363/AB XXIII. GP
Eingelangt am 20.04.2007
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BM für Soziales und Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung
Frau
Präsidentin des Nationalrates (5-fach)
Parlament
1010 Wien
GZ: BMSG-10001/0053-I/A/4/2007 Wien,
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 351/J der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde, wie folgt:
Fragen 1 bis 6:
Zunächst verweise ich auf die Beantwortung von Bundesminister a.D Mag. Haupt (1076/AB) vom 12. Jänner 2004 zur Anfrage Nr. 1056/J (XXII.GP) und führe dazu ergänzend aus:
Behinderteneinstellungsgesetz (Punkt C.II.1 des Berichts):
1. Beschäftigungspflicht (§ 1 Abs.1 BEinstG):
Der Anregung, den gesetzlichen Pflichtzahlschlüssel von 25 zu senken, wurde nicht nachgekommen.
Das Prinzip der Beschäftigungspflicht begründet einen Solidarausgleich zwischen Dienstgebern, die begünstigte Behinderte beschäftigen, und solchen, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Der Dienstgeber hat abstrakt gesehen die Wahlfreiheit, begünstigte Behinderte als Dienstnehmer zu beschäftigen oder aber die Ausgleichstaxe zu entrichten. Mit dem Pflichtzahlschlüssel von 25 ist im langjährigen Schnitt gewährleistet, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Pflichtstellen und begünstigten Behinderten besteht, dies auch vor dem Hintergrund, dass mit der Novelle 1999 (BGBl. I Nr. 17/1999) alle bestehenden Ausnahmeregelungen in einem Übergangszeitraum bis 2003 gestrichen wurden. So standen nach den zuletzt verfügbaren Daten aus dem Jahr 2006 ca. 91.000 Pflichtstellen rund 92.000 begünstigte Behinderte gegenüber. Im Falle einer weiteren Senkung des Pflichtzahlschlüssels würde wohl die Anzahl der Pflichtstellen die Anzahl der begünstigten Behinderten in einem sachlich nicht zu rechtfertigenden Ausmaß überschreiten, sodass Dienstgeber auch bei gutem Willen von der Wahlfreiheit der Einstellung eines behinderten Mitarbeiters keinen Gebrauch mehr machen könnten.
2. Ermächtigung zur Erlassung von Ausnahmeverordnungen (§ 1 Abs. 2 BEinstG):
Der Anregung, die Verordnungsermächtigung des Bundesministers zur Gänze zu streichen, wurde nicht nachgekommen.
Die entsprechende Bestimmung wurde in der erwähnten Novelle 1999 dahingehend abgeändert, dass die Verordnungsermächtigung des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz nur mehr Ausnahmen auf bis zu je 40 Dienstnehmer umfasst. Die damals bestehenden Ausnahmen wurden in einem Auslaufzeitraum bis 2003 sukzessive reduziert. Neue Verordnungen wurden bis dato nicht erlassen.
Der erwähnte Solidarausgleich zwischen Dienstgebern hat tatsächlichen Erfordernissen der einzelnen Wirtschaftszweige im Sinne des Sachlichkeitsgebots gerecht zu werden, weshalb allfällige auf sachliche Erwägungen über die Beschäftigungsmöglichkeiten einzelner Wirtschaftszweige gestützte Verordnungen auch nicht gleichheitswidrig wären.
3. Personenkreis (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 lit.d BEinstG):
Der Anregung, die Bestimmung, der zufolge Menschen, die aufgrund des Ausmaßes ihrer Beeinträchtigung nicht in der Lage sind, auf einem Arbeitsplatz in einem Integrativen Betrieb zu arbeiten, vom Status des begünstigten Behinderten ausgeschlossen sind, zu streichen, wurde nicht nachgekommen.
Nach den Bestimmungen des österreichischen Verfassungsrechts sind Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesen sind, in Gesetzgebung und Vollziehung von den Ländern zu besorgen.
„Behindertenwesen“ ist grundsätzlich eine solche Angelegenheit. Dem Bund kommt gemäß der Verfassungsbestimmung des Art. I Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 27. September 1988, BGBl. Nr. 721, die Zuständigkeit für die Behinderteneinstellung, also die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderungen zu. Die Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der beruflichen Eingliederung (Dienstgeber, Dienstnehmer, Dienstverhältnis) entstammen dem Sozialversicherungsrecht und der dazu ergangenen Judikatur. Dienstnehmer sind in diesem Sinne Personen, die in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Rahmen eines Arbeitsvertrages und der Sozialversicherung unterliegend Arbeitsleistungen erbringen.
Menschen mit Behinderungen mit so schweren Beeinträchtigungen, dass eine solche Beschäftigung nicht möglich ist, wären von der Zuständigkeitsklausel der Verfassungsbestimmung nicht umfasst, so dass es dem Bund gar nicht zukäme, ihren rechtlichen Status zu regeln. Bemerkt werden darf aber, dass eine große Zahl von geistig behinderten Menschen in der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Dienstverhältnissen arbeiten und in diesem Rahmen auch alle Vergünstigungen des Behinderteneinstellungsgesetzes genießen. Von einer unsachlichen Schlechterstellung kann also nicht gesprochen werden.
Zum gesamten Punkt C.II.1. (Behinderteneinstellungsgesetz) des Berichts darf bemerkt werden, dass wohl der Bundesgesetzgeber den hier erwähnten Anregungen der Behindertenverbände nicht gefolgt ist. Bei den beanstandeten Regelungen handelt es sich aber durchwegs nicht um behinderte Menschen diskriminierende Bestimmungen, sondern um behinderte Menschen betreffendes spezielles Recht, das sachlichen Erwägungen folgend erlassen wurde.
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (Punkt C.II.4 des Berichts)
1. Selbstversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger
Im Zuge des Sozialversicherungs‑Änderungsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 132, wurde mit 1. Jänner 2006 eine Selbstversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger eingeführt (§ 18b ASVG). Sie kann von einer Person in Anspruch genommen werden, die sich der Pflege von nahen Angehörigen mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 widmet und diese unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegt. Neben der Pflegetätigkeit kann auch eine Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit bestehen (die pflegende Person darf dabei auch in nicht vollem Ausmaß erwerbstätig sein).
Ein vorübergehender stationärer Aufenthalt der zu pflegenden Person bewirkt keine Unterbrechung.
Der fiktive Dienstgeberanteil zu dieser Selbstversicherung wird vom Bund getragen.
Im derzeit zur Begutachtung stehenden Ministerialentwurf einer 67. ASVG-Novelle ist im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Pflege vorgesehen, dass es mit Wirkung vom 1. Juli 2007 ab Pflegestufe 4 zu einer zeitlich befristeten teilweisen oder vollständigen Übernahme auch der Dienstnehmerbeiträge bei freiwilliger Pensionsversicherung von pflegenden Angehörigen kommt.
Dementsprechend soll der Bund für längstens 48 Kalendermonate auch die Hälfte jenes Beitragsteiles übernehmen, der auf die freiwillig versicherte Pflegeperson entfällt, wenn ein naher Angehöriger/ eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 4 gepflegt wird. Hat der/ die nahe Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 5, so soll der Bund die Beiträge für längstens 48 Kalendermonate zur Gänze tragen.
2. Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auch bei originärer Invalidität:
Im Rahmen des 2. Sozialversicherungs‑Änderungsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 145, wurde ein Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auch bei „originärer Invalidität“ geschaffen (§ 255 Abs. 7 ASVG). Menschen, die bei Eintritt in die Erwerbstätigkeit auf Grund ihrer starken gesundheitlichen Einschränkungen grundsätzlich arbeitsunfähig waren, aber dennoch lange Zeit hindurch einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, wird es durch diese Gesetzesänderung ermöglicht, eine Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitspension in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung dafür ist, dass sie mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben haben und wegen einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes aus der Beschäftigung ausscheiden mussten.
Diese mit 1. Jänner 2004 wirksam gewordene Maßnahme stellt einen Anreiz für behinderte Menschen dar, sich in den regulären Arbeitsmarkt aktiv zu integrieren.
Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode ist vorgesehen, dass eine Arbeitsgruppe – bestehend aus Sozialpartnern, Regierungsvertretern und anderen Experten – bis 1. Jänner 2008 Vorschläge zu einer Neuordnung des Invaliditätspensionsrechts erarbeiten soll.
In dieser Arbeitsgruppe ist vornehmlich im Bereich des Berufsschutzes eine Harmonisierung anzustreben.
Für ältere Personen, die wegen ihrer geminderten Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) benachteiligt sind, aber die Anforderungen für eine Pensionsleistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit) noch nicht erfüllen, ist – laut Regierungsübereinkommen – zu prüfen, ob eine Verbesserung erreicht werden kann.
3. Rehabilitation:
Maßnahmen der Rehabilitation haben in der Pensionsversicherung einen hohen Stellenwert. Sie werden mit dem Ziel gewährt, körperlich, geistig oder psychisch beeinträchtigte Personen bis zu einem solchen Grad der Leistungsfähigkeit herzustellen bzw. wiederherzustellen, der sie in die Lage versetzt, im beruflichen sowie im wirtschaftlichen Leben und in der Gemeinschaft einen angemessenen Platz möglichst dauernd einnehmen zu können.
Derzeit wird die Frage einer Neuorganisation der Erbringung von Rehabilitationsmaßnahmen sowohl in verschiedenen Gremien des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger als auch im Sozial- und Gesundheitsforum Österreich diskutiert.
Mit freundlichen Grüßen