3990/AB XXIII. GP
Eingelangt am 03.06.2008
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BM für Gesundheit Familie und Jugend
Anfragebeantwortung

Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMGFJ-11001/0060-I/A/3/2008
Wien, am 2. Juni 2008
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 4005/J der Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Biokunststoffe werden aus einer Vielzahl von Ausgangsmaterialien gefertigt, unter anderem Cellulose, Kartoffeln, Roggen, Zuckerrüben und Mais. Grundsätzlich werden für die Herstellung von Biokunststoffen keine Agrarrohstoffe aus gentechnisch veränderten Pflanzen benötigt.
Die Herstellung von Polymilchsäure (PLA) geschieht durch ein biotechnologisches Verfahren, bei dem Bakterien eine Nährstofflösung aus Glukose fermentieren und so Milchsäure erzeugen. Nach Angaben der Anlagenhersteller und -betreiber sind diese Bakterien nicht gentechnisch modifiziert.
In den USA tätige Hersteller von PLA verwenden als Ausgangsmaterial Agrarrohstoffe, die auf dem regionalen US-Markt angeboten werden, in der Regel wird dies auch GVO Mais sein, denn dieser wird in den USA bereits großflächig angebaut. Dies ist nicht als technisch notwendige Voraussetzung, sondern allein auf Grund der regionalen Rohstoffversorgung bedingt. Die Rohstoffe durchlaufen einen mehrstufigen Verarbeitungsprozess, so auch einen Kristallisationsprozess mit Temperaturen über dem Schmelzpunkt des Rohstoffes. Dadurch, aber auch durch unabhängige Zertifizierung wird garantiert, dass keinerlei DNA/RNA-Spuren aus der genetischen Veränderung im Endprodukt vorhanden sind.
Biotechnologische Anlagen sind generell entsprechend den jeweiligen Vorschriften des betreffenden Landes genehmigungspflichtig und unterliegen
einer umfassenden sicherheitstechnischen Prüfung im Rahmen der Gewerbeordnung und der Arbeitnehmerschutzvorschriften. Diese so genannte „weiße“ Biotechnologie wird u.a. auch zur Medikamentenherstellung eingesetzt und ist von der Öffentlichkeit und von Umweltverbänden allgemein akzeptiert.
Ferner ist in Österreich ist das Arbeiten mit GVO und gentechnisch veränderten Mikroorganismen auf Grund des Gentechnikgesetzes der zuständigen Behörde zu melden.
In den bisher meinem Ressort vorgelegten Anmeldungen wurden keine derartigen Arbeiten bekanntgegeben.
Ausgangsprodukt für PLA wäre in erster Linie Maisstärke. Aus GVO hergestellte Maisstärke für den Import wäre nach der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG nicht zulassungspflichtig, nur der Import von gentechnisch verändertem Rohmais.
Im Rahmen der Zulassungsverfahren gemäss der EU Verordnung 1829/2003 über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel interpretiert die Europäische Kommission den sachlichen Geltungsbereich so weit, dass sie darunter auch andere Erzeugnisse als Lebensmittel und Futtermittel erfasst, sodass auch die Verarbeitung von GVO zu anderen industriellen Zwecken als zur Verarbeitung zu Lebensmitteln und Futtermitteln von einigen zuletzt ausgesprochenen Zulassungen von GVO Mais umfasst sind.
Nach Kenntnis meines Ressorts wurden aber solche Produkte bis jetzt für den gegenständlichen Verwendungszweck nicht vorgesehen.
Frage 2:
Biokunststoffe werden aus regional verfügbaren Rohstoffen hergestellt. Bei der Produktion von PLA in Europa finden unseres Wissens keine gentechnisch veränderten Agrarrohstoffe Verwendung. Dies ist aber derzeit eine rein theoretische Frage, da als Ausgangsprodukt, wie bereits erwähnt, die aus den Agrarrohstoffen erzeugte Stärke eingesetzt und Mais in Europa nur in geringen Mengen (hauptsächlich in Spanien für Futtermittelzwecke) angebaut wird.
GVO, dh. in diesem Fall rohe Maiskörner als Ausgangsstoff für die weitere Verarbeitung zu Maisstärke und anschließend zu PLA, die für diese Zwecke importiert werden sollten, bedürften einer Zulassung. Nicht zugelassene GVO Maislinien dürfen somit in der EU und in Österreich nicht verwendet werden.
Biotechnologische Anlagen sind nach den in dem betreffenden Land geltenden gesetzlichen Vorschriften (in Österreich nach der Gewerbeordnung) genehmigungspflichtig;weiters sind Arbeiten mit GVO, die in geschlossenen Systemen durchgeführt werden, nach dem Gentechnikgesetz meldepflichtig. Auch das stellt sicher, dass nur in der EU zugelassene Verfahren oder Ausgangsstoffe verwendet werden.
Frage 3:
Die EK interpretiert andere Erzeugnisse als Lebensmittel und Futtermittel sehr weit, so daß auch Textilien und Biosprit von Zulassungen gemäß EU Verordnung 1829/2003 erfasst werden könnten. Diese Produkte sind allerdings von einer diesbezüglichen GVO-Kennzeichnung ausgenommen.
Finden Biokunststoffe als Food Contact Materials Verwendung, unterliegen diese generell denselben Anforderungen wie konventionelle Kunststoffe, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Damit ist die Verbrauchersicherheit grundsätzlich gewährleistet.
Gegen eine weitergehende Verpflichtung zur Kennzeichnung von aus GVO hergestellten Food Contact Materials spricht, dass Biokunststoffe in der EU bisher nicht unter Einsatz von genetisch modifizierten Organismen hergestellt werden. Dies betrifft lediglich PLA aus US-Produktion: Dieses Produkt ist wie oben erwähnt mit großer Wahrscheinlichkeit aus genetisch modifiziertem Mais hergestellt. Das Endprodukt ist laut Herstellerangaben auch auf Grund des Verarbeitungsprozesses rückstandsfrei und unabhängig durch Dritte zertifiziert.
Grundsätzlich wäre für eine entsprechende Kennzeichnungsregelung die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit gegeben.
Da Kennzeichnungsregelungen für solche Materialien aber auch EU-weit zu harmonisieren sind, müsste eine solche Initiative wohl auch EU-weit erfolgen.
Frage 4:
Die in den Ländern der EU hergestellten Biokunststoffe sind aus den oben angeführten Gründen ohne die Verwendung von genetisch modifizierten Organismen hergestellt. Auf Grund des technologischen Verarbeitungspozesses finden sich auch keine Spuren von Genmaterial im Endprodukt. Eine wie immer geartete gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher/innen durch GVO kann daher ausgeschlossen werden. Es wäre allerdings in Zukunft auch zu prüfen, ob eine für die Umwelt verträgliche Deponierung der diesbezüglichen Abfälle trotz ihrer behaupteten biologischen Abbaubarkeit wirklich gegeben ist.
Derzeit besteht aus unserer Sicht grundsätzlich kein Anlass, eine Selbstverpflichtungsvereinbarung mit der Industrie anzustreben.
Trotzdem könnte, falls dies aus Verbraucherkreisen dringend gewünscht würde, dieses Thema in der zuständigen Codex-Unterkommission „Gebrauchsgegenstände“ zur Diskussion gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andrea Kdolsky
Bundesministerin