteiligten unter Wahrung ihrer Rechtsschutzinteressen den voraussichtlich geringsten


Aufwand verursacht und in der sie nach den der Behörde zur Verfügung stehenden
Informationen von den Beteiligten empfangen werden können.

ad B.lll.5.a.d. des Gesamtberichtes (S 24 Abs. 1 VfGG):

§ 185 Abs. 1a ZPO, der gemäß § 35 VfGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichts-
hof sinngem
äß anzuwenden ist, bestimmt, dass einer Verhandlung, an der eine gehör-
lose oder stumme Partei teilnimmt, ein Dolmetscher f
ür die Gebärdensprache beizuzie-
hen ist, wenn die betreffende Partei ohne Dolmetscher erscheint. Die Kosten dafür trägt
der Bund.

ad B.III.6.a. des Gesamtberichtes (§§ 23 Abs. 1. 25 Abs. 1 und 43 Abs. 4 VwGG):
Gemäß § 62 Abs. 1 VwGG gilt - soweit das VwGG nicht anderes bestimmt - in Ver-
fahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das AVG. Daraus ergibt sich, dass die Bestim-
mungen des § 17a (s. oben) bzw. des § 39a AVG (Beiziehung eines Dolmetschers für
die Gebärdensprache) auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuwenden
sind.

ad B.III.7. des Gesamtberichtes (§§ 17 Abs. 2 und 21 Abs. 2 ZustGV
Seit der Novelle zur Zustellformularverordnung 1982, BGBl. Nr. 600/1982, durch die Ver-
ordnung BGBl.
II Nr. 493/1999 haben die Formulare 1 (Verständigung über die Hinterle-
gung eines Schriftstückes) und 2 (Ankündigung eines zweiten Zustellversuches) hinsicht-
lich des Erscheinungsbildes bestimmte technische Spezifikationen (Lochung, Abschrä-
gung) aufzuweisen. Damit soll sichergestellt werden, dass der behördliche Charakter der
betreffenden Formulare auch f
ür sehbehinderte Personen ohne Zuhilfenahme eines Drit-
ten in der Regel erkennbar ist.

Zu den Fragen 5 und 6:

Hinsichtlich folgender im Gesamtbericht aufgeführter Bestimmungen wurden bislang

seitens des Bundeskanzleramtes noch keine Maßnahmen gesetzt:

ad B.III.1.a.b. des Gesamtberichtes (S 13 Abs. 1 AVG):

Es wird darauf hingewiesen, dass Anbringen auch außerhalb der Amtsstunden in jeder
technischen Form, die die Beh
örde zu empfangen in der Lage ist“, gestellt werden kön-
nen. Hinsichtlich der Art der Kundmachung der Amtsstunden einer Behörde wird seitens


des Bundeskanzleramtes die Einholung einer telefonischen Auskunft über die Amts-
stunden als zumutbar erachtet. Zudem sind seit der Novelle des AVG durch das Bun-
desgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 die Amtsstunden auch im Internet kundzumachen.

ad B.lll.1.b.a. des Gesamtberichtes (§ 39a Abs. 1 AVG):

Von der Aufnahme einer grundsätzlichen Bestimmung hinsichtlich des Ersatzes von be-
hinderungsbedingten Mehraufwendungen in die Kostenregelung des AVG (
§§ 74 ff) wur-
de bislang abgesehen. Dies vor allem deswegen, weil es sich bei dem Begriff
behinde-
rungsbedingte Mehraufwendungen“ um einen
äußerst unbestimmten Gesetzesbegriff
handelt, der in der Praxis zu nicht unbetr
ächtlichen Auslegungsschwierigkeiten und ge-
gebenenfalls Auslegungsdivergenzen f
ühren könnte. Alternativ dazu könnte zwar eine
taxative Auflistung der ersatzf
ähigen Mehraufwendungen in das Gesetz aufgenommen
werden. In diesem Fall müsste allerdings sichergestellt sein, dass eine sachliche Recht-
fertigung f
ür die im Gesetz getroffene Unterscheidung zwischen ersatzfähigen und nicht
ersatzf
ähigen Mehraufwendungen gegeben ist.

ad B.III.1.b.c. des Gesamtberichtes (§ 42 Abs. 1 AVG):

Die in § 42 Abs. 1 AVG normierte Präklusionswirkung knüpft nicht allein an den Anschlag
in der Gemeinde an. Für den Eintritt der Präklusion ist vielmehr zusätzlich eine Kundma-
chung in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Form oder - in Ermange-
lung einer solchen - in geeigneter Form erforderlich. Eine Kundmachungsform ist geeig-
net, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung
voraussichtlich Kenntnis erlangt.

ad B.lll.5.a.a. des Gesamtberichtes (§ 17 Abs. 2 VfGG):

Die Kosten eines Dolmetschers für die Gebärdensprache für die Verständigung zwi-
schen Beschwerdeführer und Rechtsanwalt stellen notwendige Kosten im Sinne des
§ 41 ZPO dar. Soweit die Kosten daher tarifmäßig zu verzeichnen sind, werden diese
Kosten im Fall des Obsiegens ersetzt. Soweit die Höhe des Kostenersatzes mittels Pau-
schbetrag bemessen wird, werden - wie dies dem Wesen der Pauschalierung entspricht
- von der Durchschnittsbetrachtung abweichende Mehraufwendungen nicht ber
ücksich-
tigt. Ein Kostenersatz f
ür den Fall des Unterliegens erscheint dem Bundeskanzleramt nur
schwer durchf
ührbar.


ad B.lll.5.a.b. sowie B.lll.5.a.e. des Gesamtberichtes (§§ 18 und 26 VfGG):
Eine zwingende mündliche Verkündung des Erkenntnisses erscheint wenig zweckmäßig.
In diesem Fall müsste immer eine Verkündungstagsatzung anberaumt werden, wenn
eine Verkündung im Anschluss an die mündliche Verhandlung nicht erfolgen kann oder
eine mündliche Verhandlung unterblieben ist.

Am zweckmäßigsten zur Behebung der in diesen Punkten aufgezeigten Problematik er-
scheint mir eine am
§ 17a AVG angelehnte Bestimmung über die Mitteilung von Aktenin-
halten an blinde Personen. Denkbar w
äre die Aufnahme einer derartigen Bestimmung in
die - gem
äß § 35 VfGG im verfassungsgerichtlichen Verfahren subsidiär anzuwendende
- ZPO, was in die Zust
ändigkeit des BMJ fällt.

ad B.lll.5.a.c. des Gesamtberichtes (§ 22 VfGG):

Die Regelung über die Kundmachung einer Verhandlung vor dem Verfassungsgerichts-
hof wurde bislang noch nicht abge
ändert.

Alle das VfGG betreffenden Änderungen werden bei der nächsten Novelle zu
berücksichtigen sein.