3726/AB XXIII. GP

Eingelangt am 05.05.2008
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                          Wien, am      Mai 2008

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0038-I/4/2008

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3725/J vom 5. März 2008 der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Amtshaftungsverfahren in Österreich – Entschädigungen – Entwicklungstendenz und Perspektiven“ beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Bevor ich auf die einzelnen Fragestellungen im Detail eingehe, weise ich darauf hin, dass nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes der Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialver­sicherung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, haften.

 

Der Bund – nicht aber die anderen Gebietskörperschaften – werden in den Amtshaftungs-verfahren ex lege von der Finanzprokuratur vertreten. Daten betreffend allfällige Amtshaf­tungsverfahren in den Ländern und Gemeinden können daher nicht zur Verfügung gestellt werden, da sie nicht den Vollziehungsbereich des Bundes betreffen.

 

Die Finanzprokuratur ist als sogenannte nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Finanzen in dessen Ressortbereich organisatorisch eingegliedert und untersteht mir dabei als Dienstbehörde erster Instanz; der jeweilige Bundesminister für Finanzen übt somit über

die Finanzprokuratur die Dienstaufsicht aus. Zu Amtshaftungsverfahren, welche die anderen Ressorts betreffen, kann seitens meines Ressorts allerdings keine Auskunft erteilt werden. Das Auftragsverhältnis zum Mandanten „Bund“ wird vom jeweils zuständigen obersten Organ (Bundesminister) zur Finanzprokuratur begründet. Handelt es sich somit um ein Mandat, das nicht in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen fällt, so kommt mir auch keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Auftragserfüllung durch die Finanzprokuratur zu.

 

Fragen zu den jeweils in den einzelnen Ressorts anhängigen oder bereits erledigten Amts­haftungsverfahren wären daher an diese zu richten. Die in den folgenden Aufstellungen ent­haltenen Zahlen und Fakten beziehen sich nur auf Verfahren, welche in meinem Ressort anhängig waren oder sind.

 

Nun zu den konkreten Fragen:

 

Zu 1. bis 3. und 6.:

Der nachstehenden Tabelle kann die auf die Jahre 2000 bis 2007 aufgeschlüsselte Anzahl der mein Ressort betreffenden Aufforderungsverfahren nach dem Amtshaftungsgesetz ent­nommen werden:

 

Jahr

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Aufforderungsverfahren AH
(ohne Bankamtshaftungen)

42

74

36

45

21

18

39

35

anerkannt (ohne BankAH)

9

6

7

5

6

7

7

6

Klagen AH (ohne BankAH)

4

2

2

3

5

0

1

3

 

Dazu kommen noch insgesamt etwa 10 Verfahren (verteilt auf mehrere Jahre), in welchen rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organen der Bezirkshauptmannschaften ins Treffen geführt wurde, die im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung für die Vollziehung von Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuständig sind. Diese im Auf­forderungswege geltend gemachten oder gerichtlich eingeklagten Ansprüche waren über­wiegend berechtigt.

 

Gesondert davon zu sehen sind auch die so genannten „Bankamtshaftungen“. Hier können keine vollständigen Zahlen zu den Aufforderungsverfahren und den Anerkennungen genannt

 

werden, da sich die einzelnen Aufforderungsschreiben häufig auf eine Vielzahl von be­troffenen Geschädigten bezogen haben, die in den den Schreiben angeschlossenen Listen angeführt waren oder es wurden Ansprüche überhaupt für eine nur als Schätzung ange­führte Zahl Geschädigter dem Grunde nach geltend gemacht.

 

Basierend auf der „Bankprüferentscheidung“ hat mein Ressort den Gesamtkomplex „Insolvenz Bank für Handel und Industrie“ ohne gerichtliche Klärung der Einzelansprüche bereinigt, da das Urteil des OGH vom 25.3.2003, 1 Ob 188/02g, präjudiziell für alle Be­troffenen war; ebenso wird derzeit die Amtshaftungsangelegenheit „Riegerbank AG“ abge­wickelt.

 

Darüber hinaus verfügt das Bundesministerium für Finanzen über keine Statistik, welche Amtshaftungsklagen gerichtlich durch Urteil entschieden wurden bzw. in wie vielen Fällen den Amtshaftungsansprüchen Geschädigter gerichtlich stattgegeben wurde.

 

Zu 4. und 7.:

Der Bund haftet nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes für das rechtwidrige und schuldhafte Verhalten seiner Organe. Da der Bund, basierend auf dem Urteil des OGH vom 25.3.2003, 1 Ob 188/02g, auch für das rechtwidrige und schuldhafte Verhalten des nicht vom Bundesminister für Finanzen, sondern von den Organen der jeweiligen Gesell­schaft bestellten Bankprüfers einzustehen hat, wird in der nachfolgenden Aufstellung – die Beträge verstehen sich jeweils in Euro – zwischen „Bankamtshaftungen“ und „Sonstigen Amtshaftungen“ unterschieden. In den letztgenannten sind auch jene Schadenersatzbeträge enthalten, die für das rechtwidrige und schuldhafte Verhalten von Organen der Bezirks­hauptmannschaften in Vollziehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu leisten waren. Eine Aufgliederung nach Gerichtssprengel liegt nicht vor; die Mehrzahl der Verfahren (so gerichtsanhängig) wird im Bereich des Sprengels des OLG Wien geführt.


 

Jahr

Bankamtshaftungen

Sonstige

Gesamt

2000

0,00

121.910,15

121.910,15

2001

0,00

8.579,97

8.579,97

2002

0,00

90.819,92

90.819,92

2003

7.041.498,71

105.679,12

7.147.177,83

2004

1.786.012,05

120.921,86

1.906.933,91

2005

1.016.108,04

38.373,53

1.054.481,57

2006

14.265.747,20

69.370,02

14.335.117,22

2007

15.471.522,55

16.661,45

15.488.184,00

Gesamt

39.580.888,55

572.316,02

40.153.204,57

 

In diesen Beträgen sind auch Zinsen und Kosten der rechtfreundlichen Vertretung der Ersatzwerber enthalten.

 

Bei den im Bundesministerium für Finanzen geführten Aufzeichnungen über die geleisteten Schadenersatzzahlungen wird nicht zwischen Schadenersatzzahlungen, die auf Grund einer Anerkennung im Aufforderungsverfahren geleistet wurden und jenen, die gerichtlich zuge­sprochen wurden, unterschieden. So kommt es immer wieder vor, dass geltend gemachte Ersatzansprüche nach dem AHG nur zum Teil anerkannt werden, der Ersatzwerber aber in einem anschließend durchgeführten gerichtlichen Verfahren mit dem ursprünglich abgelehn­ten Betrag teilweise oder zur Gänze obsiegt. Wie aus der obigen Aufstellung zu ersehen ist, spielen die die Finanzverwaltung betreffenden Schadenersatzzahlungen auf der Basis des AHG zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle.

 

Die so genannten Bankamtshaftungen sind anders zu sehen. Hier sind bis auf jenen Betrag, der mit dem so genannten Bankprüferurteil zugesprochen wurde, sämtliche Leistungen auf Grund von Aner­kennungen im administrativen Verfahren erfolgt.

 

Zu 5. und 8.:

Das Vorliegen des vom Amtshaftungsgesetz geforderten Verschuldensgrades für einen Re­gress wird in jedem Fall geprüft. Im Zeitraum von 2000 bis 2007 wurde lediglich ein Betrag von umgerechnet € 101,74 (im Jahr 2000) einbringlich gemacht; die Gesamtregressfor­derung aus dieser anerkannten Ersatzforderung betrug umgerechnet € 1.380,78 und wurde ratenweise vom zum Ersatz verpflichteten Organ an das Bundesministerium für Finanzen gezahlt.

 


 

Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (vor allem des Verschuldensgrades) wurden bei den gerichtlich erledigten Amtshaftungsfällen (Urteil oder Vergleich) keine Regressforderungen geltend gemacht.

 

Zu 9.:

Legislativen Handlungsbedarf im Bezug auf das Amtshaftungsrecht sehe ich insoweit, als es auf bestimmten Rechtsgebieten – wie insbesondere dem aktuell besonders betroffenen Kapitalmarktrecht – in welchen die staatliche Aufsicht primär im öffentlichen, volkswirt-schaftlichen Interesse ausgeübt wird, einer klaren Einschränkung des Schutzzweckes bedarf, um der sich zufolge der Judikatur abzeichnenden Ausdehnung des Vorliegens von Amthaf­tungsansprüchen vorzubeugen. 
 
In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtslage in Deutschland zu verweisen, wo klarge­stellt ist, dass die Aufsicht über den Finanz- und Kapitalmarkt ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgt. Ein derart weiter Ein- beziehungsweise Anlegerschutz, wie er durch die Judikatur der Gerichte in Österreich geschaffen wurde, ist auch gemeinschaftsrechtlich nicht geboten. Das  Gemeinschaftsrecht geht davon aus, dass nationale Vorschriften, wonach die Bankenaufsicht allein im öffentlichen Interesse ausgeübt werde – also den Einlegern kein Recht auf Ausübung der Bankenaufsicht auch in ihrem Interesse  zukomme – unbedenklich seien, sofern deren in der RL 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme vorgesehene Ent­schädigung gewährleistet ist. Nach der österreichischen Rechtslage hingegen werden dem einzelnen geschädigten Einleger bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen auch auf das Amtshaftungsrecht gestützte Ersatzansprüche zugestanden, was zu einem im europäischen Vergleich beträchtlichen Haftungsrisiko der öffentlichen Hand führt.
 
Auch in der Literatur wird die Amtshaftungssituation in Österreich durchaus kritisch gesehen: so spricht etwa Raschauer (Bankaufsicht, Amtshaftung und Beihilfenverbot, ÖJZ 2005, 1) von einer staatlichen „Garantie" für Einleger und Anleger, die durch das Verschuldenserfor­dernis in der Praxis nur unwesentlich eingeschränkt ist.
 
Schließlich hat auch der IWF im Anschluss an seine Prüfung in Österreich im Dezember 2007 kritisch angemerkt, dass die weit reichende Amtshaftung in Österreich, die bei den Marktteil­nehmern zu „moral hazard“ führen könne, den Steuerzahler belaste und obendrein zu viele

 
Aufsichtsressourcen binde. Tatsächlich könnte es durch derartige unterschiedliche nationale Haftungsgrundsätze in Europa zu einem „Haftungswettlauf“ zu Lasten der Republik Österreich kommen.
 
Mit den auf staatliches Unrecht bei der Vollziehung der Gesetze gestützten Amtshaftungsan­sprüchen werden nach dem Beitritt der Republik Österreich zur EU auch häufig sogenannte Staatshaftungsansprüche verbunden. Derartige Schadenersatzansprüche setzen die Be­hauptung voraus, dass die Republik Österreich geltende europarechtliche Normen nicht voll­ständig beziehungsweise nicht rechtzeitig umgesetzt hat oder die geltende österreichische Rechtslage der europarechtlichen Grundlage widerspricht.
 
Für die Behandlung von solchen Staatshaftungsansprüchen existiert in Österreich keine ge­setzliche Grundlage. Vieles spricht dafür, diese in gleicher Weise wie Amtshaftungsansprüche zu behandeln und neben einem Aufforderungsverfahren auch die Zuständigkeit der ordent­lichen Gerichte vorzusehen. Tatsächlich hat sich der Verfassungsgerichtshof für zuständig erklärt.
 
Zu 10.:
Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über Amtshaftungsansprüche gewährleistet eine den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Entscheidungsfindung. Als (Sonder-)Schadenersatzrecht geht es bei der Amtshaftung um privatrechtliche An­sprüche, für welche ausschließlich die Zivilgerichte zuständig sind und auch zuständig bleiben sollten. 
 
Die Problematik liegt nach Ansicht der Finanzprokuratur nicht in der Gerichtszuständigkeit, sondern in der ständigen Ausweitung der Amtshaftung durch die oberstgerichtliche Judikatur (wie zB durch die „Bankprüferentscheidung“ 1 Ob 188/02g).
 
Zu 11.:
Auf Basis des Urteils des OGH vom 25.3.2003, 1 Ob 188/02g, wurden Amtshaftungsan­sprüche gegen den Bund im Zusammenhang mit den Konkursen der Bank für Handel und Industrie AG und der Riegerbank AG sowie vom Land Burgenland im Zusammenhang mit Garantieerklärungen des Landes im so genannten „HOWE-Komplex“ geltend gemacht. Auf eine analoge Anwendbarkeit dieser Entscheidung stützen sich Amtshaftungskläger
beziehungsweise Ersatzwerber auch im Zusammenhang mit den Konkursen der Finanz­dienstleister FMS und AMIS. Eine Gesamtzahl aller geltend gemachten Schadenersatzbeträge kann nicht genannt werden, da in einigen Fällen lediglich die Anerkennung der Haftung dem Grunde nach begehrt wurde.
 
Konkret wurden im angefragten Zeitraum folgende Leistungen erbracht (auch hier verstehen sich die Beträge in Euro):
 

Jahr

Bankamtshaftungen

2000

0,00

2001

0,00

2002

0,00

2003

7.041.498,71

2004

1.786.012,05

2005

1.016.108,04

2006

14.265.747,20

2007

15.471.522,55

Gesamt

39.580.888,55

 
Sämtliche Verfahren in den Fällen BHI und Riegerbank AG sowie Land Burgenland sind rechtskräftig abgeschlossen. Die Finanzprokuratur hat in den Amtshaftungskomplexen BHI und Riegerbank AG in drei Fällen obsiegt (Verfahren über eine Musterklage zur Verjährungs­frage [1 Ob 226/05z] und ein Verfahren eines früheren Dienstnehmers der BHI sowie über eine Klage des Masseverwalters der Diskont Bank AG [1 Ob 142/06y]); auch beide Amtshaf­tungsverfahren im Fall Land Burgenland gegen Republik Österreich (Streitwert je € 10 Mio., Haftungspotential ohne Zinsen und Kosten rund € 360 Mio.) konnten zugunsten des Bundes erledigt werden (rechtskräftige Klagsabweisung der zweiten Klage [1 Ob 251/05a] und Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht der ersten Klage).
 
In den übrigen Fällen sind derzeit 26 Verfahren (inklusive 2008) anhängig, davon 24 in erster Instanz, und zwei im Berufungsstadium. 
 
Zu 12.:
Aufgrund dieser Entscheidung wurde ein einziger Anspruch geltend gemacht und in Höhe von € 6.515.104,85 (inkl. Zinsen und Kosten) anerkannt. Das Verfahren, das von der 
Klägerin als „Testprozess“ über einen Teilbetrag geführt wurde, ist rechtskräftig abgeschlossen. 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Mag. Wilhelm Molterer eh.