3894/AB XXIII. GP
Eingelangt am 16.05.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0053-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 3923/J-NR/2008
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Mietrechtliche Strafbestimmungen - Anwendung in Österreich?“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Vorweg ersuche ich um Verständnis, dass eine verlässliche Auswertung der Daten aus der Verfahrensautomation Justiz – soweit überhaupt – erst ab dem Jahr 2002 möglich war. Dies betrifft die Beantwortung der Fragen 1 bis 6 sowie 8 und 9.
Zu 1 und 2:
Es wurden seit dem Jahr 2002 insgesamt 6 Strafanzeigen nach § 27 MRG erstattet, und zwar zwei im Jahr 2002, jeweils eine in den Jahren 2003 und 2004 und zwei im Jahr 2006. Vier Anzeigen wurden im Sprengel des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erstattet, eine im Sprengel des Landesgerichtes St. Pölten und eine im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg.
Zu 3 und 4:
Im Jahr 2003 wurden drei, in den Jahren 2006 und 2007 jeweils ein Verfahren teilweise nach Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen gemäß § 90 Abs 1 StPO aF erledigt. In einem Verfahren im Jahr 2005 wurde ein Antrag auf Bestrafung gestellt, die Beschuldigten wurden mit Urteil vom 11. Oktober 2005 rechtskräftig freigesprochen.
Zu 5, 6 und 8:
Im Jahr 2007 wurde in einem Verfahren nach Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft Subsidiaranklage erhoben. In diesem Verfahren wurden die Beschuldigten mit Urteil vom 5. März 2008 freigesprochen. Das Urteil ist infolge Rechtsmittelanmeldung des Subsidiaranklägers nicht rechtskräftig.
Zu 7:
Es kam im anfragegegenständlichen Zeitraum zu keiner rechtskräftigen Verurteilung.
Zu 9:
Es wurden in keinem Fall diversionsrechtliche Bestimmungen angewendet.
Zu 10 bis 13:
Dazu steht mir kein statistisches Datenmaterial zur Verfügung. In der Verfahrensautomation Justiz kann nicht gesondert nach Gerichtsbeschlüssen auf Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen gesucht werden. Ich bitte um Verständnis, dass ein händisches Durchforsten aller in Betracht kommenden Gerichtsakten aufgrund des damit verbundenen unvertretbaren Verwaltungsaufwandes unterbleiben muss.
Zu 14:
§ 27 Abs. 6 MRG stellt auf vorsätzliches Handeln ab. Das bedeutet, dass zumindest bedingter Vorsatz (Eventualvorsatz) vorliegen muss, damit der Tatbestand des § 27 Abs. 6 MRG erfüllt ist. Der Vorsatz in seiner jeweiligen Ausgestaltung ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal, dessen Vorliegen betrifft daher Fragen des materiellen Strafrechts.
Gemäß § 210 Abs. 1 StPO hat die Staatsanwaltschaft dann eine Anklage bei Gericht einzubringen, wenn auf Grund eines ausreichend geklärten Sachverhalts eine Verurteilung naheliegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder für den Rücktritt von der Verfolgung vorliegt. Die Staatsanwaltschaft hat daher zu prüfen, ob der konkrete Sachverhalt den Strafstandbestand des § 27 Abs. 6 MRG erfüllt. Dazu gehört auch die Frage, ob die subjektive Komponente – der Vorsatz – für die Erfüllung des § 27 Abs. 6 MRG vorliegt. Wenn daher die Staatsanwaltschaft im Einzelfall der Meinung ist, dass ein bestimmter Sachverhalt die subjektiven Kriterien des § 27 Abs. 6 MRG nicht erfüllt und daher kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht, hat sie gemäß § 190 Z 2 StPO von der Verfolgung abzusehen und das Ermittlungsverfahren einzustellen.
Ergänzend möchte ich noch ausdrücklich darauf hinweisen, dass gemäß § 195 Abs. 1 StPO in der Fassung der Strafprozessreform Opfer und andere Personen, die an der Strafverfolgung sonst ein rechtliches Interesse haben könnten, berechtigt sind, unter gewissen Voraussetzungen die Fortführung eines eingestellten Ermittlungsverfahrens zu begehren.
Zu 15:
Die Zahlungsunfähigkeit des Beschuldigten schließt die Fähigkeit zur Durchführung der aufgetragenen Erhaltungsarbeiten nicht aus (vgl etwa Kirchbacher/Presslauer in WK², StGB, Rz 19 zu § 153c). Die konkrete Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ist jedoch eine Frage des Einzelfalles und bleibt der unabhängigen Rechtsprechung vorbehalten.
Zu 16 und 17:
Im Bereich der Erhaltungspflicht des Vermieters haben in den vergangenen Jahren – unabhängig von strafrechtlichen Sanktionen – verschiedene Entwicklungen zugunsten der Mieter stattgefunden. Mit der Wohnrechtsnovelle 2006 wurde die Erhaltungspflicht des Vermieters für das Innere des Mietgegenstandes durch die Hereinnahme auch der erheblichen Gesundheitsgefährdung beträchtlich erweitert. Wenig später wurde der Fragenkreis um die Erhaltung des Mietobjekts durch die so genannten Klauselentscheidungen des Obersten Gerichtshofs grundlegend angesprochen: Mit diesen Erkenntnissen wurde die bisherige Vertragspraxis, die häufig zu Lasten der Mieter ging, tiefgreifend erschüttert und wurde letztlich auch die Notwendigkeit einer gesetzlichen Neuregelung aufgezeigt. Ausgehend von dieser Judikatur haben in den vergangenen Monaten Beratungen zwischen den Sozialpartnern mit dem Ziel stattgefunden, durch eine ausgewogene Kompromisslösung einerseits wieder Rechtssicherheit zu gewährleisten und andererseits auch der durch die Rechtsprechung veränderten Ausgangslage zur Abgrenzung der Instandhaltungspflichten Rechnung zu tragen. Dabei ist es den Sozialpartnern gelungen, sich auf einen Vorschlag zu einer gesetzlichen Neuregelung zu einigen, der mir eine durchaus taugliche Grundlage für ein entsprechendes Gesetzesvorhaben zu sein scheint. Aufbauend auf dieser Einigung wird das Bundesministerium für Justiz einen Gesetzesentwurf erstellen und zur Begutachtung versenden, der auf eine substantielle Verbesserung der Mieterrechte im Zusammenhang mit der Erhaltung des Mietgegenstandes gerichtet sein wird.
Eine Komponente dieses Gesetzesentwurfs wird auch eine Neuregelung zu dem dem Mieter gebührenden Aufwandersatz für den Fall sein, dass der Mieter Erhaltungsarbeiten, die eigentlich dem Vermieter obliegen, wegen Säumigkeit des Vermieters selbst durchführt. Dadurch wird dem Mieter ein zusätzlicher und – wie mir scheint – durchaus praktikabler Mechanismus an die Hand gegeben, um die Behebung von Mängeln des Mietobjekts zu bewerkstelligen und die dafür entstehenden Kosten beim Vermieter hereinzubringen.
Es darf auch nicht übersehen werden, dass das Mietrechtsgesetz – auch unabhängig von Strafbestimmungen – in seinem § 6 ein sehr effizientes System zur Durchsetzung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten gegen den Willen des Vermieters bereit hält. Nach dieser Regelung kann zur Erzwingung von Erhaltungsmaßnahmen ein Verwalter für das Haus bestellt werden. Im Übrigen sind für diese Verwalterbestellung zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht die Regelungen der Exekutionsordnung über die Zwangsverwaltung sinngemäß heranzuziehen; und gerade diese Bestimmungen wurden jüngst durch die Exekutionsordnungs-Novelle 2008 modernisiert, um unter anderem die Zwangsverwaltung für den betreibenden Gläubiger zu erleichtern.
Im Verhältnis zu diesen durchaus effizienten zivilrechtlichen Durchsetzungsmechanismen kann einem gerichtlichen Straftatbestand wie dem § 27 Abs. 6 MRG nur untergeordnete, unterstützende Funktion zukommen. Ganz allgemein sehe ich im Lichte der Bemühungen um eine möglichst weitgehende Entkriminalisierung den Einsatz des gerichtlichen Strafrechts zur Durchsetzung zivilrechtlicher Rechtspositionen eher skeptisch. So wichtig die Bestimmung des § 27 MRG über verbotene Vereinbarungen im Gesamtsystem des Mietrechts zweifellos ist, so sehr ist meiner Ansicht nach die Sinnhaftigkeit der Straftatbestände in § 27 Abs. 6 und 7 MRG zu überdenken. Jedenfalls ist an eine Verschärfung dieser Bestimmungen oder an eine sonstige, ins Strafrecht hineinreichende Verschärfung nicht gedacht.
. Mai 2008
(Dr. Maria Berger)