Zu 3685/AB XXIII. GP

Eingelangt am 07.05.2008
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Zurückziehung

Anfragebeantwortung

Beilage zu S91143/35-PMVD/2008

Vorwort


nie Nachrichtendienst doch noch eine gewisse
Anrüchigkeit, insbesondere das Tragen frem-
der Uniformen im Einsatz. Aber schon bei
Clausewitz und Gneisenau stößt man auf sehr
konkrete Anweisungen für kommandomäßi-
ges Verhalten. In den Jahren 1810 und 1811
hielt Clausewitz als jüngerer Major an der all-
gemeinen Kriegsschule in Berlin, der späteren
Kriegsakademie, ganz auf die Praxis abgestell-
te Vorlesungen über den „Kleinen Krieg". In
den Anweisungen, wie ein fester Platz zu über-
rumpeln sei, findet sich folgender Passus: „An-
dere Hülfsnuttel wie Verkleidungen, Wagen,
Schiffe etc. sind bekannt. Sie lassen sich nicht
erschöpfend aufzählen und jeder, der fähig ist,

M

it dem Ende des Kalten Krieges und
dem Zusammenbruch der meisten
kommunistischen Diktaturen ist die
Machtbalance der früher bipolaren Welt er-
heblich aus dem Gleichgewicht geraten. Die
Sicherheitsrisiken sind aber keineswegs ver-
schwunden, im Gegenteil: Sie haben sich seit
dem 11. September 2001 erheblich vergrößert.
Die Lage wurde komplizierter und ist auch
äußerst schwer zu kontrollieren.

Eroberungs- und Bürgerkriege flackern
weltweit auf, ethnische Zwiste und religiöser
Haß münden in Völkermord, Zusammen-
bruch staatlicher Strukturen, Verarmung und
Verelendung ganzer Regionen. Terror be-
herrscht die Welt. Große Gefahr droht der un-
kontrollierten Verbreitung atomarer und an-
derer Massenvernichtungswaffen, deren Be-
drohungspotential verheerend ist. In Wirk-
lichkeit ist die vor wenigen Jahren euphorisch
angekündigte neue Weltordnung zu einer
Welt-Unordnung mutiert.

Genau das ist die Stunde der Spezialeinhei-
ten. In allen Epochen war man stets bestrebt,
innerhalb der Armeen über Spezialeinheiten
zu verfügen, um im „Graubereich" reaktions-
fähig zu bleiben. Oftmals werden Kommando-
unternehmen als Erfindung des 20. Jahrhun-
derts dargestellt, was nicht richtig ist. An die-
ser Stelle lohnt ein Blick zurück in die Ge-
schichte, in die Zeit von Gneisenau, Scharn-
horst und Clausewitz. Die spätere Wehr-
macht sah in diesen Offizieren die Verkörpe-
rung bester preußisch-deutscher Soldatentu-


genden, und eine dieser
Tugenden war nach
dem Verständnis vieler,
daß der deutsche Soldat
mit offenem Visier
kämpft - eine Auffas-
sung, die auch Feldmar-
schall Erwin Rommel
vertrat. Er untersagte in
Afrika zunächst Kom-
mandoeinsätze, änderte
dann allerdings seine
Meinung - nicht zuletzt,
nachdem ein englisches
Kommando in deutscher
Uniform versucht hatte,
sein Hauptquartier aus-
zuheben. Aber für viele
hatte und hat der gehei-


Brigadier Josef Paul

Puntigam,
Kommandant der
Jägerschule und
Infanteriechef des
Österreichischen
Bundesheeres


Beilage zu S91143/35-PMVD/2008

Geheime Krieger


dergleichen auszuführen, wird auch leicht auf
andere Mittel kommen, welche die Umstände
in jedem besonderen Fall in die Hand geben."
Die Erwähnung von Wagen und Schiffen weist
auf die Kriegslist hin, Soldaten unter dem
Stroh von Bauernwagen oder im Rumpf eines
Schiffes versteckt, durch die feindlichen Posten
hindurchzuschleusen.

Weiter ist dort vom Tarneinsatz der Soldaten
in fremden Uniformen die Rede. In dem Plan
Gneisenaus für einen Volksaufstand und der
darauf weitgehend basierenden preußischen
Verordnung über den Landsturm von 2813
heißt es darauf bezogen: „Diese Späherei, weit
entfernt, verächtlich zu sein, ist Pflicht gegen
den Feind und vom höchsten Wert und muß
daher überall aufgemuntert werden. Keine
Unternehmung kann ohne sie gelingen." Wei-
ter heißt es: „Ist eine Legion in Gefahr, aufge-
hoben zu werden, so zerstreut sie sich, ver-
steckt ihre Waffen, Mützen und Schärpen und
erscheint so als Bewohner des Landes
(...) Je-
de Partei muß einige vollständige Bauernklei-
dungen bei sich haben, damit sie verkleidete
Leute abschicken kann."

Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen des
Einsatzes von Spezialeinheiten sind auch heute
in der Öffentlichkeit nur schemenhaft bekannt
und nicht unumstritten. In den demokratischen
Staaten geraten sie hin und wieder in die
Schlagzeilen und damit auch in das Kreuzfeuer
der Kritik. Es besteht gelegentlich Angst vor


ihrem  Mißbrauch  durch  radikale  politische
Kräfte. Man fürchtet einen „Staat im Staate".

Viele abenteuerliche Vorstellungen ranken
sich um Elitetruppen, sowie ein wildroman-
tischer Mythos von Heldentum und äußer-
ster Härte. Dieses Buch bringt Licht in die
Welt deutscher Kommandoverbände. Es er-
scheint wichtig zu erfahren, welch hohe Ver-
haltensqualität, Vaterlandsliebe im positiven
Sinn, Kameradschaft, Durchhaltefähigkeit
und professionelles Handwerk notwendig
sind, um Mitglied einer Spezialeinheit zu
werden. Darüber hinaus zeigen die Autoren
die ungebrochene Traditionslinie auf, die von
den legendären „Brandenburgern" der Wehr-
macht über die Antiterrorspezialisten der
GSG 9 bis zum jüngsten deutschen Kom-
mandoverband, dem KSK, reicht. Mit Wil-
helm Walther, Ulrich Wegener und Reinhard
Günzel haben sich drei Offiziere aus den drei
Einheiten zusammengefunden, die dem Le-
ser einzigartige Innenansichten ihrer jeweili-
gen Truppe bieten.

Kommandotrupps müssen zu oft politische
Fehler korrigieren und erfüllen meistens eine
undankbare soldatische Pflicht Daher danke
ich dem Verlag und den Autoren, daß sie einer
breiten Öffentlichkeit das wahre Gesicht die-
ser Idealisten und die Konzeption dieser
Kommandoverbände der Gegenwart, Vergan-
genheit und Zukunft vorstellen.

Brigadier Josef Paul Puntigam