4261/AB XXIII. GP

Eingelangt am 03.07.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0087-Pr 1/2008

 

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4219/J-NR/2008

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Heribert Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Vorlage von Akten an den Untersuchungsausschuss“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Dem Bundesministerium für Justiz wurde mit Note der Parlamentsdirektion vom 17. März 2008, GZ 13577.00020/2-L1.3/2008, mitgeteilt, dass der vom Nationalrat eingesetzte Untersuchungsausschuss „hinsichtlich Amtsführung im Bundesministerium für Inneres und weiteren Bundesministerien“ in seiner zweiten Sitzung vom 14. März 2008 gemäß § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse die Anforderung von Beweismitteln beschlossen hat.

Das Bundesministerium für Justiz wurde um möglichst umgehende Vorlage der im Folgenden näher dargelegten Beweismittel ersucht. Als spätester Vorlagetermin wurde vom Untersuchungsausschuss der 3. April 2008, 14.00 Uhr, beschlossen. In den anfragerelevanten Punkten lautete der Beschluss zur Anforderung von Beweismitteln wie folgt:

„41. Sämtliche Akten, Dokumente, Aktenvermerke, Entscheidungen, schriftliche Weisungen, Sprechzettel, Erlässe, Berichte, Korrespondenzen (inkl. intra- und interministeriellem und elektronischem Schriftverkehr), die Tagebücher der zuständigen Staatsanwaltschaften und sonstige Unterlagen im Zusammenhang mit dem Fall Kampusch.“

„44. Sämtliche Akten, Dokumente Aktenvermerke, Entscheidungen, schriftliche Weisungen, Sprechzettel, Erlässe, Berichte, Korrespondenzen (inkl. intra- und interministeriellem und elektronischem Schriftverkehr), die Tagebücher der zuständigen Staatsanwaltschaften und sonstige Unterlagen im Zusammenhang mit der Strafsache Kampusch.“

In dieser Note der Parlamentsdirektion wurde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Parlamentsdirektion zur verstärkten Sicherung der von den öffentlichen Ämtern für Untersuchungsausschüsse vorgelegten Akten (Art. 53 Abs. 3 B-VG, § 25 VO-UA) Verschlusssachen-Stufen - und zwar „vertraulich“ und „geheim“ - eingeführt hat, und welche Maßnahmen jeweils für diese Verschlusssachen-Stufen im Einzelnen zur Sicherstellung der Vertraulichkeit von der Parlamentsdirektion ergriffen werden. Das Bundesministerium für Justiz wurde daher ersucht, eine Klassifizierung und gegebenenfalls Kennzeichnung der vorzulegenden Akten nach diesen Verschlusssachen-Stufen zu veranlassen und bei der Übermittlung bekannt zu geben.

Im Hinblick darauf, dass im Beschluss über die Anforderung von Beweismitteln alle erdenklichen Träger von Informationen aufgezählt wurden und ein besonderes System zur Sicherung der Vertraulichkeit eingerichtet worden war, war daher davon auszugehen, dass der Untersuchungsausschuss alle Unterlagen im vorliegenden Zusammenhang vorgelegt haben will.

Im Bundesministerium für Justiz hat der Leiter der Präsidialsektion am 18. März 2008 eine Koordinationssitzung abgehalten, zu der die Leiter aller Sektionen und der Stabsstelle Strafvollzug eingeladen worden waren. Mit Erlass vom 18. März 2008, BMJ-Pr2235/0004-Pr 1/2008, an die Frau Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, die Generalprokuratur, die Herrn Präsidenten der Oberlandesgerichte und die Oberstaatsanwaltschaften wurden die Gerichte und Staatsanwaltschaften vom Beschluss über die Anforderung von Beweismitteln in Kenntnis gesetzt. In diesem Erlass wurde ausgeführt, dass - soweit von der Aktenanforderung Gerichtsakten (mit Ausnahme der Justizverwaltungssachen) betroffen sind - die Aktenübermittlung eine Angelegenheit der Rechtsprechung darstellt, über die das jeweilige Gericht zu entscheiden hat. Dementsprechend hatte die Aktenübermittlung vom jeweiligen Gericht unmittelbar (ohne Einhaltung des Dienstweges) an die Parlamentsdirektion zu erfolgen. Klargestellt wurde im Erlass, dass unter Gerichtsakten im gegebenen Zusammenhang auch Rechtsmittelakten zu verstehen sind. Soweit von der Aktenanforderung Justizverwaltungsakten der Gerichte betroffen sind, wurde ersucht, diese Akten dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes vorzulegen, der die Weiterleitung unmittelbar an die Parlamentsdirektion zu veranlassen hat.

Im Hinblick auf die vom Untersuchungsausschuss vorgegebene kurze Frist für die Aktenvorlage wurde ersucht, dass von der Aktenanforderung betroffene Tagebücher und Justizverwaltungsakten der Staatsanwaltschaften der jeweiligen Oberstaatsanwaltschaft vorzulegen sind, die die Weiterleitung dieser Akten sowie auch die Vorlage der Akten der Oberstaatsanwaltschaft (einschließlich deren Tagebücher) unmittelbar an die Parlamentsdirektion zu veranlassen hat. Gleichermaßen wurde die Generalprokuratur ersucht, die Übermittlung ihrer Akten unmittelbar zu veranlassen.

Im Bundesministerium für Justiz (Zentralstelle) wurden sodann jene Akten ermittelt, die vom Auftrag des Untersuchungsausschusses und von der Beweismittelanforderung erfasst sind, eine Klassifikation nach den vorgegebenen Geheimhaltungs-Stufen vorgenommen und eine zusammengefasste Vorlage der Akten aller betroffenen Sektionen am 3. April 2008 veranlasst. Die Akten wurden in Kartons verschlossen, welche mit Aufklebern versehen waren, aus denen die jeweiligen Aktenzeichen und die Geheimhaltungsstufen ersichtlich waren.

Die vom Bundesministerium für Justiz zu den eingangs angeführten Beweismittelanforderungsnummern der Parlamentsdirektion übermittelten Akten enthielten Berichte der Staatsanwaltschaften und deren Bearbeitung im Bundesministerium für Justiz. Sie enthielten keine Protokolle über Befragungen oder sonstige veröffentlichte Aktenbestandteile. Nach einem mir vorliegenden Bericht, den ich dieser Anfragebeantwortung als Beilage in Ablichtung anschließe, hat das Landesgericht für Strafsachen Wien das Protokoll über die Befragung der Natascha Kampusch eben aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht der Parlamentsdirektion vorgelegt und auf diesen Umstand in einer Note ausdrücklich hingewiesen.

Da durch die Veröffentlichung von Informationen, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, im vorliegenden Zusammenhang der Verdacht gerichtlich strafbarer Handlungen besteht, ist bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg ein Ermittlungsverfahren anhängig. In diesem Verfahren werden alle indizierten Ermittlungsmaßnahmen ergriffen werden, um festzustellen, wann, wie und von wem diese Informationen weitergegeben worden sind.

Ich bedaure die Rechtsverletzung, die durch die missbräuchliche Weitergabe geschützter Informationen – durch wen auch immer – erfolgt ist. Den Schutz von Verfahrensbeteiligten vor Indiskretionen erachte ich für eine der großen Herausforderungen an den Rechtsstaat.

 

. Juli 2008

 

(Dr. Maria Berger)