3627/AB XXIII. GP

Eingelangt am 25.04.2008
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BM für Landesverteidigung

Anfragebeantwortung

 

      Mag. Norbert DARABOS                                                                 1090 WIEN

BUNDESMINISTER FÜR LANDESVERTEIDIGUNG                                                                                           Roßauer Lände 1

                                                                                                                                                                             norbert.darabos@bmlv.gv.at

 
 


S91143/68-PMVD/2008                                                                                             25. April 2008

Frau
Präsidentin des Nationalrates

Parlament

1017 Wien

Die Abgeordneten zum Nationalrat Prähauser, Genossinnen und Genossen haben am 4. April 2008 unter der Nr. 4010/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "kolportierte Probleme in der Einführungsphase der Eurofighter sowie allfällige Verantwortlichkeiten dafür" gerichtet. Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu 1:

Die Einführung des Systems Eurofighter war zum Zeitpunkt meines Amtsantrittes auf Grundlage des am 1. Juli 2003 unterzeichneten Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Eurofighter GmbH bereits fortgeschritten. Die Analyse der Sachlage förderte in diesem Zusammenhang diverse Unstimmigkeiten zu Tage. Im Detail stellte sich die Situation für mich wie folgt dar:

·               Ein militärisches Pflichtenheft für Luftraumüberwachungsflugzeuge aus dem Jahr 2000 und ein damit nicht korrespondierendes operativ taktisches Konzept aus dem Jahr 2005.

·               Beschaffungsverträge V1/V2 (V1 – Kaufvertrag, V2 – Logistische Leistungen) mit der Eurofighter GmbH aus denen hervorgeht, dass sechs Stück der zu liefernden Eurofighter in einer abweichenden Ausführung geliefert werden können.

·               Ein nicht abgeschlossener Bearbeitungsvorgang für vier weitere Unterstützungs­verträge betreffend logistische Leistungen.

·               Brief der EF GmbH mit den Ausstiegskosten an Bundesminister Platter.

·               Maßgebliche Abweichungen bezüglich der Erreichung der Vorgaben von Teilzielen für die Errichtung und Fertigstellung der Bau/Infrastruktur für die Fliegerwerft und die Betriebsgebäude am Fliegerhorst Zeltweg.

·               Bestehende Unbestimmtheiten hinsichtlich der Sicherstellung der ersten logistischen Versorgungsreife vor Auslieferung des ersten Eurofighters.

·               Bestehende Unbestimmtheiten hinsichtlich der „Lizenzen“.

·               Keine Umsetzung von notwendigen Maßnahmen zu dem seit 1996 laufenden Vorgang „Ersatz des Schulflugzeuges Saab 105 Ö“.

·               Offene Leistungen zur Ausbildung von Eurofighter-Piloten.

·               Massive Kostensteigerungen im Bereich Bau/Infrastruktur im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen sowie Forderungen für Zusatzkosten für vier weitere Unterstützungsverträge für logistische Leistungen.

Zu 2:

Auf Grund des oben beschriebenen, unzufriedenstellenden Projektstatus sowie zu meiner Unterstützung bei meinen Bemühungen um einen Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag bzw. um Verbesserung des Vertrages habe ich unmittelbar nach Amtsantritt mit Minister­weisung 204 eine „Task Force Luftraumüberwachungsflugzeug“ (TF LRÜF) eingerichtet. Der Auftrag der TF LRÜF war laut meiner Weisung:

„Die „TF LRÜF“ hat unter Sicherstellung der Aufrechterhaltung einer lückenlosen aktiven und passiven Luftraumüberwachung eine gesamtheitliche Projektkontrolle durchzuführen sowie Ausstiegsvarianten aus dem o.a. Kaufvertrag und/oder signifikante Einsparungs­potentiale zu prüfen. Hierbei sind auch Erkenntnisse des laufenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses heranzuziehen.“

Die TF LRÜF hat sich in der Bearbeitung auf die Aktenlage des Bundesministeriums für Landesverteidigung, die laufenden Ergebnisse des Eurofighter-Untersuchungsausschusses, die Wahrnehmungsberichte des Rechnungshofes und auf die internen Prüfaufträge gestützt.

Zu 3:

Ja. Auf Grund des unklaren Projektstatus und der ersten Ergebnisse der Arbeit der TF LRÜF wurden auch externe Experten hinzugezogen. Es handelte sich dabei insbesondere um den Präsidenten der Finanzprokuratur, Dr. Wolfgang Peschorn, den international renommierten Schadenrechtler, o. Univ.-Prof. i.R. DDr. h.c. Helmut Koziol, sowie den Verfassungsjuristen o. Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer.

Zu 4:

Am 25. Juni 2007 übermittelte o. Univ.-Prof. i.R. DDr. h.c. Helmut Kozil das in meinem Auftrag erstellte Gutachten dem Bundesministerium für Landesverteidigung. Er kommt unter Berücksichtigung der Task Force Luftraumüberwachungsflugzeuge zum Ergebnis, dass ein jahrelanger riskanter Rechtsstreit mit der Eurofighter GmbH im Falle eines Totalausstiegs aus dem Vertrag drohen würde. Er empfahl einen Vergleich zwischen dem Bundesministerium für Landesverteidigung und der Eurofighter GmbH anzustreben.

Zu 5:

Die wesentlichen Ergebnisse des Vergleichs sind:

·               Die Reduzierung der Anzahl der an Österreich zu liefernden Eurofighter von 18 auf 15.

·               Die Reduktion und Vereinheitlichung der Typen der Eurofighter auf Trance 1/Block 5 sowie Leistungsänderungen.

·               Einsparungen in der Höhe von etwa 400 Mio. Euro: 250 Mio. auf Grund der Leistungsänderungen, über die vorgesehene Betriebsdauer von 30 Jahren jährlich 4 Mio. Euro durch Verbesserungen der ISS-Verträge, ca. 30 Mio. Euro auf Grund eines „Besserungsscheines“.

Im Übrigen verweise ich auf meine Ausführungen in Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 1101/J.

Zu 6:

Im Vertrag V2 waren lediglich für sechs der 18 zu liefernden Eurofighter je ein DASS und FLIR als Option enthalten. Jedoch wurden alle für einen etwaigen Betrieb zwingend erforderlichen Aufwendungen im Bundesministerium für Landesverteidigung bereits unter meinem Amtsvorgänger gestrichen, so dass auch diese DASS- und FLIR-Systeme nicht ohne erheblichen budgetären Zusatzaufwand einsatzfähig gemacht werden hätten können. Um diesem budgetären Zusatzaufwand zuvorzukommen sowie unter Bedachtnahme der Tatsache, dass DASS und FLIR nur für einen Kampfeinsatz unter militärischer Bedrohung erforderlich sind und demnach nicht den vorherrschenden sicherheitspolitischen Rahmen­bedingungen entsprechen, habe ich mich für einen Verzicht auf diese Option entschieden. Eine zukünftige Aufwuchsfähigkeit im Fall einer Änderung der Bedrohung ist gegeben.

Zu 7:

Das Ergebnis des Vergleichs inklusive der Detailvereinbarung unterliegt der Geheim­haltung. Alle mit der Bearbeitung befassten Stellen wurden über den Vergleich informiert. Ich vertrete in der Frage einer Offenlegung des Eurofightervergleichsvertrags im Parlament eine klare Haltung: Demzufolge steht einer Einsichtnahme durch Parlamentarier in einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Gremium (z.B. im Rahmen des „Ständigen Unterausschusses des Landesverteidigungsausschusses zur Kontrolle der Heeresnachrichten­dienste“) nichts entgegen. Die Eurofighter GmbH hat einer solchen Informationsweitergabe zugestimmt.

Zu 8:

Ja. Mir lag als Grundlage für die Vergleichsverhandlungen eine Ausarbeitung des Generalstabs vor, die auf nachstehenden Überlegungen beruht. Die Rahmenbedingungen für die Luftraumüberwachung in Österreich und damit die Aufgabenstellung des ÖBH für den Luftbereich haben sich stark geändert:

·        Durch die Sicherheitsdoktrin vom Dezember 2001 wurde der Anteil „Luftver­teidigung“ auf Grund der faktisch nicht mehr vorhandenen direkten militärischen Bedrohung zurückgenommen;

·        die Fähigkeit für das BMLV wurde damit auf eine „Aufwuchsfähigkeit“ der Einrichtungen reduziert.

·        Mit Ende 2007 war erkennbar, dass Österreich keine Schengen-Außengrenze mehr besitzt.

·        Zur Begegnung der nicht militärischen Bedrohung der Länder der EU wurden – ausgelöst durch 9/11 – im Bereich der EU Maßnahmen zur europäischen Kooperation im Luftbereich eingeleitet.

Diese geänderten Rahmenbedingungen wurden in der durch den Generalstab im Mai 2007 vorgelegten Ausarbeitung berücksichtigt; der Handlungsspielraum für Änderungen in der Stückzahl und Fähigkeiten für die Luftraumüberwachung wurde damit auf Grund einer militärischen Planungsgrundlage geschaffen.

Zu 9:

Für diese Reduktion (von 24 auf 18 Eurofighter), die die Vorgängerregierung beschlossen hat ist mir keine militärische Grundlage bekannt.

Zu 10:

Ja.

Zu 11:

Ja. Bei der „Ersetzungsbefugnis“ handelt es sich um einen Passus im Eurofighter-Vertrag, durch den der Lieferfirma im Vertrag V1 die Möglichkeit zur Lieferung von Flugzeugen der Tranche 1/Block 5 an Stelle des vertragsmäßigen Liefergegenstandes, Flugzeuge der Tranche 2/Block 8 eingeräumt hat. Eine Umrüstung auf Tranche 2/Block 8 sollte erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Die Eurofighter GmbH hat diese Ersetzungsbefugnis im Jahr 2006 in Anspruch genommen.

Zu 12:

Ja, durch diese Ersetzungsbefugnis hat letztlich keine Baugleichheit der 18 für Österreich vorgesehenen Eurofighter bestanden.

Zu 13:

Ja. Es wäre ein erheblicher logistischer und finanzieller Mehraufwand für das Bundes­ministerium für Landesverteidigung entstanden:

·        In der gesamten administrativen Abwicklung der Verträge.

·        Im laufenden Betrieb auf Dauer der Nutzung (30 Jahre) durch 2 Logistikschienen für die beiden logistisch unterschiedlichen Systeme.

·        Im Bereich Ausbildung des fliegenden und technischen Personals durch 2 Ausbildungs­schienen für die beiden logistisch unterschiedlichen Systeme.

·        Im Bereich der Güteprüfungen, wegen der erforderlichen doppelten Abnahme der für eine Umrüstung vorgesehenen Eurofighter.

·        Im Bereich Bau/Infrastruktur durch die Notwendigkeit von zwei Wartungsschienen.

·        Durch eingeschränkte Verfügbarkeit der Eurofighter für die Dauer der Umrüstung von Tranche 1/Block 5 auf Tranche 2/Block 8. Während diesem Zeitraum – mehrere Monate wären möglich gewesen – hätte das BMLV zu wenige Flugzeuge zur Luftraumüberwachung zur Verfügung gehabt, da die Eurofighter GmbH bis zu 17 Eurofighter gleichzeitig zur Umrüstung einziehen hätte können.

Insgesamt wären dadurch Zusatzkosten in mehrstelliger Millionenhöhe entstanden.

Zu 14:

Ja, diese Problemfelder wurden durch den Vergleich bereinigt.

Zu 15:

Ja. Die Herausnahme von für den Gesamtbetrieb im Endausbau erforderlichen Leistungen erfolgte aufgrund von Vorgaben der Regierung Schüssel II ohne militärische oder betriebliche Grundlagen des Bundesministeriums für Landesverteidigung.

Zu 16:

Die auf Grund der Herausnahme der Leistungen erfolgten vorgeblichen Einsparungen werden meiner Erkenntnis nach erhebliche Folgekosten mit sich bringen. Die Leistungen müssen durch das Bundesministerium für Landesverteidigung außerhalb der bestehenden Verträge V1/V2 zu einem späteren Zeitpunkt gesondert beschafft und finanziert werden, um einen reibungslosen Betrieb der Eurofighter sicherzustellen. Die Beschaffungskosten dafür werden, bedingt durch Preissteigerungen, erheblich höher sein, als dies ohne den erfolgten Verzicht auf diese Leistungen gewesen wären.

Zu 17:

Nein. Lediglich die Sanierung der Piste und der Neubau eines Ausbildungs- und Simulatorzentrums waren rechtzeitig vor Inbetriebnahme des ersten Eurofighters fertig gestellt. Bei meinem Amtsantritt musste ich feststellen, dass verschiedenste Baumaßnahmen in Zeltweg noch nicht in jenem Bauzustand waren, der für den Betrieb der Eurofighter erforderlich gewesen wäre. Gegenüber den ressortinternen Realisierungsvorgaben musste ein Verzug um bis zu zwölf Monate festgestellt werden. Ich habe daher veranlasst, dass notwendige Ersatzmaßnahmen ergriffen wurden, um rechtzeitig mit der Lieferung des ersten Luftfahrzeuges auch den Flugbetrieb und die Wartung des Eurofighters aus Zeltweg sicherzustellen. Weiters habe ich auf Grund der Analysen der Task Force LRÜF noch mögliche Optimierungsmöglichkeiten eingeleitet. Für jene Baumaßnahmen, die noch nicht abgeschlossen waren, habe ich weiters Sorge getragen, dass es während der Bau- und Fertig­stellungsmaßnahmen zu keinen störenden Beeinträchtigungen bei der Implementierung der Eurofighter kommt.

Zu 18:

Wie ich im Zuge meiner Amtstätigkeit wiederholt in der Öffentlichkeit festgestellt habe, war das Thema „Lizenzen“ ein offenes Problem, das durch meine Amtsvorgänger nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte. Ich habe daher Maßnahmen veranlasst, damit alle Vorgänge durch das Bundesministerium für Landesverteidigung abschließend bearbeitet wurden, sodass mittlerweile alle durch das Bundesministerium für Landesverteidigung beizustellenden Unterlagen vorliegen. Die vertraglich ausbedungenen Leistungen des Lieferunternehmens (EF GmbH) sind derzeit nicht in vollem Umfang abgeschlossen. Um den Betrieb zu ermöglichen, wurde eine „Ersatzmöglichkeit“ angeboten und auch angenommen.

Zu 19:

Die Ausbildung der Piloten am Eurofighter (Umschulung) war ursprünglich Teil der Eurofighterverträge. Die Entscheidung, diese Ausbildung aus dem Vertrag herauszunehmen und durch die Luftwaffe der Deutschen Bundeswehr durchführen zu lassen erfolgte unter meinem Amtsvorgänger. Das Heranführen der Piloten an den Eurofighter ist bislang über die Systeme S35 Draken und F5-E Tiger II erfolgt. Diese beiden Systeme sind als Zugangsvoraussetzung für eine Umschulung auf den Eurofighter zulässig. Mit der planmäßigen Ausphasung der F5-E Tiger II im Juli 2008 fällt auch diese Zugangsvoraussetzung für unsere Piloten weg. Das auch im Bundesministerium für Landesverteidigung verwendete Luftfahrzeugsystem Saab 105 OE ist dafür nicht ausreichend. Obwohl dieser Umstand seit Jahren bekannt ist, wurde von meinen Amtsvorgängern keine Entscheidung hinsichtlich der zukünftigen Heranführung der Piloten an den Eurofighter sowie für ein Luftfahrzeugsystem für die notwendige Ausbildung „Umschulung auf den Eurofighter“ getroffen. Die Analyse der TF LRÜF hat ergeben, dass diese Entscheidung sowie die Entscheidung über die weitere Nutzung (und allfälliger Modifikationen) der Saab 105 OE noch vor meinem Amtsantritt erforderlich gewesen wären und umgesetzt hätten sein müssen. Auf Grund dieses „Fehls“ habe ich veranlasst, dass auch alternative Ausbildungsmöglichkeiten geprüft und umgesetzt werden.

Zu 20:

Nein. Dies war auf Grund der Gestaltung der Verträge V1 und V2 nicht möglich. Wie in den Antworten aufgezeigt, habe ich jedoch alle Veranlassungen getroffen, um diese Unzuläng­lichkeiten im Rahmen der laufenden Einführungsphase der Eurofighter zu beseitigen.

Zu 21:

Nein.