373/AB XXIII. GP

Eingelangt am 25.04.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0018-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 377/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten Ursula Haubner, Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „das Kindeswohl als gesamtstaatliche Aufgabe am Beispiel des tragischen Falles in Oberösterreich“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Ein Pflegschaftsverfahren zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des zwischen den Eltern geschlossenen Scheidungsvergleiches wurde bereits Ende 1997 anhängig. Am 16. Mai 2001 wurde das in der Anfrage genannte Pflegschaftsverfahren aufgrund eines Berichtes der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung beim Bezirksgericht Linz-Land anhängig.

Die Strafanzeige des Pflegschaftsgerichts gegen die Mutter langte am 13. März 2006 bei der Staatsanwaltschaft Linz ein, die nach Studium des umfangreichen Pflegschaftsaktes am 16. März 2006 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz unter anderem den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung stellte; mit diesem Tag wurde das Strafverfahren (erstmals) gerichtsanhängig.

Vor dieser Strafanzeige wurden keine weiteren Strafanzeigen im Zusammenhang mit einer „Verwahrlosung“ der Kinder erstattet. Informationen über eine Gefährdung der Kinder oder den gesundheitsschädlichen Zustand des von ihnen bewohnten Hauses wurden auch sonst in keiner Weise – etwa durch mündliche Berichte oder Pressemeldungen – an die Staatsanwaltschaft Linz herangetragen.

Zu 4, 5 und 17:

Das Strafverfahren gegen die Mutter wegen des Verdachts des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Absatz 2 und 3 erster Fall StGB wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 29. März 2006 dem Landesgericht Linz abgenommen und an das Landesgericht Klagenfurt delegiert. Nachdem die an sich tatortzuständige, jedoch mit der Weiterführung des zuvor genannten Strafverfahrens nicht befasste Staatsanwaltschaft Linz Kenntnis erlangt hatte, dass gegen allenfalls strafrechtlich verantwortliche Behördenvertreter und mit der Angelegenheit befasste Fachleute noch kein Strafverfahren eingeleitet worden war, eröffnete sie ein solches am 12. Februar 2007 gegen unbekannte Täter und beantragte am 16. Februar 2007 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz die Vorlage des Aktes an den Obersten Gerichtshof zwecks Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht Klagenfurt. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes steht nach den mir vorliegenden Informationen noch aus.

Zu 6:

Zu einem von der Mutter verübten „Entführungsversuch“ im strafrechtlich relevanten Sinne ist es, insbesondere während ihrer vorläufigen Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 StPO, nicht gekommen. Versuchte persönliche Kontaktaufnahmen mit den damals bereits in einem Therapiezentrum in Kärnten untergebrachten Kindern waren letztlich ausschlaggebend für die Beantragung eines Haftbefehls und die Festnahme der Mutter.

Zu 7:

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt (bei der das Verfahren gegen die Mutter geführt wird) erstattete erstmals schriftlich am 12. Februar 2007 Bericht an die Oberstaatsanwaltschaft Graz; der Bericht wurde im Faxwege noch am selben Tag an das Bundesministerium für Justiz weitergeleitet.

Über die Einleitung des Strafverfahrens gegen unbekannte Täter (mit der Angelegenheit befasste Behördenvertreter und Fachleute) berichtete die Staatsanwaltschaft Linz erstmals am 16. Februar 2007 schriftlich an die Oberstaatsanwaltschaft Linz, die den Bericht ebenfalls noch am selben Tag im Faxwege an das Bundesministerium für Justiz übermittelte.

Zu 8 bis 16 sowie 18 bis 26:

Auskünfte über konkrete Inhalte von Gerichtsakten kann ich nicht geben, weil Angelegenheiten der Rechtsprechung den unabhängigen Gerichten zukommen, deren Tätigkeit ich nicht inhaltlich kontrollieren darf. Zudem ist es generell untersagt, Mitteilungen über Umstände des Privat- und Familienlebens, an deren Geheimhaltung eines begründetes Interesse einer Partei oder eines Dritten besteht, soweit deren Kenntnis ausschließlich durch das Verfahren vermittelt wurde, zu veröffentlichen (§ 140 Abs. 2 AußStrG). Dieses sogar mit strafrechtlichen Sanktionen bewehrte Veröffentlichungsverbot dient nicht zuletzt auch dem Schutz der betroffenen Kinder.

Eine erste dienstaufsichtsbehördliche Überprüfung durch die zuständige Fachabteilung des Bundesministeriums für Justiz hat jedenfalls ergeben, dass eine Untätigkeit des Pflegschaftsgerichtes zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hat.

Die Tätigkeit der Jugendwohlfahrtsträger unterliegt der Aufsicht der Länder.

Zu 27 bis 31:

Durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 ist das Recht auf persönlichen Verkehr zu einem Anspruch des Kindes gemacht und die Verletzung mit verstärkten Rechtsfolgen ausgestaltet worden. Die gerichtliche Entziehung oder Einschränkung der Obsorge setzt gemäß § 76 ABGB eine Gefährdung des Kindeswohls durch das Verhalten des mit der Obsorge betrauten Elternteils voraus. Nach der Judikatur kann eine solche Gefährdung etwa auch darin begründet sein, dass der mit der Obsorge betraute Elternteil die für das Wohl des Kindes günstigen Kontakte zum anderen Elternteil vollständig unterbindet.

Bei der Durchsetzung von Entscheidungen über das Besuchsrecht kommen nach den § 110 iVm § 79 Abs. 2 AußStrG etwa Geld- oder Beugestrafen in Betracht. Die Möglichkeit der Abnahme des Kindes durch unmittelbaren Zwang kommt bei Besuchsrechtsvereitelungen als unangemessen nicht in Betracht.

Ich halte die bestehende Rechtslage, die entlang grundrechtlicher Vorgaben (etwa des Art. 8 MRK) eine Palette behördlicher Eingriffs- und Kontrollrechte etabliert hat, grundsätzlich für ausreichend, um solche Problemkonstellationen in den Griff zu bekommen. Da mir das persönliche Schicksal der drei Mädchen sehr nahe geht, ist es mir ein großes Anliegen, dass der Sachverhalt genau geprüft wird. Sobald die Ergebnisse dieser Prüfung vorliegen, kann entschieden werden, welche konkreten Maßnahmen zu treffen sind, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholt.

Zu 32:

In diesem Zusammenhang darf ich auf meine jüngst ergangene Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Zahl 219/J-NR/2007 betreffend „Funktionieren und Finanzierung der Besuchsbegleitung“ hinweisen.

 

. April 2007

 

(Dr. Maria Berger)