4199/AB XXIII. GP
Eingelangt am 26.06.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0102-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 4329/J-NR/2008
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Karlheinz Klement und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „gewalttätige ‚Gangster-Rap’-Texte“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Belange des Jugendschutzes fallen grundsätzlich in die Kompetenz der Bundesländer. Sämtliche Jugendschutzgesetze der Länder enthalten Bestimmungen, nach denen Medien und Datenträger, die kriminelle Handlungen oder Gewaltdarstellungen verherrlichen, die Menschen wegen ihrer Rasse, Hautfarbe, Herkunft, ihres Geschlechtes, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer Behinderung diskriminieren, Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden dürfen.
Zu 2 bis 4:
Belange der (Anti-)Diskriminierung fallen in diesem Zusammenhang (nur insoweit) in meinen Vollziehungsbereich, als darin strafrechtliche Aspekte zu erkennen sind. Selbstverständlich sind Liedtexte mit diskriminierenden, frauenfeindlichen, rassistischen und menschenverachtenden Inhalten im Allgemeinen nicht zu billigen. Genauso bin ich der Ansicht, dass die Beurteilung oder gar die Herabwürdigung eines Menschen aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem Geschlecht oder einer Rasse nicht zu tolerieren sind. Unabhängig vom künstlerischen Gehalt dieser Liedtexte, ist jedoch die in Art. 17a Staatsgrundgesetz verankerte Freiheit der Kunst zu berücksichtigen. Werden aber die Grenzen zu einer Straftat überschritten, findet auch das Grundrecht der Freiheit der Kunst im Spannungsfeld mit strafrechtlichen Belangen seine Schranken.
Die erwähnten Texte können insofern rechtlich relevant sein, als das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) Strafbestimmungen enthält, die das Auffordern zu Gewalthandlungen oder deren Gutheißen unter Strafe stellen. Die Begriffe „menschenverachtend“ und „frauenfeindlich“ sind dem StGB jedoch fremd. Der Begriff „rassistisch“ existiert als besonderer Erschwerungsgrund nach § 33 Z 5 StGB.
Sind die erwähnten Texte auf Datenträgern enthalten, könnte auch ein Verstoß gegen das Mediengesetz vorliegen, dessen zentrales Anliegen es ist, einen Ausgleich zwischen zwei potentiell in Konflikt stehenden Zielen zu schaffen, nämlich dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Medienfreiheit) und dem Persönlichkeitsschutz. Der zentrale Entschädigungstatbestand des Mediengesetzes ist jener der üblen Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und Verleumdung (§ 6). Dieser (an sich zivilrechtliche) Entschädigungstatbestand knüpft daher unmittelbar an strafrechtliche Tatbestände an. Ein weiterer hier relevanter Entschädigungstatbestand könnte die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches nach § 7 Mediengesetz sein.
Zu 5:
Nach den mir vorliegenden Berichten ergaben sich weder aus den Registern der Anklagebehörden noch aus der persönlichen Erinnerung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Hinweise auf Anzeigen im Zusammenhang mit „Gangster-Rap“-Texten. Liedertexte mit gewaltverherrlichenden Passagen waren jedoch in einem Fall Gegenstand einer Anklage wegen § 3g VerbotsG.
Zu 6 bis 13:
Bevor ich auf die folgenden Fragestellungen näher eingehen werde, möchte ich hervorheben, dass Liedtexte, die zu Gewalthandlungen auffordern oder solche gutheißen, keineswegs zu dulden sind.
Das österreichische Strafrecht sieht jedoch schon derzeit die erforderlichen Strafbestimmungen vor, um jene Personen gerichtlich verfolgen zu können, die zu Gewalthandlungen auffordern oder diese gutheißen:
So ist die Aufforderung zu einer mit Strafe bedrohten Handlung in einer öffentlichen Weise bereits jetzt nach § 282 Abs. 1 StGB mit einer Strafdrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe behaftet. Dabei ist nicht erforderlich, dass die strafbedrohte Handlung, zu der aufgefordert wird, individuell bestimmt ist, allerdings muss erkennbar sein, dass zu einer zumindest ihrer Gattung nach bestimmbaren strafbedrohten Handlung aufgefordert wird (Plöchl in WK2, StGB, Rz 5 zu § 282).
§ 282 StGB pönalisiert jedoch nicht nur die Aufforderung zur einer Straftat, sondern auch jede Art von Gutheißung einer Straftat, die geeignet ist, das allgemeine Rechtsempfinden zu empören oder zur Begehung einer solchen Straftat aufzureizen.
Wird öffentlich zu feindseligen Handlungen gegen eine Religionsgesellschaft oder gegen Gruppen, die einer bestimmten Rasse, Volk oder Staat zugehören, aufgefordert oder aufgereizt, kann auch der Tatbestand der Verhetzung (§ 283 StGB) verwirklicht sein. Nach dieser Bestimmung ist auch derjenige zu bestrafen, der gegen eine solche Gruppe hetzt, sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.
Strafbar macht sich jedoch nicht nur derjenige, der die Straftat unmittelbar begeht, also solche Texte produziert oder darbietet, sondern auch jeder, der sich daran beteiligt, also dem Täter beispielsweise den Zugang zur breiten Öffentlichkeit ermöglicht (§ 12 f StGB).
Darüber hinaus kommt einem in mehreren Kopien hergestellten, zur öffentlichen Verbreitung bestimmten Datenträger die Eigenschaft eines Medienwerkes und damit den einzelnen Kopien der Charakter von Medienstücken iSd § 1 Abs. 1 Z 3 MedienG zu. Wird durch die Verbreitung eines solchen Medienstückes – auch im Internet – ein strafrechtlich relevanter Tatbestand (s. oben) erfüllt, kann im Strafurteil wegen eines Medieninhaltsdeliktes auf Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke oder auf Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website erkannt werden. Auf Einziehung bzw. Löschung kann auch in einem selbständigen Verfahren erkannt werden, wenn in einem Medium der objektive Tatbestand einer strafbaren Handlung verwirklicht worden ist und die Verfolgung einer bestimmten Person nicht möglich ist (§ 33 Abs. 1 und 2 MedienG).
Ist anzunehmen, dass auf Einziehung nach § 33 MedienG erkannt werden wird, kann das Gericht die Beschlagnahme der zur Verbreitung bestimmten Stücke eines Medienwerkes oder die Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website anordnen. Dies setzt jedoch voraus, dass ein Strafverfahren oder ein selbständiges Verfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts geführt oder zugleich eingeleitet wird (§ 36 Abs. 1 und 2 MedienG).
Für die Dauer der Beschlagnahme sind die weitere Verbreitung der Medienstücke in einer Form, in der der strafbare Inhalt wahrnehmbar ist, und die neuerliche Veröffentlichung der den Verdacht einer strafbaren Handlung begründenden Stelle oder Darbietung verboten (§ 38 Abs. 1 MedienG). Ein Zuwiderhandeln gegen dieses Verbot kann mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft werden (§ 38 Abs. 2 MedienG).
Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz ist daher der von derartigen „Gangster-Rap-Liedern“ allenfalls tangierte straf- (als auch zivil-) rechtliche Bereich bereits in ausreichendem Maße abgedeckt. Eine unmittelbare Notwendigkeit zur Ergreifung legislativer Maßnahmen erscheint dementsprechend derzeit nicht gegeben. Andere als notwendig erachtete Maßnahmen, wie zB. ein übergreifendes Verbot – auch des Vertriebes – von Datenträgern mit sog. „Gangster-Rap-Liedern“, hätten in einer verwaltungsrechtlichen und damit nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz fallenden Regelung zu erfolgen, sei es in der Gewerbeordnung 1994, im Telekommunikationsgesetz 2003 (für den Missbrauch von „Endgeräten“) oder eben in Jugendschutzbestimmungen der Länder.
Zu 14:
Ich darf dazu auf die Beantwortung der Frau Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst zur Zl. NR 4338/J-NR/2008 verweisen.
Zu 15:
Durch das angesprochene „Happy Slapping“, worunter grundsätzlich eine willkürliche und ohne erkennbaren Grund ausgeführte Gewalt gegenüber überraschten und/oder wehrlosen Personen verstanden wird, wird zumeist der Straftatbestand der Körperverletzung (§§ 83 ff StGB), der Nötigung (§§ 105 f StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB) sowie allenfalls der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 StGB) erfüllt. Das am häufigsten durch „Happy Slapping“ verwirklichte Delikt ist jenes der Körperverletzung. Bereits durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 wurde mit § 84 Abs. 3 StGB ein qualifiziertes Körperverletzungsdelikt eingeführt. Nach dieser Bestimmung, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist, macht sich strafbar, wer mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begeht. Durch diesen Tatbestand soll ein brutales Rowdytum strafrechtlich erfasst und daher höher bestraft werden.
Je nach Ausgestaltung der Tat kann das sogenannte „Happy Slapping“ auch einen Erschwerungsgrund nach § 33 StGB begründen; ein derart motiviertes strafbares Verhalten findet in einem solchen Fall gegebenenfalls eine entsprechende Berücksichtigung bei der im Einzelfall vorzunehmenden Strafbemessung.
Was Schutzmaßnahmen zugunsten der Opfer betrifft, so ist auf die in § 66 Abs. 2 StPO geregelte Prozessbegleitung sowie auf die schonende Vernehmung gemäß § 165 StPO hinzuweisen.
Die Verbreitung der bei „Happy Slapping“ angefertigten Bildaufnahmen kann auch zivilrechtliche Ansprüche des oder der Geschädigten begründen. Diese sehen unter anderem Maßnahmen gegen die Veröffentlichung derartiger Videos vor. Dabei ist insbesondere auf die Regelungen des Bildnisschutzes nach den §§ 78 ff UrhG (Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch) und die Bestimmungen über den Schadenersatz nach den §§ 1295 ff, 1328a ABGB hinzuweisen. Soweit die Verbreitung in einem Medium erfolgt (zB Website), wird auch der Entschädigungstatbestand des § 7 MedienG zur Anwendung kommen können, der eine Entschädigung bis zu 20.000 Euro vorsieht.
Die erwähnten Rechtsnormen bieten somit eine ausreichende Handhabe gegen das Phänomen „Happy Slapping“, sodass insgesamt betrachtet derzeit ein darüber hin-ausgehender gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht besteht.
. Juni 2008
(Dr. Maria Berger)