368/AB XXIII. GP
Eingelangt am 23.04.2007
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BM für Gesundheit, Familie und Jugend
Anfragebeantwortung

Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMGF-11001/0021-I/3/2007
Wien, am 19. April 2007
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 346/J der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde wie folgt:
Fragen 1 bis 6:
Zu den in Abschnitt C aufgelisteten Punkten, die den Wirkungsbereich meines Ressorts betreffen, ist Folgendes zu bemerken:
Zu Punkt II/4 – Allgemeines Sozialversicherungsgesetz:
Freizeitunfall/Arbeitsunfall:
An der bisherigen Unterscheidung zwischen Freizeit- und Arbeitsunfällen hat sich nichts geändert und ist eine diesbezügliche Änderung auch derzeit nicht vorgesehen. Die betreffenden Ausführungen in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 1051/J (XXII. GP) vom 30. Dezember 2003 durch die damalige Bundesministerin für Gesundheit und Frauen sind nach wie vor zutreffend.
Insbesondere wird neuerlich darauf hingewiesen, dass der Vorschlag, eine Abgrenzung zwischen Arbeits- und Freizeitunfällen zu vermeiden, insofern in einem Spannungsverhältnis zum Aufgabenbereich der Unfallversicherung steht, als dieser Versicherungszweig nur dann Leistungen zu erbringen hat, wenn der Unfall oder die Berufskrankheit in einem kausalen Zusammenhang mit der geschützten Tätigkeit steht. Die Kausalitätskette ist jedoch bei Freizeitunfällen jedenfalls unterbrochen. Eine quasi unbegrenzte Zuständigkeit der Unfallversicherung wäre die Folge.
Dies scheint insbesondere im Hinblick auf die Finanzierung der Unfallversicherung, die im Hinblick darauf, dass sie als Ablöse der Unternehmerhaftpflicht konstruiert ist, ausschließlich durch Dienstgeberbeiträge erfolgt, problematisch.
Eine konkrete Aussage über die Kosten liegt nicht vor und kann aus derzeitiger Sicht auch gar nicht getroffen werden.
Ein umfassender Unfallversicherungsschutz könnte zur Notwendigkeit einer mittelfristigen Mittelzuführung zur Unfallversicherung führen.
Bescheiderlassungspflicht bei Entscheidungen des Rehabilitationsausschusses:
Die diesbezüglich im gegenständlichen Bericht enthaltene Begründung bleibt nach wie vor aufrecht. Ergänzend hiezu wird noch Folgendes ausgeführt:
Der OGH vertritt in einigen Erkenntnissen (Entscheidungen vom 18.2.2003, 10 ObS 258/02t, vom 27.7.2004, 10 ObS 10/04 z, und vom 23.5.2005, 10 ObS 7/05k) die Auffassung, dass für Versicherte bei Ablehnung der Erbringung einer Pflichtaufgabe der Krankenversicherung jedenfalls eine Möglichkeit bestehen muss, sich gegen die Leistungsverweigerung zur Wehr zu setzen. Bei einer Ermessensentscheidung müsse eine verfahrensmäßige Nachprüfung möglich sein, ob das Ermessen gesetzmäßig ausgeübt wurde. Um Betroffenen die Beschreitung des Rechtsweges zu ermöglichen, müsste deshalb auch im Bereich der beruflichen und sozialen Rehabilitation in der Unfallversicherung ein Bescheid erlassen werden und daher die in § 367 Abs. 1 Satz 2 ASVG angeordnete Ausnahme der Leistungen nach § 173 Z 1 lit. c ASVG beseitigt werden.
Allerdings erscheint die Auffassung des OGH im Hinblick auf Art. 94 B-VG bedenklich: Fälle der sukzessiven Kompetenz zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten werden vom Verfassungsgerichtshof als mit dem Trennungsgrundsatz vereinbar angesehen, wenn durch die Anrufung eines Gerichtes die Entscheidung der Verwaltungsbehörde ex lege außer Kraft tritt. Das Gericht hat dann die Sache neu – und nicht bloß nachprüfend – zu entscheiden.
Eine nachprüfende Kontrolle, wie sie der OGH nach der oben angeführten Rechtsprechung für Ermessensentscheidungen als geboten erachtet, ist daher nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Somit ist eine Ausweitung der geltenden Bescheiderlassungspflicht derzeit nicht in Aussicht genommen.
Es bleibt zunächst die weitere Entwicklung der Rechtsprechung der Gerichte in diesem Rechtsbereich abzuwarten.
Zu Punkt II/5 (Ärztegesetz 1998):
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Themenkreis barrierefreier Zugänge kompetenzrechtlich den Ländern, aufgrund deren Zuständigkeit auf dem Gebiet des Bauwesens, zugeordnet ist.
Die im ÄrzteG 1998 angeführten Bestimmungen beinhalten somit keine Regelungen betreffend barrierefreie Zugänge. Dies lässt sich auch damit begründen, dass beispielsweise etwa in zahlreichen Teilen Wiens mit alter und sehr alter Bausubstanz der Betrieb ärztlicher Ordinationsstätten unmöglich wäre. Überdies muss auch dort, wo ein Umbau rein technisch möglich ist, die Finanzierbarkeit im Auge behalten werden. Schließlich sind Umbauarbeiten auch an die Zustimmung des Hauseigentümers bzw. Wohnungseigentümers gebunden und damit nicht allein in der Entscheidungsgewalt des betreffenden Arztes oder der betreffenden Ärztin.
Zwischenzeitlich ist jedoch insofern eine Weiterentwicklung erfolgt, als in diesem Zusammenhang auf die Verordnung der Österreichischen Ärztekammer zur Qualitätssicherung der ärztlichen Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Gruppenpraxen (Qualitätssicherungs-Verordnung 2006) gemäß § 118c ÄrzteG 1998, beschlossen vom 112. Österreichischen Ärztekammertag am 16. Dezember 2005, hinzuweisen ist.
Mit dieser Qualitätssicherungs-Verordnung 2006 wird insbesondere versucht, den Zugang zum medizinisch-ärztlichen Leistungsangebot für Behinderte zu verbessern.
Gemäß § 16 Abs. 4 der Qualitätssicherungs-Verordnung 2006 führt die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed) nach Beratung mit Behindertenverbänden eine Liste über barrierefreie Ordinationen, die für Wien bereits auf der Homepage der Ärztekammer für Wien zur Verfügung steht. Für die Bundesländer Vorarlberg, Salzburg, Steiermark, Niederösterreich und sämtliche urologische Ordinationen in allen Bundesländern sind diesbezügliche Daten erfasst. Diese Daten betreffend barrierefreie Ordinationen können bei der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin erfragt werden. Weiters wird eine österreichweite „Ärztesuchmaschine“, die die Daten der Ordinationen mit barrierefreien Zugängen beinhaltet, mit Juli 2007 im Internet zugänglich sein und dabei auch die Ordinationen anführen, die auf vielfältige Behinderungen und Einschränkungen eingestellt sind.
Darüber hinaus wird im Vertragspartnerrecht der Kassen und der Ärztekammern seitens der Kassen größtes Augenmerk auf die Vergabe von Kassenverträgen mit behindertengerechten Ordinationsstätten gelegt. Diesbezügliche Erfolge sind bundesländerweise verschieden groß, allerdings bereits in jedem Bundesland feststellbar.
Zu Punkt II/6 (Verordnung über vordringliche Maßnahmen zur Erhaltung der Volksgesundheit):
Wie bereits im Rahmen der Beantwortung der Anfrage 1051/J angesprochen, handelt es sich beim Begriff der Volksgesundheit um einen in der österreichischen Rechtsordnung bereits historisch präzise verwendeten Begriff zur exakten Umschreibung einer bestimmten Verwaltungsmaterie (siehe z.B. RGBl. Nr. 297/1918 betreffend die Errichtung des Ministeriums für Volksgesundheit), der in zahlreiche Rechtsvorschriften (z.B. § 80 Arzneimittelgesetz, § 8 Abs. 3 Z 2 Fremdengesetz, § 50 Abs. 3 Gewerbeordnung) Eingang gefunden hat und damit Bestandteil der Gesetzessprache geworden ist.
Auch der Verfassungsgerichtshof hat sich mit dem Begriff „Volksgesundheit“ wiederholt befasst und ihm durch seine Interpretation (vgl. etwa bereits VfSlg. 3650) einen eindeutigen Inhalt zugewiesen. Dieser historische Inhalt ist gerade für die Auslegung von Kompetenzbestimmungen und damit auch für die Beurteilung allfälliger Verfassungswidrigkeiten von gesetzlichen Bestimmungen von überaus großer Bedeutung. Im Erkenntnis G 208/02 führt der Verfassungsgerichtshof aus, dass sich der Begriff „Gesundheitswesen“ mit „Angelegenheiten der Volksgesundheit“ deckt und es sich dabei um Maßnahmen der Obsorge für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung handelt.
Mit der 35. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 585/1980, wurden die „sonstigen Maßnahmen zur Erhaltung der Volksgesundheit“ eingeführt und dabei an den Begriff „Volksgesundheit“ angeknüpft. Der Gesetzgeber hat es dabei dem Verordnungsgeber überlassen, diese Maßnahmen im Einzelnen zu bezeichnen. Dadurch sollte eine rasche Anpassung an die jeweiligen Erfordernisse bzw. den jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaften ermöglicht werden.
Die 38. Novelle zum ASVG (BGBl. 647/1982) hat als vordringliche Maßnahmen die humangenetischen Vorsorgemaßnahmen und die Zeckenschutzimpfung im Gesetz selbst genannt und nur die Bezeichnung sonstiger vordringlicher Maßnahmen dem Verordnungsgeber überlassen.
Aufgrund all dieser Umstände wird auch derzeit keine Notwendigkeit gesehen bzw. wäre es sogar der Rechtssicherheit kontraproduktiv, die gewachsene Terminologie zu ändern.
Zu Punkt II/7 (Familienlastenausgleichsgesetz):
Zum Erkenntnis des VfGH, mit dem das Wort „gesetzlich“ im ersten Satz des § 30j Abs. 2 FLAG 1967 als verfassungswidrig aufgehoben wurde, darf ich auf die Beantwortung des damaligen Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zu der an ihn gerichteten parlamentarischen Anfrage Nr. 1056/J (XXII. GP) vom 12. Jänner 2004 verweisen.
Der Kreis der Begünstigten wurde auf Teilnehmer/innen an Lehrgängen und Lehrlingsstiftungen nach dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 91/1998, erweitert, die nunmehr die Lehrlingsfreifahrt bzw. die Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge für die Zurücklegung des Weges zwischen der Wohnung im Inland und dem Ort ihrer Ausbildung, bei Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen, in Anspruch nehmen können.
Mit Bundesgesetz BGBl.I Nr. 79/2003 wurden unter anderem die bisher gültigen Bestimmungen über die Vorlehre gemäß § 8b des Berufsausbildungsgesetzes mit Ablauf des 31. August 2003 außer Kraft gesetzt und durch die Integrative Berufsausbildung, gültig ab 1. September 2003, ersetzt. Dementsprechend wurde im Erlasswege der Kreis der Begünstigten ausgeweitet.
Im Bereich der Freifahrten und Fahrtenbeihilfen für Lehrlinge sind - wie bereits mehrfach berichtet - die vollziehbaren Maßnahmen zur Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Auszubildenden gesetzt worden.
Ergänzend wird zu nachstehenden, im Bericht nicht dokumentierten Bestimmungen Folgendes angemerkt:
Bestimmungen im Bereich Lebensmittelhygiene:
Laut Anhang II Kapitel IX Ziff. 4 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene sind vom Lebensmittelunternehmer geeignete Verfahren vorzusehen, um zu vermeiden, dass Haustiere Zugang zu den Räumen haben, in denen Lebensmittel zubereitet, behandelt oder gelagert werden.
Für Menschen mit Behinderung wird seitens meines Ressorts mit Erlass vom 20.1.2006 an die zuständige Behörde (GZ. BMGF-75360/0001-IV/B/10/2006) festgelegt, dass ausnahmsweise Blindenführhunde und Partnerhunde in Verkaufsräumlichkeiten von Einzelhandelsbetrieben toleriert werden können, wenn Vorsorge zur Gewährleistung der Unbedenklichkeit und Genusstauglichkeit der Lebensmittel getroffen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andrea Kdolsky
Bundesministerin