3670/AB XXIII. GP

Eingelangt am 29.04.2008
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BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien     

 

 

 

Die Abgeordneten Mag. Gertraud Knoll, Kolleginnen und Kollegen haben am 11. März 2008 unter der Nr. 3818/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Österreichische Schubhaftpraxis“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu Frage 1:

In den Jahren 2007 und 2008 (1.1.08 bis 31.3.08) wurde über folgende Anzahl von Asylwerbern die Schubhaft verhängt:

 

 

Jahr

Anzahl

Begründung

2007

297

§ 76 Abs.2 Z 1 FPG

 

371

§ 76 Abs.2 Z 2 FPG

 

175

§ 76 Abs.2 Z 3 FPG

 

773

§ 76 Abs.2 Z 4 FPG

gesamt

1.616

 

2008 (1.1-31.3.)

71

§ 76 Abs.2 Z 1 FPG

 

77

§ 76 Abs.2 Z 2 FPG

 

30

§ 76 Abs.2 Z 3 FPG

 

172

§ 76 Abs.2 Z 4 FPG

gesamt

350

 

 

Von insgesamt 6.960 verhängten Schubhaften im Jahr 2007 wurden somit 23% gegen Asylwerber verhängt. Im Zeitraum vom Jänner bis März 2008 wurden insgesamt 1.657 Schubhaften verhängt, davon 21% gegen Asylwerber.

 

Zu Frage 2:

Ja. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass bei Minderjährigen gemäß § 77 FPG grundsätzlich das Gelindere Mittel anzuwenden ist, es sei denn, die Behörde hat Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft nicht erreicht werden kann. Minderjährige unter 14 Jahre werden nicht in Schubhaft genommen.

 

Nach den mir vorliegenden Aufzeichnungen wurde im Jahr 2007 über insgesamt 163 Minderjährige (bis 16 Jahre: 31, zwischen 16 und 18 Jahre: 132) die Schubhaft verhängt. Im Jahr 2008 (Jänner – März) über insgesamt 55 Minderjährige (bis 16 Jahre: 6, zwischen 16 und 18 Jahre: 49).

 

Zu Frage 3:

Derartige Statistiken werden nicht geführt. Familienmitglieder können ihre Angehörigen während der festgelegten Besuchszeiten besuchen.

 

Zu Frage 4:

Ja, bei den Polizeianhaltezentren liegen Informationsblätter für Festgenommene in den gängigsten Sprachen auf, in denen sich auch ein entsprechender Hinweis auf die Möglichkeit der Beiziehung eines Rechtsbeistandes findet.

 

Zu Frage 5:

Sofern mit der Wendung „zweite Schiene zur Abschiebung“ die „freiwillige Rückkehr“ bzw. die „Rückkehrberatung“ gemeint ist, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verein Menschenrechte Österreich nur eine der insgesamt vier in der Rückkehrberatung tätigen Organisationen ist.

 

Das Institut der „freiwilligen Rückkehr“ selbst, stellt eine sinnvolle Ergänzung und Alternative zu fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen dar. Die Beratung über die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr soll möglichst flächendeckend und in jeder Phase von fremdenrechtlichen Verfahren angeboten werden. Besonders wichtig ist die Beratung auch während der Schubhaft, die neben der Sicherung der Verfahren auch der Vorbereitung oder Sicherung der Abschiebung dient. Einerseits kann bei freiwilliger Rückkehr durch die aktive Kooperation der Betroffenen die Zeit der Freiheitsbeschränkung in Schubhaft so gering wie möglich gehalten werden, andererseits wird eine „Rückkehr in Würde“ auch von Betroffenen vielfach besser akzeptiert, wodurch z.B. Widerstands- oder Verschleierungshandlungen unterbleiben und die Rückkehr letztlich auch nachhaltiger sein kann.

 

International stellt die freiwillige Rückkehr eine unbestrittene und zunehmend wichtigere Maßnahme dar. Der UNHCR hat – selbst bei anerkannten Flüchtlingen – die freiwillige Rückkehr als eine dauerhafte Lösung anerkannt und dazu ein eigenes Handbuch herausgegeben.

 

Auch im Rahmen der EU wird der freiwilligen Rückkehr große Bedeutung beigemessen, wie beispielsweise in der derzeit in Verhandlung stehenden Richtlinie betreffend die Rückführung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen oder bei den Fonds im Rahmen des generellen Programms „Solidarität und Steuerung der Migrationsströme“.

 

Zu Frage 6:

Zu den beruflichen Qualifikationen der in der Schubhaftbetreuung tätigen MitarbeiterInnen des Vereins Menschenrechte Österreich, verweise ich auf die Beantwortung der Frage 35 der Parlamentarischen Anfrage Nr. 3333/J. Über die entsprechenden fachlichen Qualifikationen hinaus, legt der Verein Menschenrechte Österreich besonderes Augenmerk auf Sprach- und Kulturkompetenz in Verbindung mit persönlicher Eignung. Für die in der Rückkehrberatung tätigen MitarbeiterInnen gilt dasselbe.

 

Zu Frage 7:

Hinsichtlich der Auflistung geförderter Projekte verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 36, 37 und 46 der Parlamentarischen Anfrage Nr. 3333/J.


Die Abrechnungen von aus nationalen Mitteln geförderten Projekten erfolgen nach den auf Grund der "Allgemeinen Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln - ARR 2004" abgeschlossenen Verträgen.

Für aus EU-Mitteln geförderte Projekte finden zusätzlich die Durchführungsbestimmungen der Europäischen Kommission Anwendung.

 

Zu Frage 8:

Die Voraussetzungen für den Entzug der persönlichen Freiheit sind auf einfachgesetzlicher und auf verfassungsgesetzlicher Ebene geregelt. Eine menschenrechtskonforme Gesetzeslage und ein menschenrechtskonformer Umgang sind durch die - bekanntermaßen in Österreich im Verfassungsrang stehende – Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) auch bei der Vollziehung der Schubhaft geboten.

 

Die Beachtung dieser hohen menschenrechtlichen Standards ist insbesondere dadurch sichergestellt, dass eine permanente Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof stattfindet, weil jeder behördliche Vollzugsakt von den Betroffenen letztlich mittels Beschwerde überprüft werden kann.

 

Die Behörden halten sich strikt an die einschlägige Judikatur der österreichischen Höchstgerichte sowie des Europäischem Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und orientieren sich beim Vollzug an einschlägigen Empfehlungen, insbesondere des Menschenrechtsbeirates oder des Europarates.