3693/AB XXIII. GP
Eingelangt am 30.04.2008
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BM für Wirtschaft und Arbeit
Anfragebeantwortung
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara PRAMMER
Parlament
1017 Wien
Wien, am 30. April 2008
Geschäftszahl:
BMWA-10.101/0044-IK/1a/2008
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 3713/J betreffend „Antidiskriminierung“, welche die Abgeordneten Mag. Birgit Weinziger, Kolleginnen und Kollegen am 4. März 2008 an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 bis 4 und 62 der Anfrage:
Die Verantwortung für die unterschiedlichen Rechtsbereiche ergibt sich einerseits aus den Kompetenztatbeständen der Art. 10ff B-VG, die die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern regeln und andererseits aus dem Bundesministeriengesetz, das die Kompetenzen des Bundes den einzelnen Bundesministerien zuweist.
Beim Thema Gleichbehandlung handelt es sich seit der Erlassung der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien gemäß Art. 13 EG, und zwar der RL 2000/43/EG (Antirassismusrichtlinie) und der RL 2000/78/EG (Rahmen-Gleichbehandlungsrichtlinie), sowie der RL 2004/113/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen um eine Querschnittsmaterie, die eine Reihe von Bereichen tangiert und weit über den vorher zentral betroffenen Kompetenztatbestand „Arbeitsrecht“ hinausgeht.
Auf Grund der kompetenzrechtlichen Verteilung dieser Bereiche auf Bund und Länder war es auf dieser Ebene nicht möglich, ein einheitliches Gesetz zu schaffen.
Die Bundesregierung war jedoch bestrebt, bei der Umsetzung der Richtlinien sowie der RL 2002/73/EG (geänderte Gleichbehandlungsrichtlinie) über den Kompetenztatbestand „Arbeitsrecht“ hinaus alle Gleichbehandlungsgebote im neuen Gleichbehandlungsgesetz zusammenzufassen, um den Zugang zum Recht zu vereinfachen.
Trotzt dieses grundsätzlich einheitlichen Ansatzes erscheint es jedoch sachlich gerechtfertigt, einzelne Aspekte des Gleichbehandlungsrechts in den inhaltlich entsprechenden Materiengesetzen zu regeln, wenn die beteiligten Verkehrskreise in Bereichen, die durch die Materiengesetzgebung abschließend geregelt sind, primär dort nach für die Gleichbehandlung relevanten Regelungen suchen.
Dies trifft auch auf die in der Anfrage angesprochene Umsetzung der Richtlinie 2004/113/EG für den Bereich Versicherungen zu. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte für den Bereich der Versicherungsverträge durch das Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2006.
Ausgenommen ist auch der Diskriminierungstatbestand der Behinderung, weil die Umsetzung auf Grund einer Entschließung aller - damals - vier Parlamentsparteien im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz bzw. im Behinderteneinstellungsgesetz erfolgte. Die Umsetzung für das Dienstrecht des Bundes wurde im bereits bestehenden Bundes-Gleichbehandlungsgesetz vorgenommen. Hinsichtlich der Angelegenheiten, die in die Kompetenz der Länder fallen, bestand naturgemäß keine Regelungskompetenz des Bundes.
Dieses Konzept der weitgehend einheitlichen Umsetzung in einem Gesetz – dem Gleichbehandlungsgesetz – mit ergänzenden Sonderregelungen in den jeweiligen Materiengesetzen für einzelne Bereiche, in denen es gerechtfertigt erscheint, ist praxisgerecht.
Zur Vorbereitung der Umsetzung der Richtlinien wurden interministerielle Gespräche mit allen beteiligten Bundesministerien geführt, sodass die erforderliche Fachexpertise bei der Frage der EU-konformen Umsetzung der Richtlinien in den einzelnen Gesetzen und der Tauglichkeit und Angemessenheit der konkreten Umsetzung für die einzelnen Rechtsbereiche sichergestellt werden konnte.
Die Zuweisung der Zuständigkeit für die Legistik betreffend das Gleichbehandlungsgesetz und das GBK/GAW-Gesetz an mein Ressort und der Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission und der Anwaltschaft für Gleichbehandlung an das Bundeskanzleramt ist in der Praxis auf keine Schwierigkeiten gestoßen.
Da die Gleichbehandlungskommission und die Anwaltschaft für Gleichbehandlung vor der Erweiterung des Geltungsbereiches im Jahr 2004 für die Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern zuständig war, war es naheliegend, deren Angelegenheiten dem für Frauenfragen zuständigen Bundesministerium zu übertragen. Die legistische Betreuung des Gleichbehandlungsgesetzes hingegen fällt größtenteils unter den Tatbestand „Arbeitsrecht“ und sollte jenem Bundesministerium zugeordnet bleiben, das für diesen Bereich zuständig ist. Das Gleichbehandlungsgesetz muss im Zusammenhang mit den übrigen Aspekten des Arbeitsrechts betrachtet werden und sollte nicht aus diesem Verband herausgelöst werden, zumal hier auch die entsprechende fachliche Expertise vorhanden ist, die genutzt werden soll.
Im Zuge der Erweiterung des Geltungsbereiches des Gleichbehandlungsgesetzes wurden die neu geschaffenen Agenden der Gleichbehandlungskommission und der Anwaltschaft für Gleichbehandlung zugeordnet, um einen einheitlichen Zugang zum Recht für die Betroffenen zu schaffen und die bereits vorhandene Expertise zu nutzen.
Zwischen den jeweiligen Bundesministerien werden im Zuge von Novellierungsvorhaben und zu aktuell auftretenden Fragen zur Gleichbehandlung regelmäßig innerministerielle Gespräche geführt und Kontakte gepflegt, um ein koordiniertes Vorgehen sicherzustellen.
Antwort zu den Punkten 5 bis 8 der Anfrage:
Es haben in der Vergangenheit bereits mehrmals Durchforstungen der Rechtsordnung auf diskriminierende Bestimmungen stattgefunden. Auch bei aktuellen Novellierungsvorhaben einzelner Gesetze ist dies Thema.
Nach derzeitigem Informationsstand entspricht die Rechtsordnung auf Bundesebene den Grundsätzen des Gleichbehandlungsgesetzes, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass in der Fülle der Rechtsvorschriften noch einzelne bisher nicht erkannte diskriminierende Bestimmungen enthalten sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass zuletzt 2006 mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2006 das passive Wahlrecht für Arbeitnehmer/innen mit nicht-österreichischer Staatsangehörigkeit zu betrieblichen und überbetrieblichen Interessenvertretungen (Betriebsräten und Arbeiterkammern) eingeführt worden ist, wobei auch eine Erwägung war, damit eine allfällige Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen wegen ethnischer Zugehörigkeit zu beseitigen.
Darüber hinaus hat Österreich bei der Umsetzung der Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungsrichtlinien einen generellen Ansatz gewählt, d.h. der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wurde nicht in jedem einzelnen Materiengesetz verankert, sondern in einem eigenen, nur diesem Thema gewidmeten Gesetz, eben dem Gleichbehandlungsgesetz. Das Gleichbehandlungsgesetz ist insoweit als eine spezielle Regelung für den Bereich der Gleichbehandlung anzusehen. Dem österreichischen Rechtssystem ist der Grundsatz, dass das speziellere Gesetz dem allgemeinen Gesetz derogiert, immanent. Regelungen in anderen Gesetzen, die gleichbehandlungsrelevant sind, sind daher im Lichte des Gleichbehandlungsgesetzes zu bewerten, also entsprechend dem im Gleichbehandlungsgesetz festgelegten Gleichbehandlungsgebot zu interpretieren und gegebenenfalls nicht anzuwenden.
Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass gesetzliche Bestimmungen so zu interpretieren sind, dass sie dem Recht der EU entsprechen, sodass im Falle des Gleichbehandlungsgesetzes insbesondere auch die Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungsrichtlinien relevant bleiben.
Antwort zu den Punkten 9 bis 11 der Anfrage:
Das Gleichbehandlungsgesetz sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, positive Maßnahmen zu setzen. Demnach sind in Gesetzen, in Verordnungen oder auf andere Weise (z.B. in Instrumenten der kollektiven Rechtsgestaltung) getroffene spezifische Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung, mit denen Benachteiligungen auf Grund der im Gleichbehandlungsgesetz aufgelisteten Merkmale verhindert oder ausgeglichen werden, nicht als Diskriminierung zu werten.
Gerade im Bereich der Arbeitswelt erscheint es Ziel führend, positive Maßnahmen auf betrieblicher oder überbetrieblicher Ebene zu installieren, da hier auf die konkreten Rahmenbedingungen und Bedürfnisse zugeschnittene Maßnahmen realisiert werden können. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind ausreichend.
Daher kommen gesetzlich geregelte positive Maßnahmen kaum in Betracht und stehen derzeit auch nicht zur Diskussion.
Antwort zu den Punkten 12 und 13 der Anfrage:
Die Zuordnung
der Angelegenheiten gemäß Richtlinie 2004/113/EG (Gleichbehandlung
von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern
und Dienstleistungen) zu Senat III ist systematisch begründet, weil
der geltende
III. Teil des Gleichbehandlungsgesetzes, für dessen Vollziehung
Senat III zuständig ist (Gleichbehandlung ohne Unterschied der
ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen außerhalb der
Arbeitswelt) wie die Materie gemäß Richtlinie 2004/113/EG
zivilrechtliche Tatbestände außerhalb der Arbeitswelt erfasst. Hier
ergeben sich andere Fragestellungen als beim Arbeitsrecht bzw. in der
Arbeitswelt.
Da bereits jetzt der Senat III den Bereich des Zugangs zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen bei Diskriminierungen auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit behandelt – darunter auch Versicherungsfälle - können durch die Zuordnung der neuen Aufgaben zu Senat III ‑ statt der Einrichtung eines eigenen Senates für den Genderbereich – die im Senat III in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen genutzt werden.
Die sich beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ergebenden Fragestellungen sind ähnlich, sodass diese Materien durchaus als verwandte Rechtsgebiete zu betrachten sind und daher gemeinsam geregelt werden können.
Antwort zu den Punkten 14, 15, 41 und 45 bis 48 der Anfrage:
Diesbezüglich darf ich auf die Beantwortung der Anfrage 3712/J durch die Frau Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst verweisen.
Antwort zu den Punkten 16 bis 19 der Anfrage:
Beim Gleichbehandlungsgesetz und GBK/GAW-Gesetz handelt es sich nicht um starre Rechtsmaterien; sie sind vielmehr einem permanenten Evaluierungsprozess unterworfen. Die Gleichbehandlungskommission sammelt durch ihre Tätigkeit umfangreiche Erfahrung hinsichtlich der praktischen Umsetzung des Gleichbehandlungsgebotes und allfälliger Verbesserungsmöglichkeiten. Gleiches gilt für die Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Gemäß § 24 des GBK/GAW-Gesetzes ist vom Bundeskanzleramt und meinem Ressort alle zwei Jahre ein Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes vorzulegen. Dieser Bericht hat insbesondere Informationen über die Tätigkeit und die Wahrnehmungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Verfahren vor der Kommission und die sonstige Tätigkeit der Kommission zu enthalten. Darüber hinaus verfügen auch die Interessenvertretungen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen auf Grund ihrer Tätigkeit in diesem Rechtsgebiet über beträchtliches Wissen über die Wirksamkeit der Bestimmungen und allfälligen Änderungsbedarf.
Auf dieser Grundlage ist es sehr wohl möglich, die Wirksamkeit der Gleichbehandlungsgesetzgebung sowie das Erfordernis von Verbesserungen zu beurteilen. Aus meiner Sicht ist diesem permanenten Überprüfungsprozess der Vorzug zu geben gegenüber einem einmaligen Evaluierungsprojekt, das nur eine Momentaufnahme des Ist-Zustandes liefern kann.
Antwort zu den Punkten 20 bis 22 der Anfrage:
Besonders wichtig für die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgesetzes ist auch die Bewusstseinsbildung. Mein Ressort hat dazu einen Informationsfolder aufgelegt, der großen Anklang findet. Darüber hinaus ist über die Homepage meines Ressorts (www.bmwa.gv.at) eine Kurzdarstellung des Inhaltes des Gleichbehandlungsgesetzes sowie des GBK/GAW- Gesetzes abrufbar.
Die Entscheidungen der Gleichbehandlungskommission werden auf der Homepage der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlicher Dienst in anonymisierter Form veröffentlicht (http://www.frauen.bka.gv.at).
Im Rahmen des Europäischen Jahrs der Chancengleichheit für alle 2007 hat mein Ressort als federführende Stelle zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit eine Reihe von Aktivitäten gesetzt: Neben der Schaltung von TV- und Radio-Spots wurde u.a. eine Broschüre über die rechtlichen Grundlagen mit einer Liste der Kontaktstellen herausgegeben sowie eine Internetseite zur Chancengleichheit (www.chancen-gleichheit.at) ins Leben gerufen, die auch nach dem Europäischen Jahr weiter bestehen bleibt. Im Rahmen des EU-Programms PROGRESS werden weitere Aktivitäten gesetzt. So ist für 2008 die Erstellung eines Leitfadens über nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch geplant.
Aus meiner Sicht stellen diese Aktivitäten, die auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden, einen sinnvollen Beitrag zur Bekanntmachung der Gleichbehandlungsgesetzgebung dar.
Antwort zu den Punkten 23 bis 25 der Anfrage:
Durch die Einbeziehung der Interessenvertretungen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen in die Tätigkeit der Gleichbehandlungskommission und die Sozialpartnergespräche, die im Rahmen von Novellierungsvorhaben einen maßgebenden Beitrag zu den behandelten Themenschwerpunkten und zur Ausgestaltung der Novelle leisten, ist aus meiner Sicht die Verpflichtung zur Förderung des sozialen Dialogs ausreichend erfüllt.
Antwort zu den Punkten 26 bis 28 der Anfrage:
Der Dialog mit Nichtregierungsorganisationen auf dem Gebiet der Antidiskriminierung ist eine Anforderung, die dazu beiträgt, die notwendige gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsfragen voranzutreiben, und richtet sich daher an alle politischen Verantwortungsträger auf diesem Gebiet.
Seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit werden regelmäßig Kontakte mit Vertreter/inne/n diverser NGOs gepflegt, im Rahmen derer diese ihre Sichtweise zur Gleichbehandlung darlegen und Vorschläge zur Verbesserung einbringen können.
Im Zuge von Novellierungsvorhaben wurden und werden den NGOs im Rahmen des Begutachtungsverfahrens eingeladen, Stellungnahmen abzugeben und ihren Standpunkt einzubringen. Dass von dieser Möglichkeit umfassend Gebrauch gemacht wird, zeigt, dass das Stellungnahmerecht im Begutachtungsverfahren eine wirksame Maßnahme für Organisationen darstellt, ihren Standpunkt einzubringen.
Antwort zu den Punkten 29 und 30 der Anfrage:
Eingangs möchte ich festhalten, dass sich das Gleichbehandlungsgebot auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit nicht auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, beschränkt. Umfasst sind auch der Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und Gesundheitsdienste, die sozialen Vergünstigungen und die Bildung.
Die österreichischen Umsetzungsregelungen orientieren sich an der vorgegebenen Systematik des EU-Rechts, wobei Österreich weiteren Bemühungen der Europäischen Kommission in Richtung Harmonisierung aller Diskriminierungsgründe grundsätzlich positiv gegenüber steht.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber ging offenbar davon aus, dass Diskriminierungen aus Gründen der „Rasse“ oder der ethnischen Herkunft andere gesellschaftspolitische Hintergründe haben und weitere Lebensbereiche berühren und deshalb auch weitergehender Regelungen bedürfen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Geltungsbereich der Antirassismusrichtlinie weiter gefasst ist als jener der Richtlinie 2004/113/EG.
Der österreichische Gesetzgeber folgt diesem Konzept. Die gewählte Vorgangsweise erscheint auch in Lichte des Gleichheitssatzes gerechtfertigt. Der Gleichheitssatz gestattet nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dem Gesetzgeber nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen. Der Gesetzgeber muss an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen knüpfen, während ungleiche Tatbestände zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen müssen. Im vorliegenden Fall ist von einer mangelnden Vergleichbarkeit der zu regelnden Tatbestände und der in weiterer Folge bestehenden wesentlichen Unterschiede im Tatsächlichen auszugehen, sodass die Vorgangsweise sachlich gerechtfertigt ist.
Ergänzend dazu kann festgehalten werden, dass der Gleichheitssatz nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht ausschließt. Innerhalb dieses Spielraums steht es dem Gesetzgeber frei, verschiedene rechtspolitische Zielvorstellungen zu verfolgen. Der Gesetzgeber hat gerade bei der erstmaligen Regelung von gesellschaftspolitischen Bereichen, die in ihrer Bedeutung und Bewertung in der Öffentlichkeit einem starken Wandel unterzogen sind, einen besonders weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum. Es fällt eben gerade in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers, im Rahmen des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums zu entscheiden, ob – und gegebenenfalls wie – er die Gestaltung von (tatsächlichen) Lebensverhältnissen vorantreibt.
Antwort zu den Punkten 31 bis 36 der Anfrage:
Art. 2 der Antirassismusrichtlinie stellt bei der Definition der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung sowie der Belästigung auf die „Rasse“ oder ethnische Herkunft der betroffenen Person ab. Die Diskriminierung einer Person, die das geschützte Merkmal nicht aufweist oder der es nicht zugeschrieben wird, durch Assoziation mit einer Person, bei der dieser Umstand zutrifft, liegt daher nicht im Schutzbereich der Richtlinie, die durch das Gleichbehandlungsgesetz korrekt umgesetzt wurde.
Die Bestimmung des § 31 Abs. 1 des Gleichbehandlungsgesetzes umfasst zweifellos rassistische Diskriminierungen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nämlich unabhängig davon, ob der Umstand, auf Grund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird. Es wird nicht darauf abgestellt, ob die betroffene Person tatsächlich einer ethnischen Gruppierung angehört; eine Diskriminierung wird auf Grund der Zuschreibung durch die diskriminierende Person festgemacht. Dadurch wird auch die rassistische Gesinnung berücksichtigt. Verdeutlicht wird dies auch durch die Definition der Belästigung in § 34 Abs. 1 des Gleichbehandlungsgesetzes, die nicht nur darauf abstellt, dass die Belästigung bewirkt wird, sondern als Alternative auch das Bezwecken einer solchen unter den Schutzbereich des Gleichbehandlungsgesetzes stellt. Auch hier wird auf die herabwürdigende Sichtweise des/der Belästigers/Belästigerin abgestellt.
Antwort zu den Punkten 37 bis 39 der Anfrage:
Die Regelungen des Gleichbehandlungsgesetzes sind überwiegend zivilrechtlicher, insbesondere arbeitsrechtlicher Natur. Bereits bestehende Bestimmungen in anderen Rechtsbereichen bleiben von diesen Regelungen unberührt.
Für die Tätigkeit der Polizei greifen andere Kontrollmechanismen außerhalb des Gleichbehandlungsgesetzes; diesbezüglich darf ich auf die Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für Inneres verweisen.
Zum Begriff „Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“, der wörtlich aus der Antirassismusrichtlinie (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. h) übernommen wurde, findet sich in der Erwägungsgründen zu dieser Richtlinie kein Hinweis. Mit berücksichtigt werden kann und muss aber auch die zwar zeitlich spätere, aber von derselben inhaltlichen Zielsetzung wie die Antirassismusrichtlinie getragene Richtlinie 2004/113/EG. Gem. Art. 3 Abs. 1 gilt diese Richtlinie für „alle Personen, die Güter und Dienstleistungen bereitstellen, die der Öffentlichkeit ohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen, und zwar in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, und die außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens und der in diesem Kontext stattfindenden Transaktionen angeboten werden.“ Die mit der Antirassismusrichtlinie idente Zielsetzung der Richtlinie 2004/113/EG wird in Erwägungsgrund 10 erläutert. Im nachfolgenden Erwägungsgrund 11 finden sich folgende Ausführungen: „Unter Gütern sollen Güter im Sinne der den freien Warenverkehr betreffenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verstanden werden. Unter Dienstleistungen sollen Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 dieses Vertrags verstanden werden.“ Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 49 ff EG sind unter „Dienstleistungen“ alle wirtschaftlichen Tätigkeiten zu verstehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, ohne dass die Dienstleistung von dem bezahlt werden muss, dem sie zugute kommt, und unabhängig davon, wie die wirtschaftliche Gegenleistung, die das Entgelt für die Dienstleistung darstellt, finanziert wird. Folglich ist „Dienstleistung“ jegliche Leistung, mit der der Erbringer am Wirtschaftsleben teilnimmt, ungeachtet dessen rechtlichen Status, des Tätigkeitszwecks und des betreffenden Tätigkeitsbereichs. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass Dienstleistungen, die - wie die öffentliche Verwaltung, das öffentliche Schulwesen und Ähnliches mehr - nicht Teil des Wirtschaftslebens sind und vom Staat in Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe ohne wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden, keine Dienstleistungen im Sinne des Art. 50 EG sind. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses von „Dienstleistungen“ ergibt sich auch, dass staatliche Tätigkeiten im Rahmen der (schlichten) Hoheitsverwaltung nicht diesem Begriff zu unterlegen sind.
Die Antirassismusrichtlinie dient nicht einer vollständigen Harmonisierung der Gleichbehandlungsgesetzgebung der Mitgliedstaaten. Damit wird Rücksicht darauf genommen, dass die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bereits Vorschriften des Diskriminierungsschutzes enthalten, die jedoch erhebliche Unterschiede in Geltungsbereich und Durchsetzung beinhalten. Aus dem Umstand, dass in anderen Mitgliedstaaten zulässigerweise zum Teil über die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts hinausgehende Regelungen anzutreffen sind, ist kein rechtliches Argument zu gewinnen, wonach eine gleiche Vorgangsweise auch für andere Mitgliedstaaten verbindlich sei.
Antwort zu den Punkten 40, 42 und 43 der Anfrage:
Die Einrichtung einer – gegenüber Gerichten – niedererschwelligen Institution wie der Gleichbehandlungskommission, die sich durch ein informelles Verfahren auszeichnet, soll – neben der jederzeit möglichen Anrufung der Gerichte – eine einfach zugängliche Möglichkeit bieten, Diskriminierungen geltend zu machen, auch wenn das Verfahren in letzter Konsequenz nicht der Durchsetzung von Ansprüchen dient, da dies eben den Gerichten vorbehalten ist.
Viele Betroffene scheuen einen gerichtlichen Prozess, sehen aber im Verfahren vor der Kommission eine taugliche Möglichkeit der Auseinandersetzung mit der ihnen widerfahrenden Diskriminierung. Auch der Schlichtungsfunktion kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung zu.
Schließlich möchte ich darauf verweisen, dass das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission der Vertraulichkeit unterliegt. Dadurch wird den diskriminierten Personen, die vor allem im Fall von Belästigungen psychisch oft extrem belastet sind, ein geschützter Raum geboten, um weitere Viktimisierungen zu verhindern. Das Verfahren bietet diesen Vertrauensschutz auch Auskunftspersonen, die so auf Grund ihrer Aussage keinen Benachteiligungen ausgesetzt sind.
Durch die Aufgabenkonzentration der Gleichbehandlungskommission erwerben die Mitglieder ein spezielles Fachwissen, das es ihnen ermöglicht, in komplexen Sachverhalten Diskriminierungen überhaupt zu erkennen, da diese oft versteckt und subtil erfolgen. Nicht zuletzt bringt die Tätigkeit der Gleichbehandlungskommission auf Grund der zu treffenden Empfehlungen und der Möglichkeit von schlichtenden Interventionen außerhalb formaler Erledigungen ein nicht zu unterschätzendes präventives Element ein.
Die große Anzahl der eingebrachten Fälle zeigt, dass das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission von den Betroffenen angenommen und als geeignete Lösungsmöglichkeit betrachtet wird.
Die bereits erwähnte Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz und zum GBK/GAW-Gesetz dient nicht nur der Umsetzung der Richtlinie 2004/113/EG, sondern auch zur Verbesserung des Instrumentariums zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sollen im Sinne einer effizienteren Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes Verbesserungen vorgenommen werden, wie die Einrichtung einer Stellvertretung des/der jeweiligen Vorsitzenden, die Einführung einer Frist zur Ausfertigung und Zustellung der Gutachten der Gleichbehandlungskommission und die Verpflichtung zur Veröffentlichung aller Ergebnisse der Gleichbehandlungskommission auf der Website des Bundeskanzleramtes.
Die Antidiskriminierungsrichtlinien, die Gleichbehandlungsrichtlinien und die Richtlinie 2004/113/EG verpflichten die Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen umfassen können, zu schaffen; die genauere Ausgestaltung derselben ist jedoch den Mitgliedstaaten überlassen. Im Zusammenspiel mit dem gerichtlichen Verfahren und der dort möglichen Durchsetzung der im Gleichbehandlungsgesetz geregelten Ansprüche erfüllt das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission aus meiner Sicht die Anforderungen der Richtlinien.
Antwort zu Punkt 44 der Anfrage:
Die Antidiskriminierungsrichtlinien, die Gleichbehandlungsrichtlinien und die Richtlinie 2004/113/EG verlangen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche geltend machen können. Die konkrete Umsetzung obliegt den Mitgliedstaaten, d.h. die Richtlinien ermöglichen bei der Wahl der Umsetzungsmaßnahmen die Berücksichtigung der Rechtsstruktur der einzelnen Mitgliedstaaten.
Das Gleichbehandlungsgesetz sieht als Rechtsfolgen bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes abhängig vom jeweils vorliegenden Tatbestand die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes sowie Schadenersatzpflichten vor. Diese Ansprüche sind gerichtlich geltend zu machen.
Die Richtlinien verlangen weiters, dass die Mitgliedstaaten beim Rechtsschutz sicherzustellen haben, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen der Antidiskriminierungsrichtlinien zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung und mit deren Einwilligung an den zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können.
Im gerichtlichen Verfahren stellt die sogenannte Nebenintervention eine Beteiligungsmöglichkeit dar. Nebenintervenient nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung ist jemand, der ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer der Parteien hat und sich, ohne selbst Partei des Verfahrens zu sein, an einem Rechtsstreit zur Unterstützung dieserPartei beteiligt.
§ 62 des Gleichbehandlungsgesetzes wurde dahingehend modifiziert, dass der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern sein rechtliches Interesse nicht darlegen muss, sondern dieses als gegeben anzunehmen ist. Der Klagsverband kann sich daher am Verfahren zur Unterstützung der klagenden Partei (= der diskriminierten Person) jedenfalls beteiligen, wenn diese das wünscht.
Beim Klagsverband handelt es sich um einen Zusammenschluss von spezialisierten Institutionen, die sich mit unterschiedlichen Formen der Diskriminierung befassen. Mitglieder sind v.a. juristische Personen, die sich schwerpunktmäßig mit der Bekämpfung oder Erforschung von Diskriminierungen oder der Herstellung der Gleichberechtigung befassen.
In arbeitsgerichtlichen Verfahren sieht § 40 Abs. 2 Z 4 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes vor, dass im Verfahren erster Instanz eine Vertretungsmöglichkeit durch eine „geeignete Person“ möglich ist.
Die Kammern für Arbeiter und Angestellte und der Österreichische Gewerkschaftsbund vertreten ihre Mitglieder ebenfalls in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren.
Der angemessene Rechtsschutz bei Klagsführung vor Gericht in Sinne der Richtlinien ist meines Erachtens daher erfüllt.
Antwort zu den Punkten 49 bis 55 und 67 der Anfrage:
Internationale und europäische Institutionen und deren Empfehlungen zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes sind selbstverständlich relevante Aspekte, die bei der nationalen Rechtsetzung so weit wie möglich berücksichtigt werden sollen.
Im gegebenen Zusammenhang ist aber zu betonen, dass das Gleichbehandlungsgesetz keinesfalls das zentrale Instrument im Bereich der Menschenrechte ist; vielmehr handelt es sich beim Gleichbehandlungsgesetz im Wesentlichen um eine Ausformung des Grundsatzes der Drittwirkung der Grundrechte, d.h. Regelungsgegen- stand ist primär die Rechtsbeziehung zwischen Bürger/inne/n. Es geht hingegen nicht – wie im Kernbereich der Menschenrechte – um die Rechtsbeziehung zwischen Bürger/in und Staat. Aus diesem Grund ist daher davon auszugehen, dass die „Paris principles“ und die ECRI-Empfehlungen die Einrichtungen Gleichbehandlungskommission und Gleichbehandlungsanwaltschaft wohl nur am Rande berühren. Ungeachtet dessen sind die Einrichtungen im GBK/GAW-Gesetz so konstruiert, dass damit eine breite Vielfalt und auch die Unabhängigkeit in der Aufgabenerfüllung gegeben sind.
Durch die Einbeziehung der Interessenvertretungen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen sowie der für die einzelnen Fachgebiete verantwortlichen Bundesministerien ist eine breite Palette an Fachexpertise gewährleistet. Hervorzuheben ist auch die Stellung der Anwaltschaft für Gleichbehandlung im Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission, die somit ihr Spezialwissen in Gleichbehandlungsangelegenheiten einbringt. Eine Abdeckung aller in Frage kommenden oftmals sehr komplexen Themen durch die Mitglieder der Gleichbehandlungskommission selbst ist nicht möglich und auch nicht erforderlich. Dieses Spezialwissen fließt dann durch die Hinzuziehung von Fachexpert/inn/en gemäß § 14 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz ein.
Durch die verschiedenen entsendenden Institutionen wird in Rahmen der Tätigkeit der Gleichbehandlungskommission demnach den unterschiedlichen Interessenlagen Rechnung getragen. Die Unabhängigkeit der Gleichbehandlungskommission ist durch entsprechende gesetzliche Regelungen (vgl. § 10 GBK/GAW-Gesetz) sichergestellt.
Gleiches gilt grundsätzlich für die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die ihre Aufgaben unabhängig wahrnimmt. So kann sie z.B. unabhängige Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung durchführen sowie unabhängige Berichte veröffentlichen (§ 3 Abs. 5 GBK/GAW-Gesetz).
Gerade durch die Betrauung der Anwaltschaft für Gleichbehandlung mit der Behandlung aller Diskriminierungsgründe wird der einfache Zugang der Betroffenen zum Recht sichergestellt. Vor allem bei Vorliegen von Mehrfachdiskriminierungen ist das Vorhandensein einer einzigen Anlaufstelle für alle Aspekte der Diskriminierung von großer Bedeutung. Die Beratung erfolgt unbürokratisch, vertraulich und kostenlos.
Insoweit mit dem Hinweis auf die Einrichtung von „specialised bodies“ die „unabhängige Stelle“ gemäß Art. 13 Antirassismusrichtlinie (ebenso Art. 12 Richtlinie 2004/113/EG und Art. 20 Richtlinie 2006/54/EG) angesprochen ist, sieht diese Bestimmung die Einrichtung unabhängiger Stellen vor, deren Aufgabe in der Förderung der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Personen auf Grund der Rasse oder ethnischen Herkunft bzw. auf Grund des Geschlechts besteht. Zu ihren Zuständigkeiten gehört es, Opfer von Diskriminierungen auf unabhängige Weise bei der Verfolgung ihrer Beschwerden zu unterstützen, unabhängige Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung durchzuführen sowie unabhängige Berichte zu veröffentlichen und Empfehlungen zu allen Aspekten vorzulegen, die mit diesen Diskriminierungen im Zusammenhang stehen. Die Eigenschaft der unabhängigen Stelle im Sinne des Gemeinschaftsrechts kommt im Rahmen des Gleichbehandlungsgesetzes nur der Anwaltschaft für Gleichbehandlung zu. Dies zeigt sich auch durch den Umstand, dass die genannten Aufgaben nur der Anwältin für Gleichbehandlung ausdrücklich zugewiesen sind.
Antwort zu Punkt 56 der Anfrage:
Die Antidiskriminierungsrichtlinien, die Gleichbehandlungsrichtlinien und die Richtlinie 2004/113/EG enthalten die Bestimmung, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen zu gewährleisten, dass,
Die Erwägungsgründe 21 und 22 zur Antirassismusrichtlinie und zur Richtlinie 2004/113/EG führen dazu aus, dass eine Änderung der Regeln für die Beweislastverteilung geboten ist, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verlagerung der Beweislast auf die beklagte Partei erforderlich, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist. Vergleichbar ist auch Erwägungsgrund 31 zur Rahmen-Gleichbehandlungsrichtlinie, der noch ergänzt, dass es dem Beklagten nicht obliegt, zu beweisen, dass die klagende Partei einer bestimmten Religion angehört, ein bestimmtes Alter hat etc.
Aus dem Text der Richtlinien und den Erwägungsgründen geht also klar hervor, dass es um eine Verlagerung der Beweislast, nicht eine Beweislastumkehr geht. Auch in der sprachlichen Diktion sind die Richtlinien nicht so klar, sonst könnte in den Erwägungsgründen nicht vom „Beweisen der Diskriminierung“ gesprochen werden, wenn doch nur Glaubhaftmachung gemeint sein soll. Wichtig ist auch die Anforderung der Gestaltung der Beweislast „im Einklang mit dem nationalen Gerichtswesen“, d.h. es geht um eine systemkonforme Beweislastverlagerung.
Die Erwägungsgründe zur „Stammregelung“ - der Beweislastrichtlinie RL 97/80 EG - lauten: „Der klagenden Partei stünde unter Umständen kein wirksames Mittel zur Verfügung, um die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor den nationalen Gerichten durchzusetzen, wenn der Beweis des Anscheins einer Diskriminierung nicht dazu führte, dem Beklagten die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass sein Verhalten in Wirklichkeit nicht diskriminierend ist. Der Europäische Gerichtshof hat daher entschieden, dass eine Änderung der Beweislastregeln geboten ist, wenn der Anschein einer Diskriminierung besteht, und dass in solchen Fällen zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Verlagerung der Beweislast auf die beklagte Partei erforderlich ist.“
Es geht also um jene Fälle, in denen der Anschein einer Diskriminierung gegeben ist, es der klagenden Partei aber nicht gelingen kann, die Diskriminierung zu beweisen, weil alle Beweismittel in den Händen der beklagten Partei sind (Beispiel: Einstellungsdiskriminierung - Unterlagen des Einstellungsverfahren liegen beim/bei der Arbeitgeber/in). In diesen Fällen soll – auch nach dem in Österreich bekannten Grundsatz der Nähe zum Beweis – die beklagte Partei die Nicht-Diskriminierung mit den bei ihr vorhandenen Beweismitteln darlegen.
Genau diesen Anspruch erfüllt die Beweislastregelung des Gleichbehandlungsgesetzes. Die klagende Partei hat die Diskriminierung glaubhaft zu machen, aber die Klage ist nur dann vom Gericht abzuweisen, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die von der beklagten Partei ihrerseits glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen, also dieser der Entlastungsbeweis gelungen ist.
Die im Gleichbehandlungsgesetz vorgesehene Regelung ist auch vor dem Hintergrund der Grundsätze des Zivilprozesses in Österreich zu sehen, die den Anscheinsbeweis als Beweis zulassen. Anscheinsbeweis bedeutet, dass allgemeine Erfahrungssätze herangezogen werden, um auf wesentliche tatbestandsrelevante Tatsachen, die nicht direkt erwiesen werden können, zu schließen. Demgemäß ist der Beweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ein Anscheinsbeweis im Sinne des österreichischen Zivilprozessrechts. Ob im konkreten Fall der Anscheinsbeweis erbracht ist, ist ausschließlich Frage der richterlichen Beweiswürdigung.
Durch die Beweislastregelung im Gleichbehandlungsgesetz wird daher nicht nur das Beweismaß erleichtert, sondern tatsächlich die Beweislast verlagert. Im Gegensatz zu der sonst im österreichischen Zivilprozessrecht geltenden Beweislastverteilung, wonach die klagende Partei ihre Behauptungen im vollen Umfang beweisen muss und die beklagte Partei zu keinerlei Rechtfertigung verpflichtet ist, muss nach den Regelungen des Gleichbehandlungsgesetzes nämlich – umgekehrt – die beklagte Partei aktiv werden und das Gericht vom Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen überzeugen, also darlegen, dass sie nicht diskriminiert hat, wenn sie eine Abweisung der Klage erreichen will.
Die Beweislastregelung wurde von der Europäischen Kommission nicht beanstandet.
Antwort zu den Punkten 57 bis 61 der Anfrage:
Der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten koordiniert.
Antwort zu Punkt 63 der Anfrage:
Die Antidiskriminierungsrichtlinien, die Gleichbehandlungsrichtlinie und die Richtlinie 2004/113/EG verpflichten die Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen erfassen können, zu schaffen; die genauere Ausgestaltung derselben ist jedoch den Mitgliedstaaten überlassen.
Das Gleichbehandlungsgesetz sieht als Rechtsfolgen bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes abhängig vom jeweils vorliegenden Tatbestand die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes sowie Schadenersatzpflichten vor.
In einigen Fällen (Diskriminierung bei Begründung des Arbeitsverhältnisses, Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg, Belästigung und sexueller Belästigung ) sind Schadenersatzmindestgrenzen vorgesehen. Eine gesetzliche Begrenzung des Schadenersatzes existiert nicht, mit Ausnahme eines einzigen Falles: in Übereinstimmung mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen, die auch in der Textierung der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien und der Gleichbehandlungsrichtlinie Niederschlag gefunden haben, begrenzt das Gleichbehandlungsgesetz den Ersatzanspruch bei Diskriminierung bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der dem/der Stellenwerber/in entstandene Schaden lediglich darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wurde; für eine/n Stellenwerber/in, der/die bei diskriminierungsfreier Vorgangsweise die Stelle erhalten hätte, gibt es keine Begrenzung des Schadenersatzes, dafür ist hingegen eine Untergrenze vorgesehen. Analoges gilt für eine Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg. Bei den übrigen Diskriminierungstatbeständen wurden keine Schadenersatzobergrenzen festgelegt.
Den Richter/inne/n wurde damit ein geeignetes Instrumentarium an die Hand gegeben, den für den konkreten Fall angemessenen Schadenersatz festzulegen. Die bestehenden Schadenersatzregelungen wurden von der Europäischen Kommission nicht beanstandet.
Dessen ungeachtet sieht die bereits mehrfach angesprochene Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes auch in diesem Bereich Verbesserungen vor. So soll der Mindestschadenersatzanspruches bei Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses von einem Monatsentgelt auf zwei Monatsentgelte angehoben werden. Der Mindestschadenersatzanspruch bei Belästigung soll von 400 Euro auf 720 Euro erhöht werden.
Antwort zu den Punkten 64 bis 66 der Anfrage:
Dem/der Stellenbewerber/in kommt ein besonderes Interesse an der Ahndung eines ihn/sie diskriminierenden Stelleninserates zu. Die Anwaltschaft für Gleichbehandlung wiederum nimmt das Interesse des Staates an der Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes wahr. Gerade diese Einrichtung ist durch ihre Erfahrung besonders geeignet, diskriminierende Stellenausschreibungen als solche zu identifizieren. Dadurch ist auch der Schutz der allgemeinen Ordnung gewährleistet. Die derzeitige Regelung erscheint daher sachgerecht.
Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang auch der aufklärende Aspekt. Diskriminierende Stelleninserate werden nicht immer in diskriminierender Absicht verfasst, sondern oft in Unkenntnis der Rechtslage. Durch die Möglichkeit der Ermahnung wird in diesem Fall dieser Mangel beseitigt. Im Wiederholungsfall greift selbstverständlich die Strafdrohung in vollem Umfang.
Die Kompetenz der Volksanwaltschaft betrifft von Verfassungs wegen Mißstände in der Verwaltung, nicht hingegen private Arbeitsverhältnisse. Für die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft besteht daher kein Raum
Antwort zu Punkt 68 der Anfrage:
Die Einführung des neuen Gleichbehandlungsrechts 2004 stellt ein eindeutiges Bekenntnis zur Bekämpfung von Diskriminierungen dar. Ebenfalls von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist die Bewusstseinsbildung. Die von mir zum Themenkomplex „Publizität und Dialog“ angeführten Projekte stellen hiezu einen wichtigen Beitrag dar. Schließlich möchte ich auch in Erinnerung rufen, dass das Gleichbehandlungsgesetz den bereits bestehenden Rechtsbestand ergänzt und in diesem Bereich auch andere Kontrollmechanismen greifen.
Antwort zu Punkt 69 der Anfrage:
Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern
wurde im Jahr 2007 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im
Ausmaß von
€ 20.000,- gefördert, 2008 im Ausmaß von € 25.000,-.