3656/AB XXIII. GP
Eingelangt am 29.04.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0033-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 3675/J-NR/2008
Der Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Peter Fichtenbauer und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Lehrgang zum Affektkontrolltraining für Häftlinge“ in Justizanstalten gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 4:
Ausgewählten Insassen der Justizanstalt Wien-Mittersteig wurde eine Einführung in Affektkontrolltraining (AKT) angeboten. Dabei wurden weder Techniken oder Kräftigungsübungen aus anwendbaren Kampfsystemen oder bewährten Selbstverteidigungskonzepten praktiziert, noch gehören solche Trainingsansätze zum psychosomatisch wirksamen Inhalt des A.K.Tâ-Curriculums.
Das AKT fördert die Stärkung der Persönlichkeit und der Kooperationsfähigkeit in krisenhaften Situationen und bietet somit eine Grundvoraussetzung für gewaltfreien Umgang miteinander. AKT beruht auf den Prinzipien der gegenseitigen Achtung, gegenseitiger Hilfe und gegenseitiger Unterstützung beim Entwickeln einer gesunden Persönlichkeit. Der gesundheitsfördernde Aspekt des asiatischen Qigong ist wissenschaftlich anerkannt, die neurophysiologisch fundierten Übungen sind nicht geeignet, Abwehrmaßnahmen gegen JustizwachebeamtInnen zu entwickeln oder bereits vorhandene Kampfsportkenntnisse zu vertiefen. Die gesundheitsfördernden Bewegungen aus den Bereichen Qigong, Tai Chi, haben zwar eine historische gemeinsame Basis mit Kampfkünsten, doch sind die sehr langsamen, meditativen Bewegungen ohne jegliche kampftechnische Relevanz.
Insbesondere bei schwierigen PatientInnen und PatientInnen mit psychischen Auffälligkeiten (somit auch bei geistig abnormen RechtsbrecherInnen) sind nonverbale und körperorientierte Therapien eine wichtige Unterstützung, um die Impulsivität zu senken und kontrolliertes Verhalten zu fördern. AKT ist daher gerade bei diesen StraftäterInnen sinnvoll. Daher wird AKT im deutschen Maßregelvollzug (vergleichbar dem Vollzug der Unterbringung gem. § 21 Abs. 2 StGB) bereits seit 16 Jahren erfolgreich angewendet. Übergriffe von KlientInnen auf Personal oder andere Missbrauchsfälle in Zusammenhang mit AKT sind nicht bekannt.
Sportliche Aktivitäten fördern zwar die Fitness von StraftäterInnen, aggressive Grundhaltungen werden hierbei aber nicht reflektiert und daher sind diese vom therapeutischen Standpunkt aus nur wenig effektiv, mitunter sogar kontraproduktiv. Körperbezogene Therapien beziehen dagegen einen ethischen Aspekt mit ein und sind daher als zusätzliches Angebot sinnvoll und psychotherapeutisch anerkannt.
Dennoch sind – wie bei allen Formen der Psychotherapie - nicht alle StraftäterInnen und insbesondere nicht alle geistig abnormen RechtsbrecherInnen für diese Therapieform geeignet. Die Indikationsstellung wird daher auch von Fachleuten mit entsprechenden Ausbildungen durchgeführt.
Zu 5:
Das Leitungsteam, in dem auch die Justizwache repräsentiert ist und der Sicherheitsbeauftragte der Justizanstalt Wien-Mittersteig wurden über das geplante AKT-Angebot informiert. Es wurden keine Einwände dagegen erhoben.
Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit von psychologischen, psychotherapeutischen und medizinischen Behandlungen fällt jedoch nicht in deren Arbeits- und Fachbereich.
Zu 6:
Nein. Die beiden zur Vermittlung von AKT eingesetzten Trainer sind Gründer des Forums für Bildung und Bewegung. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von ExpertInnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Konzepte zu entwickeln mit dem Grundsatz, destruktive Haltungen und Handlungen zu unterbinden. Das „Forum für Bildung und Bewegung“ hat keinerlei Expertise in Fixiertechniken und hat auch keinen derartigen Auftrag übernommen.
.
Zu 7:
Die bisher für die Vermittlung von AKT-Inhalten an InsassInnen aufgewendeten Kosten belaufen sich auf 3120 Euro.
Zu 8:
Das AKT-Training soll durch entsprechend ausgebildete JustizwachebeamtInnen in einer Organisationsform, die sich beim Group-Counselling bereits bewährt hat, angeboten werden. Im April 2008 beginnt ein AKT-Lehrgang, in dem 16 dazu besonders geeignete JustizwachebeamtInnen ausgebildet werden. Es ist beabsichtigt, dass im Laufe des Jahres 2009 fünf bis sechs AKT-Gruppen mit InsassInnen gestartet werden.
Zu 9:
Da die Ausbildung von 16 JustizwachebeamtInnen zu AKT-Trainern, die auch mit InsassInnen arbeiten, zu Beginn 2009 abgeschlossen wird, kann derzeit noch keine genaue Angabe über die Justizanstalten, in denen AKT künftig angeboten wird, gemacht werden.
Zu 10:
Wenn die geplanten AKT-Gruppen ihre Tätigkeit aufnehmen, werden jährlich Kosten in der Höhe von ca. 9.300 Euro anfallen (der Stundensatz für Justizwachebeamte beträgt 31 Euro, ca. 300 Stunden werden jährlich angeboten).
. April 2008
(Dr. Maria Berger)