3652/AB XXIII. GP
Eingelangt am 28.04.2008
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am April 2008
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0035-I/4/2008
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3638/J vom 28. Februar 2008 der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzprokuratur beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Die Organisationsreform der Finanzprokuratur wurde bereits vor dem in der vorliegenden Anfrage zitierten Rechnungshofbericht eingeleitet. Im April 2006 wurde eine Ausgliederung der Finanzprokuratur erwogen. Unter der Leitung eines externen Beraters wurden intensive Untersuchungen bezüglich der Organisationsformen für die Finanzprokuratur geführt. Im Ergebnis wurde die bestehende Rechtsform der Finanzprokuratur als flexibilisierte Dienststelle des Bundes als optimal zur Erfüllung ihrer Aufgaben angesehen. Gleichzeitig wurde aber Optimierungspotential erkannt.
Im September 2006 wurde seitens des Bundesministeriums für Finanzen eine umfassende Strukturreform in der Finanzprokuratur mit dem Ziel eingeleitet, die Finanzprokuratur zu einem effizienteren und moderneren Dienstleister auszubauen und insbesondere eine Straffung ihrer Aufbauorganisation herbeizuführen.
Noch vor Übermittlung des in der vorliegenden Anfrage zitierten Rechnungshofberichtes hat der Lenkungsausschuss der Reformprojektgruppe eine neue Aufbauorganisation mit künftig sieben Geschäftsfeldern beschlossen, die ausschließlich nach Sachgebieten (zusammengehörigen Rechtsmaterien) strukturiert sind.
Die für die Umsetzung der Reform notwendigen gesetzlichen Maßnahmen wurden einem Begutachtungsverfahren (Abschluss 4. April 2008) unterzogen (Entwurf über ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzprokuraturgesetz neu erlassen wird; 167/ME XXIII. GP).
Im Rahmen des Reformprozesses wurden nicht nur die Prozessabläufe betreffend das Rechnungswesen klar definiert, sondern wurden sämtliche Kernprozesse innerhalb der Finanzprokuratur (Beratung/Vertretung/Mandantenakquisition/Betreibungsdienst etc.) dargestellt, um zukünftig klare Schnittstellen zu definieren und Aufgabenstellungen bzw. Verantwortungen exakt zuzuweisen. Die Erarbeitung einer Kosten- und Leistungsrechnung steht vor der Fertigstellung.
Weiters wird zur Zeit in Zusammenarbeit mit der Bundesrechenzentrum GmbH an der Beschaffung und Installierung einer Anwaltssoftware gearbeitet, womit hinkünftig unter anderem eine umfassende Berichterstattung mit genaueren Auswertungsmöglichkeiten auch im Sinne der vorliegenden Fragen dieser parlamentarischen Anfrage möglich sein wird.
Für die Juristen der Finanzprokuratur wurde ein Ausbildungskonzept erarbeitet bzw. entsprechende Richtlinien klar definiert. An einem Weiterbildungskonzept, welches insbesondere eine weitergehende Spezialisierung der Prokuratursanwälte ermöglichen soll, wird derzeit gearbeitet.
Zu 2.
Die Finanzprokuratur ist bemüht, im Rahmen des Reformprozesses ihre Expertise in den von ihren Kunden angeforderten Materien, wie insbesondere in den Bereichen Arbeits- und Sozialrecht sowie Gesellschaftsrecht weiter zu verstärken und auszubauen.
In Anbetracht der angestrebten Schaffung der Möglichkeit für Länder und Gemeinden, die Finanzprokuratur mit der rechtlichen Beratung und/oder Vertretung zu beauftragen sowie einer generell verstärkten Beratungs- und Vertretungstätigkeit ist ein entsprechender Personalstand notwendig.
Zu 3.:
Die Finanzprokuratur gliedert sich derzeit in das Präsidium mit mehreren Supporteinheiten (z.B. Einlaufstelle, Clearing/Controlling, Bibliothek) und 13 Fachabteilungen.
Die einzelnen Abteilungen der Finanzprokuratur sind wie folgt besetzt (in Vollbeschäftigungs-Äquivalenten):
|
Abteilung |
Juristen |
Kanzlei |
Betreibungs- |
|
1 |
3,5 |
2 |
|
|
2 |
4 |
2 |
|
|
3 |
3 |
1,5 |
|
|
4 |
3 |
1 |
|
|
5 |
3,75 |
3 |
1 |
|
6 |
2,5 |
1,75 |
|
|
7 |
2 |
1 |
|
|
8 |
2,5 |
1 |
|
|
9 |
2,5 |
1,5 |
|
|
10 |
3 |
1,625 |
|
|
11 |
3 |
2 |
|
|
12 |
3 |
1,25 |
|
|
13 |
3 |
1,5 |
|
|
Betreibungsdienst |
|
1 |
2 |
Zu 4.:
Die Personalausgaben für die Juristen („Prokuratursanwälte“) betragen 61,42% der Gesamtausgaben.
Zu 5. und 6.:
Eine detaillierte Beantwortung dieser Fragestellungen würde nach Auskunft der Finanzprokuratur eine händische Auswertung aller Akten erforderlich machen. Ich ersuche daher um Verständnis dafür, dass aus verwaltungsökonomischen Gründen diese Fragen nicht detailliert beantwortet werden können.
Diesbezüglich können von Seiten der Finanzprokuratur folgende Informationen zur Verfügung gestellt werden:
Arbeitsanfall in der Finanzprokuratur im Jahr 2007:
- 74.673 neue Einlaufstücke von Mandanten/Gerichten/gegnerischen Anwälten,
- 7.548 Akte mussten neu angelegt werden,
- 1.099 neue Prozesse wurden anhängig und
- 3.755 Verhandlungs- bzw. Besprechungstermine mussten wahrgenommen werden.
Zu 7. und 8.:
Eingangs ist festzuhalten, dass der Begriff der (reinen) Verfahrenskosten ein sehr breiter ist und neben dem Anwaltshonorar auch die Pauschalgebühr an das Gericht sowie Sachverständigenkosten und Zeugengebühren umfasst.
Die Pauschalgebühr sowie aufgetragene Sachverständigenkosten und Zeugengebühren werden direkt an den Mandanten zwecks Zahlung an das Gericht weitergeleitet. Die Finanzprokuratur hat – derzeit – keine zusammenfassenden Aufzeichnungen über weitergeleitete Zahlungsaufträge.
Im Fall des Prozessverlustes hat der Bund (nur) die Verfahrenskosten des Gegners zu tragen, jedoch kein gesondertes Entgelt für seine Vertretung durch die Finanzprokuratur zu entrichten. Die vom Gericht bestimmten Kosten des Gegners sind von den jeweiligen Mandanten der Finanzprokuratur direkt zu bezahlen, weshalb bei der Finanzprokuratur selbst keine zusammenfassenden Aufzeichnungen darüber geführt werden. Die zukünftige Anwaltssoftware wird ein umfangreiches Berichtswesen ermöglichen. Ich ersuche daher um Verständnis, dass diese Fragen zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantwortet werden können.
Die anwaltliche Wertschöpfung der Finanzprokuratur, das ist gemäß der Legaldefinition in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Bestimmung der Finanzprokuratur als Organisationseinheit, bei der die Flexibilisierungsklausel zur Anwendung gelangt, BGBl. II Nr. 471/2001 idgF, der unter Zugrundelegung der Ansätze nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz bzw. den Autonomen Honorarrichtlinien und des Notariatstarifgesetzes objektive Wert der anwaltlichen Tätigkeit der Finanzprokuratur, betrug im Kalenderjahr 2007 insgesamt Euro 8.651.988,91.
Zu 9.:
Im Jahr 2005 hat die Finanzprokuratur 1.008 Vertretungsfälle abgeschlossen, davon
- 70,34% mit einem für den Mandanten positiven Ergebnis,
- 10,81% mit einem für den Mandanten negativen Ergebnis und
- 18,85% mit einem für den Mandanten neutralen Ergebnis.
Im Jahr 2006 wurden 898 Vertretungsfälle abgeschlossen, davon
- 74,83% mit einem für den Mandanten positiven Ergebnis,
- 9,69% mit einem für den Mandanten negativen Ergebnis und
- 15,48% mit einem für den Mandanten neutralen Ergebnis.
Im Jahr 2007 konnten 1.111 Vertretungsfälle abgeschlossen werden, davon
- 66,61% mit einem für den Mandanten positiven Ergebnis,
- 9,36% mit einem für den Mandanten negativen Ergebnis und
- 24,03% mit einem für den Mandanten neutralen Ergebnis.
Zu 10.:
Der Beantwortung dieser Frage ist zugrunde zu legen, dass die unterlegene Partei im Falle des gänzlichen oder teilweisen Prozessverlustes nicht nur zur Zahlung eines Kapitalbetrages samt Zinsen, sondern dem Gegner auch zum gänzlichen oder teilweisen Kostenersatz verpflichtet ist. Die erfolgreiche Einforderung eines Anspruches oder die erfolgreiche Abwehr führt daher auch bei der Republik Österreich dazu, dass sie sich im jeweiligen Umfang Zahlungen an Kapital und/oder Kosten an andere erspart.
Die Finanzprokuratur hat im Jahr 2007 in 66,6% der an sie zur Vertretung herangetragenen Fälle obsiegt. Aufgrund der in der Finanzprokuratur vorliegenden Daten hat sich der Bund rund Euro 2,3 Mio. an Zahlungen von gegnerischen Anwaltshonoraren erspart.
Die von der Finanzprokuratur geführte Prozesserfolgsstatistik erfasst auch solche Verfahren, in denen jede Partei ihren Aufwand endgültig selbst zu tragen hat. Dazu kommt, dass im Fall des Prozesserfolges die Finanzprokuratur einen Anspruch auf Prozesskostenersatz hat.
Weiters ist zu bedenken, dass der Prozesserfolg der Finanzprokuratur nicht nur zu einer Kostenersparnis beim Bund führt, sondern diesen auch im Umfang des Obsiegens von der Verpflichtung zur Leistung der begehrten Ansprüche befreit.
Zu 11. und 12.:
Aufgrund der derzeit verfügbaren Daten der Finanzprokuratur sind die Kosten für nicht eindeutig positive Erledigungen mit rund Euro 0,9 Mio. anzusetzen.
Unter Zugrundelegung der oben angeführten Flexibilisierungsverordnung wären dafür Anwaltskosten in der Höhe von rund Euro 1,4 Mio. (exklusive USt) zu veranschlagen.
Zu 13.:
Nein.
Zu 14.:
Die Beantwortung erübrigt sich.
Zu 15.:
Nein.
Zu 16.:
Die Tätigkeit der Finanzprokuratur ist – trotz haushaltsrechtlicher „Flexiklausel“ – nicht auf eigene Gewinnerzielung gerichtet, vielmehr ist die Finanzprokuratur zur Wahrung der öffentlichen Interessen berufen.
Der gemäß Bundeshaushaltsgesetz beim Bundesministerium für Finanzen eingerichtete Controlling-Beirat berät und unterstützt die Finanzprokuratur bei der Erreichung bzw. Erfüllung aller vereinbarten Zielwerte.
Darüber hinaus ist die Finanzprokuratur verpflichtet, entsprechend dem Auftrag ihrer Mandanten zu handeln bzw. im Rahmen des Auftragsverhältnisses bei der Ergreifung der nach dem Gesetz zulässigen und im Interesse des Mandanten gelegenen Maßnahmen das Einvernehmen mit ihren Mandanten herzustellen. Die Prokuratursanwälte prüfen im Vorfeld stets sorgfältig die Erfolgsaussichten eines Verfahrens bzw. die Zweckmäßigkeit einer Klagseinbringung und geben dem Mandanten sodann begründete Empfehlungen für die weitere Vorgangsweise bzw. zeigen die rechtlich vertretbaren Möglichkeiten auf. Die Letztentscheidung, ob rechtliche Schritte gesetzt werden, liegt beim jeweiligen Mandanten.
Mit freundlichen Grüßen