4310/AB XXIII. GP

Eingelangt am 04.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für europäische und internationale Angelegenheiten

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen haben am
8. Mai 2008 unter der Zl. 4283/J-NR/2008 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend „ungelöste Kurdenfrage als einer von vielen Stolpersteinen und Hürden der Türkei
auf dem Weg in die Europäische Union“ gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Einleitend halte ich fest, dass ich den politischen und wirtschaftlichen Reformprozess in der
Türkei unterstütze und für eine möglichst enge Zusammenarbeit der EU mit diesem wichtigen
Partnerland eintrete.

Ich habe jedoch gleichzeitig immer klar gestellt, dass für mich derzeit eine maßgeschneiderte
türkisch-europäische Gemeinschaft das Ziel der Verhandlungen der EU mit der Türkei sein
sollte. Aus diesem Grund habe ich auf EU-Ebene durchgesetzt, dass die 2005
aufgenommenen Verhandlungen jedenfalls ergebnisoffen geführt werden. Diese Position
bekräftigt auch das Regierungsprogramm.

Zu Frage 1:

Die Verhandlungen mit der Türkei werden ergebnisoffen geführt. Darüber hinaus gelten für
die Türkei dieselben Kriterien wie für alle anderen Beitrittskandidaten.

 

 

Das heißt, dass die Verhandlungen nur dann in einen Beitritt münden können, wenn alle

Kopenhagener Kriterien erfüllt und umgesetzt sind, was bei der Türkei trotz mancher

Fortschritte derzeit auch bei den politischen Kriterien nicht der Fall ist. Dazu gehört auch die
vollständige Respektierung der Menschenrechte der Kurden.

Zu den Fragen 2 und 3:

Wie jeder Staat hat die Türkei das Recht, sich vor Terrorismus zu schützen. Dies hat unter
Wahrung der Verhältnismäßigkeit und Einhaltung menschenrechtlicher und völkerrechtlicher
Normen zu erfolgen.

Die Türkei hat eine Reihe von bilateralen Abkommen mit dem Irak abgeschlossen, die eine
Verfolgung der PKK auf irakischem Territorium möglich machen. Die Souveränität und
territoriale Integrität des Irak sind in jedem Fall zu respektieren.

Zu Frage 4:

Die Frage des Verbotsverfahrens gegen die AKP ist eine innertürkische Frage, die auf der
Grundlage der türkischen Rechtsordnung und unter Beachtung der einschlägigen
völkerrechtlichen Regeln — insbesondere der Europäischen Menschenrechtskonvention /
EMRK - zu lösen ist.

Zu Frage 5:

Die Novellierung des Paragraphen 301 des türkischen Strafgesetzbuches ist eine positive
Entwicklung, die von Vertretern der Europäischen Union begrüßt wurde. Entscheidend wird
aber sein, wie die neue Rechtslage in der Praxis angewendet wird. Nachdem die Novelle erst
am 30. April 2008 vom türkischen Parlament beschlossen wurde, ist es für eine Beurteilung
noch zu früh.

 

Zu Frage 6:

Die seit 1963 abgeriegelte Ledra-Straße konnte am 3. April 2008 nach jahrelangen intensiven
Bemühungen für den zivilen Übergang zwischen dem griechischen und türkischen Stadtteil
von Nikosia geöffnet werden. Nach den meinem Ressort vorliegenden Informationen kam es
am Tag der Öffnung zu einem Zwischenfall, als ein in der Pufferzone gelegener Bereich von
türkischen Organen regelwidrig betreten wurde.

Nach Vermittlung der Vereinten Nationen wurde der Übergang nach einer etwa
zweistündigen Unterbrechung jedoch wieder eröffnet. Seitdem ist offenbar ein reibungsloser
Betrieb des Fußgängerüberganges gegeben.

Die Öffnung der Ledra-Straße mag ein kleiner Schritt sein, ist aber von großer symbolischer
Bedeutung für den erneuerten Verhandlungsprozess zwischen den beiden Volksgruppen unter
der Ägide der Vereinten Nationen. Österreich und die EU unterstützen diese Bemühungen.
Das gemeinsame Ziel ist eine nachhaltige Lösung, die von beiden Volksgruppen als fair und
gerecht akzeptiert wird.

Zu den Fragen 7 und 8:

Es ist im Interesse der Europäischen Union, dass die türkische Regierung ihren Reformweg
weiter fortsetzt. Kritik seitens der EU darf dabei keine Begründung dafür sein,
Reformvorhaben nicht weiter zu verfolgen. Im Fall der Türkei ist es ganz klar, dass ein
ergebnisoffener Verhandlungsprozess aufgenommen wurde, der nicht zwingend zum
Vollbeitritt führt.

 

Zu Frage 9:

Die ehemalige Parlamentsabgeordnete Leyla Zana wurde im April 2008 wegen „Propaganda
für eine verbotene Organisation" in Diyarbakir zu zwei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist
nicht rechtskräftig, Frau Zana hat gegen das Urteil berufen.

Österreich und die EU verfolgen das laufende Verfahren im Hinblick auf die Einhaltung
internationaler Menschenrechtsstandards genau

Zu Frage 10:

Der Verhandlungsrahmen für die Türkei sieht vor, dass „die Verhandlungen ein Prozess mit
offenem Ende (sind), dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt". Damit ist
verbindlich festgelegt, dass auch die Möglichkeit einer maßgeschneiderten Form der
Anbindung der Türkei an Europa besteht. Zudem ist nicht zuletzt auf mein persönliches
Betreiben die Aufnahmefähigkeit der EU als eine der Beitrittsbedingungen im
Verhandlungsrahmen verankert worden.