4392/AB XXIII. GP
Eingelangt am 15.07.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0106-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 4360/J-NR/2008
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Justiz-Ombudsstellen“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Die seit Anfang November 2007 bei den vier Oberlandesgerichten Wien, Graz, Linz und Innsbruck eingerichteten Justiz-Ombudsstellen wurden im Zeitraum 1. November 2007 bis 30. April 2008 in insgesamt 3727 Fällen wie folgt kontaktiert:
- Justiz-Ombudsstelle Wien: 1916 Kontakte
- Justiz-Ombudsstelle Graz: 584 Kontakte
- Justiz-Ombudsstelle Linz: 945 Kontakte
- Justiz-Ombudsstelle Innsbruck: 282 Kontakte.
Bis Ende April waren davon 3689 Fälle erledigt, lediglich 38 Fälle waren nicht erledigt. Die Erledigung erfolgt im Schnitt innerhalb von 2 Wochen.
Zu 2:
Die meisten Eingaben haben Fragen der Rechtsprechung und Auskunftserteilung zu Gerichtsverfahren betroffen.
Zu 3:
Eine lange Verfahrensdauer wurde in 283 Fällen als Beschwerdegrund angeführt.
Zu 4:
Das Verhalten von Gerichtsbediensteten wurde in 308 Fällen als Beschwerdegrund angeführt.
Zu 5:
Sinn und Zweck der Justiz-Ombudsstelle ist es, Beschwerden rasch, unbürokratisch und ohne Behinderung des laufenden Dienstbetriebes nachzugehen. Es zählt daher auch zu den Aufgaben der Justiz-Ombudsstellen, bei Beschwerden über das Verhalten von Gerichtsbediensteten Kontakt mit den davon betroffenen Personen aufzunehmen. Das schließt Rücksprachen mit den zuständigen Richterinnen und Richtern ein. Gerade bei Beschwerden über eine unfreundliche bzw. ungerechte Behandlung sollen die Justiz-Ombudsstellen Schritte zur Bereinigung von Konflikten unternehmen und im Bedarfsfall als Vermittler fungieren und direkte Gespräche zwischen den Beteiligten herbeiführen. Dabei haben sich die Justiz-Ombudsstellen jedweder Einflussnahme auf Akte der unabhängigen Rechtsprechung zu enthalten und schon den Anschein einer solchen zu vermeiden.
Zu 6:
Kontaktaufnahmen mit Gerichtsbediensteten bei Beschwerden über deren Verhalten erfolgten bisher in 129 Fällen.
Zu 7:
Die Einschreitenden erhalten grundsätzlich Auskunft über jene Schritte, die in ihrem Fall gesetzt wurden oder – unter Darlegung der Gründe – nicht gesetzt werden konnten. Dazu sind zwei Beispiele in anonymisierter Form angeführt:
- Beispiel 1:
Telefonische Anfrage von N.N. vom 28.11.2007 wegen Verlegung einer Verhandlung am 4.12.2007, weil um 14.00 Uhr die Matura der Tochter sei, die als Zeugin geladen wurde. Die Leiterin der Justiz-Ombudsstelle erwirkte beim zuständigen Richter des Landesgerichtes eine Verlegung der Verhandlung.
Am 30.11.2007 verständigte die Justiz-Ombudsstelle N.N. telefonisch von der Verlegung.
- Beispiel 2:
Mail von N.N. vom 14.2.2008: N.N. beschwert sich, dass Exekutionsakt nicht auffindbar ist und seine Anträge deshalb nicht behandelt werden. Justiz-Ombudsstelle kontaktiert am 14.2.2008 sämtliche Stellen, bei denen sich der Akt befinden könnte. Der Akt wird noch am selben Tag aufgefunden.
Mitteilung an N.N. am 15.2.2008.
Zu 8:
Die Leitung der Justiz-Ombudsstellen erfolgt durch den für die Innere Revision der Gerichte verantwortlichen Leitenden Visitator als Senatspräsident bzw. durch die Leitende Visitatorin als Senatspräsidentin des jeweiligen Oberlandesgerichtes. Sie haben diese zusätzliche Aufgabe freiwillig übernommen, wobei ihnen zugesichert wurde, dass es sich um eine interimistische Lösung handelt.
Abgesehen davon ist in den Justiz-Ombudsstellen noch folgendes Personal eingesetzt:
- Bei der Justiz-Ombudsstelle Wien: 1 VZK (Vollzeitkraft) R1, 1 VZK v3 sowie 0,60 VZK R1 und 1 VZK v3 für die Sprechtage;
- Bei der Justiz-Ombudsstelle Graz: 1 RichteramtsanwärterIn (im monatli- chen Wechsel) sowie 0,15 VZK R1 für die Sprechtage
- Bei der Justiz-Ombudsstelle Linz: 0,25 VZK A2/4 und 0,25 VZK v3 so- wie 0,3 VZK R1 für die Sprechtage;
- Bei der Justiz-Ombudsstelle Innsbruck: 0,1 VZK R1, 1,0 VZK A2/4 und zeit- weise 1 RichteramtsanwärterIn so wie 0,1 VZK für die Sprechtage.
Zu 9:
Durch die Einrichtung eines professionellen und kundenfreundlichen Beschwerdewesens haben die Oberlandesgerichte eine neue Aufgabe übernommen. Die vorhandene personelle Ausstattung der Justiz-Ombudsstellen ist derzeit noch nicht ausreichend. Die Justiz-Ombudsstellen werden derzeit von der Leiterin und den Leitern der Inneren Revision mitbetreut. Zur dauerhaften Sicherung des hohen Qualitätsniveaus und zur Sicherung der Nachhaltigkeit dieser neuen Beschwerdeeinrichtungen ist eine zusätzliche personelle Ausstattung unabdingbar.
Die Bürgerinnen und Bürger hinterfragen bei Inanspruchnahme der Justiz-Ombudsstellen immer wieder, wer ihre Anliegen bearbeitet. Zudem belegen die vorliegenden Anfallszahlen die anhaltend gute Aufnahme der Justiz-Ombudsstellen bei der Bevölkerung. Das beruht darauf, dass die Justiz-Ombudsstellen sichtlich dem äußerst hohen Bedarf der Bevölkerung an qualifizierten Personen als Ansprechpartnern nachkommen und die Ersuchen der Einschreitenden umfassend, kompetent und rasch geprüft werden. Es ist daher wichtig, dass die Justiz-Ombudsstellen angemessen hochrangig bei den Oberlandesgerichten angesiedelt sind und von erfahrenen Richterinnen und Richtern des Oberlandesgerichtes geführt und betreut werden. Es werden daher für den Betrieb dieser hervorragend eingeführten Serviceeinrichtung bundesweit zusätzliche R2-Planstellen sowie Planstellen von qualifiziertem Fachpersonal erforderlich sein.
Zur personellen Ausstattung der Justiz-Ombudsstellen wurden bereits sehr konstruktive interministerielle Vorgespräche zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Justiz im Hinblick auf den nächsten Stellenplan für den Planstellenbereich ‚Justizbehörden in den Ländern’ geführt.
Zu 10:
Die Halbjahresbilanz hat deutlich gemacht, dass die Justiz-Ombudsstellen dem Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach einer justizinternen Beschwerdestelle nachkommen. Diese bei den vier Oberlandesgerichten dezentralen Einrichtungen entsprechen zugleich den Anforderungen, die an eine justizinterne Stelle zur präventiven Abstellung von Missständen in der Gerichtsbarkeit gestellt werden. Sie bieten den Einzelnen Gewähr, dass ihren Beschwerden tatsächlich in rascher und unbürokratischer Weise nachgegangen wird, sie leisten aufklärende und mediative Arbeit und sie verfügen gegenüber allen Justizbediensteten einschließlich Richterinnen und Richtern über die notwendige Autorität, um Vorbringen nachzugehen und Beschwerden gegebenenfalls zu bereinigen. Die Organisation ist so gewählt, dass die Trennung von Justiz und Verwaltung nicht in Frage gestellt wird. Bereits im Dezember 2007 hielten nach einer Studie der IFES GmbH 80% der Befragten die Einrichtung der Justiz-Ombudsstellen für eine gute Sache. Die Justiz-Ombudsstellen haben sowohl bei Beschwerdeführern als auch bei Justizmitarbeitern guten Anklang gefunden.
Zu 11:
Es hat sich gezeigt, dass tatsächlichen oder behaupteten Missständen in der Justiz am besten und schnellsten vor Ort von Richterinnen und Richtern nachgegangen werden kann, die den Betrieb kennen, die erforderlichen Aufklärungen geben und die oft nötige mediative Arbeit leisten. Die Justiz-Ombudsstellen können bei der Behandlung der Beschwerden ihr internes Know-how nützen und verfügen zugleich gegenüber allen Justizbediensteten über die notwendige Akzeptanz und Autorität zur möglichen Bereinigung der an sie herangetragenen Beschwerden. Die durchschnittliche Erledigungsdauer von vierzehn Tagen entspricht der Vorgabe einer raschen und unbürokratischen Beschwerdebehandlung.
Die Justiz-Ombudsstellen als effiziente Beschwerdestellen im Bereich der Gerichtsbarkeit ergänzen damit die in der Verfassung auch nach den mit BGBl. I Nr. 2/2008 eingeführten Änderungen hauptsächlich als unabhängige Kontrollinstanz der Verwaltung vorgesehene Einrichtung der Volksanwaltschaft.
. Juli 2008
(Dr. Maria Berger)