3943/AB XXIII. GP
Eingelangt am 27.05.2008
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BM für Inneres
Anfragebeantwortung
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Gerald Hauser und weitere Abgeordnete haben am 27. März 2008 unter der Nr. 3961/J an mich die schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „straffällige Marokkaner und Asylwerber in Tirol“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu Frage 1:
Die kriminalpolizeilichen Statistiken geben lediglich Auskunft darüber, gegen wie viele Asylwerber in einem bestimmten Zeitraum als Tatverdächtige ermittelt wurde. Statistiken, die auch Rückschlüsse auf das Datum des Asylantrages oder auf eine Verurteilung zulassen, werden nicht geführt.
In Tirol wurde im Jahr 2007 gegen 938 Asylwerber als Tatverdächtige ermittelt.
Zu Frage 2:
In Tirol wurden 182 Asylwerber wegen eines Verstoßes gegen die Straftatbestände des Suchmittelgesetzes zur Anzeige gebracht.
Zu Frage 3:
Die Suchtmittelstatistik 2007 für das gesamte Bundesland Tirol weist Folgendes aus:
71% der Suchtmitteldelikte wurden von Österreichern und 29% von Fremden (davon 25,38 % Asylwerber) begangen.
Zu Frage 4:
Nach der Festnahme eines Hauptverantwortlichen in Innsbruck, der den nordafrikanischen Tätergruppierungen und einzelnen Dealern bei den Geldtransaktionen behilflich war, dürfte zwischenzeitlich der Geldtransfer in die Maghreb-Staaten nach der erfolgreichen Amtshandlung größtenteils unterbunden bzw. erheblich erschwert worden sein.
In einem Fall bediente sich ein festgenommener marokkanischer Dealer in Innsbruck einer „Suchtgiftquelle“ in Deutschland, die nun Gegenstand von Ermittlungen deutscher Behörden ist. Hier gelang die weitere Identifizierung von Tatverdächtigen durch das Aussageverhalten der in Deutschland festgenommenen Kuriere.
Zu den Fragen 5, 14, 15 und 29:
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nach den einschlägigen Bestimmungen eine zwangsweise Außerlandesschaffung von Asylwerbern, also von Fremden während eines anhängigen Asylverfahrens, nicht zulässig ist, weshalb diesbezügliche Statistiken auch nicht vorliegen.
Laut Bericht der
Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol wurden im Jahr 2007 insgesamt
4 straffällige Fremde nach Abschluss ihres Asylverfahrens in ihr Heimatland
abgeschoben. Im selben Zeitraum wurden in 11 Fällen Fremde aufgrund des Dublin-
Übereinkommens in den zur Durchführung des Asylverfahrens
zuständigen Staat –
davon 4 marokkanische Staatsangehörige nach Italien –
überstellt.
Hinsichtlich der Abschiebung Fremder in ihr Heimatland ist hervorzuheben, dass eine solche
nur dann möglich
ist, wenn diese Personen im Besitz entsprechender Dokumente sind. Nachdem diese
Voraussetzung bei nordafrikanischen und insbesondere marokkanischen
Staatsangehörigen in den meisten Fällen nicht vorliegt, kommt es
immer wieder zu Problemen bei der Identifikation von abzuschiebenden Personen
oder der Erlangung von Ersatzreisedokumenten. Derartige Probleme sind
beispielsweise, dass zur Ausstellung von Identitätspapieren
Bestätigungen von den Inlandsbehörden der Zielländer eingeholt werden
müssen (was oftmals zeitaufwändig ist) oder dass die Identifikation
überhaupt schwierig ist, da in den betroffenen Zielländern keine
Register über die Einwohner der Zielstaaten geführt werden.
Um diese Verfahren
zu beschleunigen wurden seitens meines Ressorts entsprechende
Maßnahmen ergriffen.
So wurde aus
gegebenem Anlass im Mai 2007 auf nationaler Ebene die Beschaffung von
Heimreisezertifikaten für Marokko und Algerien zentralisiert. Für
Tunesien erfolgt die zentrale
Beschaffung dieser Dokumente unmittelbar aufgrund des bilateralen Rückübernahme-abkommens. Durch diese Maßnahmen bestehen regelmäßige Kontakte mit den jeweiligen ausländischen Vertretungsbehörden. Um eine reibungslose und effiziente Administration dieser Agenden zu gewährleisten, habe ich bereits veranlasst, dass noch im Sommer eine personelle Aufstockung der in meinem Ressort zuständigen Fachorganisation erfolgt.
Nach mehreren Vorstößen in Richtung der Botschaft des Königreichs Marokko in Wien sowie des Marokkanischen Außen- und Innenministeriums sind aktuell wieder Gespräche auf Arbeitsebene geplant.
Es ist mir auch bekannt, dass seitens des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zum Thema Rückführung marokkanischer Staatsangehöriger bereits mehrmals bei den zuständigen marokkanischen Stellen interveniert wurde. In diesem Zusammenhang erzielte Ergebnisse werden zwischen den Beamten beider Ressorts laufend
ausgetauscht.
Auf EU-Ebene ist hervorzuheben, dass der Rat der EU ein Mandat zur Verhandlung und zum
Abschluss eines Rückübernahmeabkommens mit Marokko erteilt hat und die diesbezüglichen Verhandlungen derzeit im Gange sind.
Darüber hinaus
sind auch Bestrebungen im Gange, die Problematik im Zusammenhang mit
der Rückführung marokkanischer Staatsangehöriger - insbesondere
in den Bereichen der
Beschaffung von Heimreisezertifikaten sowie Charterrückführungen
– in die Agenden des
EU – Marokko Assoziationsrates einzubinden. Eine diesbezügliche
Anregung an das Bundesministerium für europäische und internationale
Angelegenheiten ist meinerseits bereits ergangen.
Zu Frage 6:
Aufgrund der Vielschichtigkeit und grenzübergreifenden Tätigkeit der Nordafrikanerszene wurden innerhalb der Sicherheitsexekutive folgende Maßnahmen gesetzt:
Als zentrale
Schnittstellen in Tirol wurden die Bundespolizeidirektion Innsbruck und das
Stadtpolizeikommando Innsbruck/Fachbereich 3-Suchtmitteldelikte vernetzt
(Kriminalpolizei, Fremdenpolizei, operativer Dienst, internationaler Abgleich
etc.). Ergänzt wird dies durch die rasche Unterstützung des Bundesministeriums
für Inneres (Abteilung II/3 – Fremdenpolizei und
Grenzkontrollwesen), des Bundeskriminalamtes (Interpol) und des Landespolizeikommandos
(internationale Vernetzung/Kriminalpolizei - Geldwäsche etc.).
Zwischen diesen Organisationseinheiten werden laufend Datensätze ausgetauscht,
um den Beschuldigten auch die entsprechenden Straftaten nachweisen zu
können und um die Strukturen besser zu erkennen.
Weiters wurde vom Stadtpolizeikommando Innsbruck/Fachbereich-Suchtmitteldelikte eine Faktotumdatei eingerichtet.
Zu Frage 7:
Am 01.11.2007 wurde die „Kooperative Ermittlungsgruppe – Suchtmittel“, unter Leitung des Landeskriminalamtes eingerichtet und ausschließlich mit der Bekämpfung der nordafrikanischen Tätergruppierungen beauftragt. Die beim Landeskriminalamt eingerichtete Ermittlungsgruppe hatte u.a. die Aufgabe, sämtliche Strukturermittlungen zur Aufdeckung krimineller Organisationen im Nordafrikanermilieu durchzuführen, entsprechende Auslandskontakte einzuleiten sowie operative Maßnahmen abzuwickeln und die daraus entstandenen Anzeigen/Berichte an die Staatsanwaltschaft zu erstatten. Insgesamt wurde über 6 Tatverdächtige die Untersuchungshaft verhängt und gegen ca. 90 weitere Personen aus dem Milieu Strafanzeige erstattet.
Nach Beendigung der Hauptaufgaben der gemeinsamen operativen Einsatzstruktur wurde das Aufgabengebiet der „Kooperativen Ermittlungsgruppe – Suchtmittel“ mit 1.4.2008 in die bestehende Organisation beim Stadtpolizeikommando Innsbruck eingegliedert.
Zu den Fragen 8 bis 11:
Die vom 01.11.2007 bis zum 01.04.2008 bestehende „Kooperative Ermittlungsgruppe – Suchtmittel“ bestand aus 15 Beamten des Landeskriminalamtes Tirol und des Stadtpolizeikommandos Innsbruck.
Für die Bekämpfung dieser Fälle werden nunmehr neben den Bediensteten des zuständigen Fachbereiches des Kriminalreferates beim Stadtpolizeikommando Innsbruck anlassbezogen weitere Bedienstete des Stadtpolizeikommandos (mit Stand 01.05.2008 insgesamt 380 Exekutivbeamte) sowie im Bedarfsfall auch Beamte des Landeskriminalamtes, der Diensthundeinspektion, der Fachinspektion für Ausgleichsmaßnahmen, der Landesverkehrsabteilung, des Bundeskriminalamtes (Außenstelle), des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Tirol herangezogen.
Zu Frage 12:
Die erforderlichen Abklärungen in Italien erfolgen im Zusammenwirken mit der Sicherheitsdirektion Tirol bzw. über direkte Kontakte der betroffenen Polizeidienststellen.
Durch die persönliche Kontaktaufnahme zwischen den Sachbearbeitern auf österreichischer und italienischer Seite sind Abklärungen, die das gesamte Staatsgebiet von Italien betreffen, in relativ kurzer Zeit möglich.
Zu Frage 13:
Erkennungsdienstliche Daten werden zum Teil mit Datenmaterial italienischer Behörden und weiters durch Bundeskriminalamt/Interpol im Auslandsschriftverkehr mit Interpol Rabat/Marokko, Anfragen über das trilaterale Polizeikooperationszentrum Thörl Maglern bzw. dem österreichischen Verbindungsbeamten in Marokko abgeglichen.
Zu den Fragen 16 und 17:
Ein Hungerstreik alleine stellt, genau so wenig wie das Anzünden der Zelle, keinen Grund für eine Entlassung aus der Schubhaft dar. Beide Fälle sind im Zusammenhang mit der Haftfähigkeit zu sehen. Diese ist von der Behörde auf Grund von medizinischen Feststellungen zu beurteilen, wobei von einem umfassenden Krankheitsbegriff auszugehen ist, der sowohl psychische als auch physische Krankheiten umfasst. Hinzuweisen ist überdies auf die Bestimmung des § 78 Abs. 6 FPG 2005, wonach die Fremdenpolizeibehörde, wenn die Schubhaft auf Grund des Gesundheitszustandes einen Fremden, der von ihm selbst herbeigeführt worden ist, den Leiter des Gefangenenhauses Wien um den Vollzug der Schubhaft in der medizinischen Einrichtung ersuchen kann. Dies ist allerdings nur dann zulässig, wenn ein Aufenthaltsverbot oder Ausweisung durchsetzbar und die Abschiebung möglich ist.
Sollten diese Voraussetzungen nicht zutreffen, kann ein Fremder auch, wenn es der Gesundheitszustand erfordert und eine Behandlung nicht im Haftraum der Fremdenpolizeibehörde durchgeführt werden kann, in eine geeignete Krankenanstalt gebracht und dort bewacht werden.
Zu den Fragen 18 und 19:
In den Jahren 2006 und 2007 wurden in 699 bzw. 696 Fällen Fremde wegen „Haftunfähigkeit
durch Hungerstreik“ aus der Schubhaft entlassen.
Zu Frage 20:
Im Jahr 2007 wurden im Polizeianhaltezentrum Innsbruck in 31 Fällen Fremde wegen „Haftunfähigkeit durch Hungerstreik“ aus der Schubhaft entlassen.
Zu Frage 21:
Im Jahr 2007 kam es bundesweit zu 9 derartigen Vorfällen.
Zu Frage 22:
Im Jahr 2007 kam es wegen dieses Vorgehens zu 2 Entlassungen.
Zu Frage 23:
Im Jahr 2006 kam es bundesweit zu 3 derartigen Vorfällen.
Zu Frage 24:
Im Jahr 2006 kam es wegen dieses Vorgehens zu keiner Entlassung.
Zu den Fragen 25 und 26:
Im Jahr 2007 kam es in Tirol zu keinen derartigen Vorfällen.
Zu Frage 27:
Der Bundesminister für Inneres als ein oberstes Organ der Vollziehung setzt keine legistischen Maßnahmen, diese obliegen ausschließlich der dafür verfassungsrechtlich zuständigen gesetzgebenden Körperschaft.
Das gesetzliche Instrumentarium des Sicherheitspolizeigesetzes wird ausgeschöpft und das Bundesministerium für Inneres arbeitet ständig auch an legistischen Projekten, um den Sicherheitsbehörden im Rahmen des vorbeugenden Rechtsschutzes wirksame Mittel zur Verhinderung von Kriminalität auch im öffentlichen Raum in die Hand zu geben. Es ist insbesondere auf die Möglichkeit der Einrichtung einer Schutzzone nach dem Sicherheitspolizeigesetz hinzuweisen, von dem die Bundespolizeidirektion Innsbruck bereits Gebrauch gemacht hat.
Zu Frage 28:
Die Schubhaft dient der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthalts-beendenden Maßnahme und deren Durchsetzung. Sie unterliegt einem sehr strengen Prüfmaßstab durch die Höchstgerichte. Der Sicherungsbedarf muss daher individuell begründet werden und sich auf die Außerlandesbringung fokussieren. Die Schubhaft dient somit weder der Kriminalprävention noch als Sanktion. Was die Maßnahmen bei straffälligen Asylwerbern betrifft, darf informationshalber noch auf die durch das Fremdenrechtspaket 2005 geschaffenen Möglichkeiten verwiesen werden, die bei bestimmten Voraussetzungen eine beschleunigte Verfahrensführung und auch gleichzeitig die in Schubhaftnahme ermöglichen.
Weitere Möglichkeiten werden derzeit – im Interesse eines europaweit einheitlichen Systems auf EU-Ebene diskutiert. Es versteht sich daher von selbst, dass allfällige weitere Anpassungen erst dann erfolgen werden, wenn die diesbezüglichen Diskussionen abgeschlossen sind.
Zu Frage 30:
Derartige Statistiken liegen nicht vor. Es kann lediglich angegeben werden, wie viele marokkanische Staatsangehörige im jeweiligen Zeitraum auf dem Luftweg abgeschoben wurden. Obwohl derartige Abschiebungen in der Regel in den Heimatstaat des jeweiligen Fremden erfolgen, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass in Ausnahmefällen Fremde z. B. aufgrund eines bilateralen Abkommens in ein anderes Land abgeschoben wurden. Es sind auch keine Angaben darüber möglich, ob es sich bei den außer Landes gebrachten Personen um Straffällige handelt.
In den Jahren 2005
bis 2008 (1. Quartal) wurden insgesamt 27 (2005: 4, 2006: 9, 2007: 12
und 2008: 2) marokkanische Staatsangehörige auf dem Luftweg abgeschoben.
Für das Jahr
2004 werden Ab- und Zurückschiebungen gemeinsam ausgewiesen. In diesem Zeitraum
wurden 7 marokkanische Staatsangehörige auf dem Luftweg ab- bzw.
zurückgeschoben.