4066/AB XXIII. GP

Eingelangt am 10.06.2008
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                        Wien, am       Juni 2008

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0055-I/4/2008

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4080/J vom 10. April 2008 der Abgeordneten Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen betreffend „öffentliches Beschaffungswesen“ beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Einer Beantwortung der gegenständlichen Frage stehen als Verschwiegenheitspflichten die Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG, das verfassungsmäßig gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 2 Datenschutzgesetz und § 23 BVergG 2006 (Geheimhaltungspflichten von Bietern, Bewerbern und Auftraggebern) entgegen.

 

Zu 2. und 7.:

Wie mir die Geschäftsführung der Bundesbeschaffung GesmbH (BBG) mitgeteilt hat, sind 76% der Vertragspartner der BBG Kleinst-, Klein- oder Mittelbetriebe (KMU). Sie erwirtschafteten im Jahr 2007 rund 27% des abgerufenen Volumens. In den acht KMU-relevanten Beschaffungsgruppen gemäß § 2 Abs. 1a des Bundesgesetzes über die Errichtung einer Bundesbeschaffung GmbH, BGBl. I Nr. 39/2001 idgF., sind rund 88% der Vertragspartner KMU und haben einen Umsatzanteil von rund 41%. Die Beschaffungsgruppen Büro- und EDV-Verbrauchsmaterial, Elektrogeräte, Essensbons, Drucksachen und Schulung weisen sogar einen KMU-Anteil von 100% aus.

 

Eine detaillierte Auswertung auf Ebene der Beschaffungsgruppen befindet sich in der Anlage, in welcher Rundungsdifferenzen nicht ausgeglichen wurden.

 

Zu 3. bis 5.:

Die Zuordnung der BBG-Lieferanten in die Kategorien kleinste, kleine, mittlere und große Unternehmen nach Anzahl der Vertragspartner und Abrufwerten ist nachstehender Tabelle zu entnehmen.

 

Klassifizierung

Anzahl

%

Abrufwert in Tausend €

%

Kleinstunternehmen

129

18,8

16.320

2,0

Kleinunternehmen

241

35,1

61.649

7,7

Mittelunternehmen

152

22,2

134.751

16,9

Großunternehmen

164

23,9

587.102

73,4

 

686

100,0

799.822

100,0

 

In Bezug auf die acht KMU-relevanten Beschaffungsgruppen ergibt die Zuordnung zu kleinsten, kleinen, mittleren und großen Unternehmen folgendes Bild:

 

Klassifizierung

Anzahl

%

Abrufwert in Tausend €

%

Kleinstunternehmen

89

24,1

9.740

3,6

Kleinunternehmen

150

40,7

35.908

13,2

Mittelunternehmen

86

23,3

66.215

24,3

Großunternehmen

44

11,9

160.415

58,9

 

369

100,0

272.278

100,0

 


Zu 6.:

Wie mir die Geschäftsführung der BBG mitgeteilt hat, wird die Nutzung des e-Shops der BBG nicht individuell angeboten, sondern muss bereits Inhalt der Ausschreibung sein. Bei allen katalogfähigen Produkten wird die Nutzung des e-Shops grundsätzlich vorgeschrieben.

 

Einer namentlichen Nennung jener Unternehmen, welche den e-Shop der BBG in diesem Sinne nutzen, stehen die bereits zu Frage 1. dargestellten (verfassungs)gesetzlichen Vorgaben entgegen. Die prozentuelle Verteilung der BBG-Vertragspartner betreffend die Nutzung des e-Shops weicht jedoch nur unwesentlich von den Kennzahlen betreffend KMU-Vertragspartner der BBG ab, wie nachstehender Tabelle entnommen werden kann:

 

Klassifizierung

Anzahl im e-Shop

kumuliert

kumuliert in %

Kleinstunternehmen

11

97

72,4

Kleinunternehmen

48

Mittelunternehmen

38

Großunternehmen

37

37

27,6

 

134

134

100

 

Zu 8. und 9.:

Das Beschaffungsvolumen der BBG betrug im Jahr 2007 rund 0,29% des österreichischen Bruttoinlandsprodukts beziehungsweise 0,17% des Gesamtumsatzes österreichischer Unternehmen (siehe Leistungs- und Strukturstatistik der Statistik Austria aus dem Jahr 2006). Da die Nachfrageposition der BBG im Verhältnis zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung äußerst gering ist, haben die Aktivitäten der BBG keine strukturverändernde Wirkung auf die Märkte. Hinsichtlich der in Frage 9. angesprochenen Untersuchungen beziehungsweise Analysen verweise ich auf die von der Wirtschaftskammer Niederösterreich in Auftrag gegebene Studie der KMU-Forschung Austria (Abschätzung der Auswirkungen des zentralen Beschaffungswesens auf österreichische KMU, Wien 2005), deren Ergebnisse bei der Novellierung des BB-GmbH-Gesetzes im Jahr 2006 im Wesentlichen berücksichtigt wurden. In dieser Studie wurden nur 8 von insgesamt 31 Beschaffungsgruppen der BBG als relevant für KMU als Auftragnehmer eingestuft.

 

Wie mir die Geschäftsführung der BBG versichert hat, befindet sich die BBG laufend in einem strukturierten Dialog mit der Wirtschaft, in dem auch die Berücksichtigung der KMU in der öffentlichen Beschaffung einen bedeutenden Stellenwert einnimmt. Die regelmäßigen Treffen mit Vertretern aus der Wirtschaft sind geprägt von gegenseitigem Verständnis für die Aufgaben und Erwartungen der jeweils anderen Seite.

 

Weiters möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf die bedeutende Rolle zentraler Beschaffungsstellen im öffentlichen Beschaffungswesen hinweisen:

 

Einerseits führt die Bündelung der Beschaffung bei zentralen Beschaffungsstellen wie der BBG zu Verbesserungen der Wettbewerbssituation (höhere Transparenz für Bieter), was sich laut Mitteilung der BBG in den sukzessiv steigenden Beteiligungen bei Ausschreibungen zeigt. In diesem Zusammenhang hat mir die BBG beispielsweise berichtet, dass auf Grund des Interesses an einer Ausschreibung der BBG ein internationaler IT-Hersteller bereit war, in Österreich mit Hilfe von lokalen Vertragspartnern ein eigenes Vertriebsnetz aufzubauen. Die durch Beteiligung an BBG-Ausschreibungen gewonnenen Erfahrungen werden nach Mitteilung der BBG von vielen Unternehmen dafür genutzt, auch an Vergabeverfahren anderer öffentlicher Auftraggeber teilzunehmen. Auch die Nutzung elektronischer Kommunikationsplattformen durch die BBG stellt eine wirkungsvolle Know-how-Erweiterung für Klein- und Mittelbetriebe dar und trägt somit ebenfalls zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Bieter bei.

 

Andererseits trägt gebündelte Beschaffung zu erheblichen Einsparungen bei den Einkaufspreisen und – insbesondere bei Verwendung elektronischer Einkaufs- und Katalogsysteme – zur Rationalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens bei. Auch die hohe Vergaberechtssicherheit zeigt sich als wesentlicher Anreiz, sich bei BBG-Ausschreibungen zu beteiligen. Im Jahr 2007 wurden lediglich fünf von 173 BBG-Ausschreibungen vor dem Bundesvergabeamt angefochten, alle fünf Nachprüfungsanträge wurden abgewiesen.

 

Zu 10. bis 12.:

Der in der Frage 10. angeführte § 187 befindet sich im 3. Teil des Bundesvergabegesetzes 2006 („Vergabeverfahren für Sektorenauftraggeber“). Die BBG wird hauptsächlich für die so genannten „klassischen Auftraggeber“ tätig, weshalb in erster Linie die hierfür maßgebliche Parallelbestimmung des § 19 BVergG zur Anwendung gelangt.

 

Wie mir die Geschäftsführung der BBG mitgeteilt hat, folgt die BBG in ihren Ausschreibungen den Vorgaben aus dem EuGH-Erkenntnis „Concordia Bus Finland“, wonach Zuschlagskriterien nicht notwendigerweise rein wirtschaftlicher Art sein müssen. Demnach ist es auch zulässig, bei der Beurteilung des wirtschaftlich günstigsten Angebots Umweltschutzkriterien beziehungsweise soziale Aspekte anzuwenden, sofern diese mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung des Auftrags ausdrücklich genannt sind und das Diskriminierungsverbot beachtet wird. Die Kriterien müssen daher in direktem Zusammenhang mit der nachgefragten Leistung stehen und sich auf diese direkt auswirken.

 

In der BBG ist das Prinzip der Nachhaltigkeit in vielen Bereichen umgesetzt: Eine der Maßnahmen, die in BBG Ausschreibungen gesetzt werden, ist die Umstellung auf eine TCO-Betrachtung („total cost of ownership“), wodurch Produkte mit niedrigem Energieverbrauch bevorzugt werden. Im IT-Bereich wurden durch diese Umstellung Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich erzielt. In Bereichen, in denen Nachhaltigkeit mit höheren Kosten verbunden ist, werden eigene „Öko-Lose“ gebildet, bei denen ein Teil des Auftrags gesondert nach besonders strengen ökologischen Kriterien vergeben wird. Dies wird speziell bei gebündeltem Einkauf über die BBG möglich, da für ein einzelnes Ressort der Aufwand eines eigenen Öko-Loses kaum vertretbar wäre. Mit dieser Strategie hat die BBG beispielsweise beim Stromeinkauf gute Erfahrungen gemacht. Nachstehend einige von der BBG berichtete Beispiele zum Thema Nachhaltigkeit:

 

 

In Bezug auf die Berücksichtigung „sozialer Aspekte“ ist zunächst auf § 84 BVergG 2006 zu verweisen, wonach der Auftraggeber in der Ausschreibung vorzusehen hat, dass die Erstellung des Angebotes durch den Bieter unter Einhaltung der in Österreich geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Dies ist selbstverständlich Anforderung sämtlicher BBG-Ausschreibungen. Die Berücksichtigung verschiedener „sozialer Aspekte“ ist weiters im § 19 Abs. 6 BVergG 2006 als „Kannbestimmung“ aufgenommen. Diese Kriterien dienen nicht primär dem Beschaffungszweck, können jedoch im Vergabeverfahren auswahlentscheidend sein. So sieht die BBG in Ausschreibungen die Berücksichtigung der Frauen- oder Lehrlingsbeschäftigungsquote als Entscheidungskriterium bei Punktegleichstand vor, was in der Praxis auch schon schlagend geworden ist.

 

Zu 13. und 14.:

Selbstverständlich sind mir die Beteiligung von KMU an Ausschreibungen des Bundes beziehungsweise der BBG und die örtliche Nahversorgung ein massives Anliegen. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass Angelegenheiten der Legistik des Bundesvergabegesetzes nicht in meinen, sondern in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzlers fallen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Beilage

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.