3917/AB XXIII. GP

Eingelangt am 23.05.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0064-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3995/J-NR/2008

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Strafprozessordnung und Überwachung“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Zu den in Ihrer Anfrage unter Pkt. a) und b) beschriebenen Maßnahmen kann ich mitteilen, dass ich von einem Fall Kenntnis habe, in dem beide von Ihnen genannten Maßnahmen im Zuge einer Überwachung nach §§ 149d Abs. 1 Z 3 lit. a und b, 149e StPO aF eingesetzt wurden. Über den Einsatz dieser Maßnahmen wurde im Jahresbericht des Herrn Rechtschutzbeauftragten der Justiz Dr. Gottfried Strasser, Generalprokurator i.R., für das Jahr 2007 berichtet. Über den Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers durch die Kriminalpolizei habe ich keine Kenntnis.

Zu 2 bis 7:

Wie zu Frage 1. ausgeführt, wurden diese Maßnahmen meines Wissens in einem Strafverfahren im Jahr 2007 eingesetzt. Auch auf Grundlage der dadurch erwirkten Beweismittel wurden in diesem Strafverfahren zwei Angeklagte – noch nicht rechtskräftig – verurteilt. Das Erstgericht erachtete den Einsatz dieser Maßnahmen für rechtmäßig. Ob sich der Oberste Gerichtshof mit dieser Frage auseinandersetzen wird, hängt davon ab, ob die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde durch die Verteidigung auch ausgeführt werden wird. Im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleistete Trennung zwischen Rechtsprechung und Verwaltung steht es mir nicht zu, die Entscheidung des Erstgerichtes zu kommentieren und der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs an dieser Stelle vorzugreifen.

Es sei jedoch angemerkt, dass der Rechtschutzbeauftragte der Justiz in seinem Bericht von einer grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Maßnahmen ausgegangen ist. Im Übrigen verweise ich auf meine weitergehenden Ausführungen zu Frage 10.

Zu 8 und 9:

Die StPO differenziert bei der Zulässigkeit der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung und einer Überwachung von Nachrichten (§ 135 StPO) nicht zwischen verschiedenen technischen Varianten der Durchführung. Insofern muss eine Überwachung nicht unbedingt durch eine Mitwirkung eines Betreibers erfolgen, sondern kann durchaus mittels geeigneter technischer Geräte durch die Kriminalpolizei selbst durchgeführt werden. Die in Variante c) umschriebene Ermittlungsmaßnahme lässt sich als Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung unter § 134 Z 2 StPO subsumieren. Bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der Überwachung (insbesondere: rechtmäßige Anordnung durch die Staatsanwaltschaft und Bewilligung des Gerichts) erachte ich eine solche Maßnahme daher als zulässig.

Zu 10:

Zu den Punkten a) und b) ist anzumerken, dass ich gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Inneres Günther Platter im November 2007 eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Leitung von o.Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk eingesetzt habe, um auf Expertenebene technische und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der sogenannten „Online-Durchsuchung“ auf hohem fachlichen Niveau klären zu lassen. In dieser Arbeitsgruppe waren Angehörige des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Inneres, des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums für Landesverteidigung, des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, sowie Vertreter der Lehre und der Praxis vertreten.

In ihrem über 250 Seiten fassenden Schlussbericht, der anlässlich einer Pressekonferenz am 9. April 2008 vom Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, o. Univ. Prof. Dr. Bernd-Christian Funk, übergeben wurde, hat die Arbeitsgruppe eine differenzierte Darstellung der technischen und rechtlichen Möglichkeiten und Beschränkungen zur Online-Durchsuchung abgegeben.

Derzeit sind meine Mitarbeiter mit der Erstellung eines Ministerialentwurfs befasst, der die Rechtsgrundlage für die Durchführung von Online-Durchsuchungen schaffen soll. Dabei steht außer Zweifel, dass diese Maßnahme nur zur Bekämpfung schwerster Kriminalität und unter strengen Auflagen zur Gewährleistung des Rechtschutzes zulässig sein kann. Inwieweit die in Ihrer Anfrage zu den Punkten a) und b) angesprochenen Methoden nach diesem Entwurf zulässig sein werden, lässt sich zur Zeit noch nicht sagen. Ich bin zuversichtlich, noch vor dem Sommer der Bundesregierung – wie im Ministerratsvortrag vom 17. Oktober 2007 vorgesehen – die entsprechenden legislativen Maßnahmen vorschlagen zu können.

Zur unter Punkt c) beschriebenen Maßnahme vermag ich die wiedergegebene Rechtsansicht in dieser Allgemeinheit nicht zu teilen. Grundsätzlich ist die Kriminalpolizei mit der Durchführung einer gerichtlich bewilligten Überwachungsmaßnahme zu beauftragen. Die Betreiber sind nur nach Maßgabe einer gesonderten Anordnung zur Mitwirkung verpflichtet. Soweit die Kriminalpolizei über eine entsprechende technische Ausstattung verfügt, ist jedoch eine solche Mitwirkung nicht zwingend vorgesehen. Vorauszusetzen ist natürlich, dass die Kriminalpolizei den rechtlichen Rahmen der erteilten Bewilligung nicht überschreitet, daher den IMSI-Catcher nur im Rahmen der Anordnung und Bewilligung einsetzt.

. Mai 2008

 

(Dr. Maria Berger)