3986/AB XXIII. GP

Eingelangt am 02.06.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freun-de haben am 3. April 2008 unter der Nr. 4007/J an mich eine schriftliche parlamentari-sche Anfrage betreffend Verpflichtung Österreichs zur Erhaltung und Sanierung der jü-dischen Friedhöfe in Österreich gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 bis 16:

Ø      Welchen rechtlichen Stellenwert hat die im Washingtoner Abkommen" festge-schriebene und von Österreich unterschriebene Verpflichtung, Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe zu leisten? Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Ø      Wie sind Sie als Bundeskanzler diesen Verpflichtungen bisher nachgekommen? Welche konkreten Maßnahmen und Schritte für den Erhalt und die Sanierung der jüdischen Friedhöfe in Österreich haben Sie veranlasst? Bitte um detaillierte Auf-zählung.

Ø      Gibt es die mehrfach angekündigte Arbeitsgruppe zur Sanierung und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe in Österreich? Falls ja, wer sind die Mitglieder dieser Ar-beitsgruppe? Bitte um detaillierte Aufzählung. Falls nein, warum nicht bzw. bis wann wird diese Arbeitsgruppe eingerichtet und wer werden ihre Mitglieder sein?

Ø      Liegt das angekündigte Gesamtkonzept zur Erhaltung aller österreichischen jüdi-schen Friedhöfe bereits vor? Falls ja, skizzieren Sie bitte kurz den Inhalt. Wann wird das Gesamtkonzept der Öffentlichkeit präsentiert? Falls nein, warum nicht und bis wann wird das Gesamtkonzept vorliegen?

Ø      Wie hoch sind die geschätzten Gesamtkosten für die Restaurierung der jüdischen Friedhöfe in Österreich?

Ø      Wie wird die Friedhofsrestaurierung abgewickelt? Wer ist dafür die konkrete An-sprechperson?

Ø      Was haben Gespräche mit dem Finanzminister und den Verantwortlichen der Stadt Wien konkret ergeben? Gibt es nun zusätzliche zweckgewidmete Gelder für die jü- dischen Friedhöfe in Österreich? Wenn ja, in welcher Höhe und ab wann? Falls nein, warum nicht und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Ø      Wieviel Geld ist 2008 für die anfänglich notwendige Restaurierung der jüdischen Friedhöfe im Bundesbudget budgetiert? Welche Überlegungen und Planungen gibt es für die Budgets 2009 und 2010?

Ø      Wieviel Geld ist 2008 für die jährliche Erhaltung und Pflege der jüdischen Fried-höfe budgetiert? Welche Überlegungen und Planungen gibt es für die Budgets 2009 und 2010?

Ø      Wie sieht der Zeitplan für die geplanten Schritte zur Rettung des jüdischen Fried-hofs in Währing aus?

Ø      Wann und in welcher Reihenfolge wird mit den Maßnahmen zur Restaurierung und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe in Österreich begonnen? Bitte um detail-lierte Auflistung.

Ø      In Deutschland gibt es seit 1956 eine Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bezüglich der Pflege jüdischer Friedhöfe. Sollte dies nicht auch das Ziel für Österreich sein?

Ø      Das Bundesgesetz (BGBl. Nr. 175/1948) über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und das Bundesgesetz (BGBl. Nr. 176/1948) über die Fürsorge und dem Schutz der Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler funk-tionieren anscheinend ziemlich fiktionsfrei. Sind der Republik Österreich, abseits der gesetzlichen Verpflichtung zur Unterstützung für die Restaurierung und Er-haltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe zu leisten, die Kriegsgrä-ber mehr wert als die jüdischen Friedhöfe?

Ø      Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass seit 1948 die Kriegsgräber gepflegt wer-den, bei den jüdischen Friedhöfen bis heute der Bund seiner Verantwortung nicht nach kommt?

Ø      Wäre ein Bundesgesetz über die Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhö- fe, welches sich an das bereits seit 1948 bestehende und funktionierende Bun-desgesetz für die Fürsorge für die Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler orientiert nicht ein sinnvoller, langfristiger Lösungsansatz um die Pflege und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe in Österreich zu gewährleisten?

Ø      Wie lange wird Ihrer Meinung nach das Schild mit der Aufschrift Betreten des Friedhofes aus sicherheitstechnischen Gründen verboten!" am jüdischen Friedhof in Währing noch Gültigkeit haben?

Annex A, Punkt 8 des Washingtoner Abkommens zur Thematik schreibt fest, dass "Österreich zusätzliche Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung jüdischer Friedhöfe leisten wird". Das Washingtoner Abkommen macht weder über Umfang und Natur dieser Unterstützung noch zur innerstaatlichen Zuständigkeit eine Aus-sage.

Das Washingtoner Abkommen trägt durch die Verpflichtung Österreichs zu einer zu-sätzlichen“ Unterstützung dem Umstand Rechnung, dass bereits von den verschiede-nen Gebietskörperschaften Leistungen zur Restaurierung und Erhaltung jüdischer Friedhöfe erbracht wurden und laufend erbracht werden. In einigen Fällen - wie insbe-sondere dem jüdischen Friedhof Währing - besteht ein klarer und dringender weiterer Handlungsbedarf. Alle jeweils zuständigen Gebietskörperschaften sind aufgerufen, zur Vermeidung weiterer Verzögerungen zusammenzuarbeiten und über die in ihrem Wir-kungsbereich geleisteten Schritte besser zu informieren. Mein Haus war an bisherigen Bemühungen zur besseren Koordination dieser Zusammenarbeit beteiligt. Diese Be-mühungen werden auch weiterhin intensiv fortgesetzt werden. Als nächster konkreter Schritt ist nun ins Auge gefasst, im Fall des Friedhofes Währing den genauen Hand-lungsbedarf durch eine Studie festzustellen, sodass auf deren Basis Handlungsopti-onen für eine angemessene Vorgangsweise erarbeitet werden können. Es ist somit zu erwarten, dass aufgrund der Ergebnisse dieser Studie prioritäre sowie mittel- und lang-fristig in Angriff zu nehmende Detailprojekte identifiziert werden können, die auch eine Zuordnung ihrer Finanzierung erleichtern.

Das Washingtoner Abkommen verlangt kein von der Bundesregierung zu erarbeiten-des Gesamtkonzept. Die Bundesregierung nimmt jedoch aufbauend auf den Erfah-rungen, die anlässlich der Erhaltungsmaßnahmen für den jüdischen Friedhof Wäh-ring gewonnen werden, in Aussicht, die Zusammenarbeit aller betroffenen Gebiets-körperschaften entsprechend sicherzustellen.

Es ist natürlich so, dass die Bundesregierung jüdische Friedhöfe nicht geringer schätzt als Kriegsgräber. Gesetzliche Regelungen sind allerdings auch kein Allheilmittel. Der von der 3. Nationalratspräsidentin in diesem Zusammenhang eingebrachte Antrag betreffend ein Bundesverfassungsgesetz und Bundesgesetz über die Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhöfe (639/A XXIII) wurde auch meinem Ressort übermittelt. Wenn die oben dargestellten Schritte erwartungsgemäß greifen, sollte allerdings aus meiner Sicht von einer verfassungsgesetzlichen Verschiebung von Zuständigkeiten abgesehen werden.