4433/AB XXIII. GP

Eingelangt am 18.07.2008
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                          Wien, am       Juli 2008

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0077-I/4/2008

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4377/J vom 19. Mai 2008 der Abgeordneten Bettina Hradecsni, Kolleginnen und Kollegen, betreffend nachhaltige und sozial verantwortliche Beschaffung, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. bis 4.,  8. und 9.:

Zu diesen Fragen verweise ich auf die beigelegte Stellungnahme der Bundesbeschaffungs GmbH.

 

Zu 5. bis 7.:

Ich verweise auf die Beantwortung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend die parlamentarische Anfrage 4374/J.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Mag. Wilhelm Molterer eh.

Beilage


Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 4377/J

Zu Frage 1: 

Das österreichische Bundesvergabegesetz ermöglicht in §19 (5) und (6) die Berücksichti­gung ökologischer und sozialer Aspekte im öffentlichen Einkauf. Es folgt damit dem EuGH-Erkenntnis Concordia Bus Finland, wonach Zuschlagskriterien nicht notwendigerweise rein wirtschaftlicher Art sein müssen. Demnach ist es auch zulässig, bei der Beurteilung des wirt­schaftlich günstigsten Angebots Umweltschutzkriterien bzw. soziale Aspekte anzuwenden, sofern diese mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, dem Auf­traggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen, im Leistungsverzeichnis oder der Be­kanntmachung des Auftrags ausdrücklich genannt sind und bei ihnen das Diskriminierungs­verbot beachtet wird. Die Kriterien müssen daher in direkten Zusammenhang mit der nach­gefragten Leistung stehen und sich auf diese direkt auswirken.

Im Rahmen dieser Vorgaben hat die Bundesbeschaffung das Prinzip der Nachhaltigkeit schon in vielen Bereichen verwirklicht und auch regelmäßig soziale und ethische Aspekte bei ihren Beschaffungen berücksichtigt.

In den meisten Fällen sind ökologisch bessere Produkte auch ökonomisch überlegen. Wenn beim Einkauf nicht nur die Anschaffungskosten, sondern die gesamten Lebenszyklus-Kosten betrachtet werden, dann sind beispielsweise Produkte mit niedrigem Energieverbrauch im Vorteil. Die Bundesbeschaffung ist deshalb dabei, den Einkauf in allen Bereichen auf eine TCO-Betrachtung („total cost of ownership“) umzustellen. Im IT-Bereich wurden durch diese Umstellung Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich erzielt.

In den Bereichen, in denen ökologischer Einkauf mit höheren Kosten verbunden ist, versucht die BBG in ihrer Rolle als zentraler Einkäufer der Republik, das Bewusstsein für eine nach­haltige Einkaufspolitik zu wecken. Das geschieht zum Beispiel durch eigene „Öko-Lose“, bei denen ein Teil des Auftrags gesondert nach besonders strengen ökologischen Kriterien ver­geben wird. Ressorts, denen die umweltfreundlicheren Produkte mehr wert sind, können daraus abrufen. Diese Möglichkeit gibt es nur durch den gemeinsamen Einkauf über die Bundesbeschaffung, denn für ein einzelnes Ressort wäre der Aufwand eines eigenen Öko-Loses nicht vertretbar. Mit dieser Strategie hat die BBG beispielsweise beim Stromein­kauf gute Erfahrungen gemacht.

Auch wurden mehrere Vergabeverfahren unter dem primären Aspekt der Umweltgerechtig­keit durchgeführt – so wurden allein 2007 mehrere Ausschreibungsprojekte betreffend alter­nativebetriebene Kraftfahrzeuge erfolgreich umgesetzt. Die Verwaltung kann frei wählen, ob sie aus den konventionellen Verträgen abzurufen oder den Schritt zu einem modernen Alter­nativantrieb (Erdgas-, Bioethanol- und Hybrid-Autos) wagen. Die BBG schafft Möglichkeiten.

Die Nachfrageposition der Bundesbeschaffung reicht nicht aus, Märkte zu verändern. Die Einkaufsexperten der Bundesbeschaffung investieren aber viel Zeit in die Beobachtung al­ternativer Technologien. Sobald diese – wie im Fall der Alternativantriebe – marktreif sind, wird die BBG aktiv.

Gemeinsam mit dem Umweltministerium arbeitet man in der Bundesbeschaffung derzeit auch an ökologischen Leitsätzen für den Einkauf. In einer dreijährigen Pilotphase werden für besonders sensible Bereiche Grundsätze entwickelt, die dann Bestandteil der Ausschrei­bungsunterlagen werden. Umfasst sind derzeit die Bereiche Papier, Reinigung, Fuhrpark, elektronische Geräte/IT sowie Energie. In diese Definitionsphase sind sowohl die Wirtschaft als auch die Kunden eingebunden, um nicht Kriterien zu entwickeln, die am Markt oder den Bedürfnissen vorbeigehen.

In weiterer Folge ein paar Beispiele zum Thema Nachhaltigkeit:

ð   Bei Elektrogeräten und -komponenten werden fast ausschließlich Geräte der stromspa­renden Güteklasse A beschafft. Weiters wird die Beschaffung von Energiesparlampen sowie Sonderkonditionen für den Umtausch von Altgeräten gegen energiesparende Neu­geräte forciert.

ð   Bei Ausschreibungen von IT-Hardware wird der Stromverbrauch im Rahmen einer Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung bewertet, „Energy-Star“ wird als Muss-Kriterium definiert. Zusätzliche Umwelt-Zertifizierungen wie z.B. der „Blaue Engel“ werden mit Bonuspunkten bedacht, Thin-Clients (besonders stromsparende Arbeitsplatzgeräte) ausgeschrieben. Si­cherheitsdatenblätter gegen Feinstaub sind Muss-Kriterium bei Druckerausschreibungen. Bei den Bildschirmen brachte die Umstellung von konventionellen Röhrenmonitoren zu TFT-Schirmen eine rund 70%ige Stromersparnis

ð   Allen Fahrzeugausschreibungen der BBG liegt eine TCO-Betrachtung zugrunde, die Vor­teile für spritsparende und damit weniger CO2 emittierende Kraftfahrzeuge mit sich bringt. Weiters wurden 2007 Rahmenvereinbarungen für die Beschaffung von alternativ betrie­benen Kraftfahrzeugen (Erdgas-, Bioethanol- und Hybridfahrzeuge) abgeschlossen.

ð   Bei der Papierbeschaffung schreibt die Bundesbeschaffung seit langem ausschließlich TCF-Papier (totally chlorin free/total chlorfrei) aus. Vor Kurzem wurde mit dem Instrument Paper Profile der Fokus auch auf andere Öko-Kriterien bei der Papierbeschaffung gelegt.

ð   Bei der Energiebeschaffung wird der Anteil erneuerbarer Energieträger bei der Bestbie­terermittlung berücksichtigt. Weiters wurde ein Teillos für grünen Strom ausgeschrieben.

Bezüglich ethischer und sozialer Kriterien:

Die Erstellung des Angebotes durch den Bieter hat gemäß § 84 BVergG 2006 unter Einhal­tung der in Österreich geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften zu erfolgen. Auch verpflichtet sich der Bieter, bei der Durchführung des Auftrages in Österreich diese Vorschrif­ten einzuhalten. Die Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften ist selbstver­ständlich Anforderung sämtlicher BBG-Ausschreibungen.

Der BBG stehen verschiedene Möglichkeiten im Vergabeverfahren zur Verfügung, „vergabe­fremde Kriterien“ wie soziale Aspekte zu berücksichtigen. Diese Kriterien dienen nicht primär dem Beschaffungszweck, können aber als nicht verpflichtende Bestimmungen im Vergabe­verfahren auswahlentscheidend sein.

Die Bundesbeschaffung sieht in ihren Mustern die Berücksichtigung sozialer Aspekte wie die Frauen- oder Lehrlingsbeschäftigungsquote als Entscheidungskriterium bei Punktegleichstand vor. Diesbezüglich kann die BBG beispielsweise auf eine Werbeagenturausschreibung verweisen, wo die Frauenbeschäftigungsquote den Ausschlag in einem Vergabeverfahren gegeben hat.

Zu Frage 2:

Die Bundesbeschaffung nimmt bei allen Papier-Ausschreibungen auf das Tragen des FSC-Zeichens Rücksicht. Jeder Papier-Ausschreibung legt die Bundesbeschaffung das entsprechende Umweltleistungsblatt zugrunde, das auf dem Paper-Profile-System beruht und mit dem BMLFUW und verschiedenen Umweltorganisationen (zB Umweltberatung) ab­gestimmt ist. Darin sind neben Kriterien zu Abwasser- und Luftemissionen und zur einge­setzten elektrischen Energie auch Kriterien bezüglich ökologischer Waldbewirtschaftung vor­geschrieben. Zugelassene Zertifizierungssysteme zum Nachweis nachhaltig bewirtschafteter Wälder sind FSC (Forest Stewardship Council A.C.) und PEFC (Pan-European-Forest-Certification).

Im Bereich der Möbelproduzenten hat das FSC-Zertifikat leider noch keine ausreichende Verbreitung gefunden, um es Ausschreibungen zugrunde legen zu können. Laut Angaben des WWF gibt es in Österreich keinen einzigen Möbellieferanten, der bei seinen Produkten die Verwendung von FSC-zertifizierten Hölzern ausweist. Selbst in Deutschland sind erst fünf Prozent der gesamten Waldfläche zertifiziert.

Ein Grund für die mangelnde Verbreitung könnte die Kritik von Umweltschutzorganisationen sein, dass die Vergabe des FSC-Zertifikats zu leichtfertig erfolgt und die Einhaltung nicht ausreichend kontrolliert wird.

Zu Frage 3:

Die Bundesbeschaffung legt großen Wert auf das Fairtrade-Gütesiegel und hat deshalb alle Lieferanten von „Trockenwaren und Haltbarprodukten“ verpflichtet, eigene Fairtrade-Warenkörbe anzubieten. Die Nutzung des Fairtrade-Sortiments liegt im Ermessen der Kun­den, die Bundesbeschaffung weist die Dienststellen aber durch eine intensive Kommunikati­onspolitik regelmäßig auf diese Möglichkeit hin.

Im Rahmen der Lebensmittelbeschaffung für die österreichische EU-Präsidentschaft 2006 wurden erstmals Fair-Trade-Warenkörbe angeboten, die auch zu rund 70 Prozent genutzt wurden.

Zu Frage 4:

Im Bereich Bekleidung nimmt die Bundesbeschaffung eine Vorreiterrolle bei der Berücksichtigung sozialer und ethischer Kriterien ein. Die Bieter sind verpflichtet, sich sowohl an die österreichischen Arbeitsbestimmungen, als auch an die Kernpunkte der “International Labour Organization (ILO)” zu halten (siehe unten). In manchen Fällen (insb. bei handelsüblicher Massenware) wird dieser Punkt auch von den Vorlieferanten des Bieters verlangt.

Konkret verpflichten sich die Bieter im Rahmen des Angebotsschreibens

(9)   bei der Ausführung des Vertrages die in Österreich geltenden arbeits-, lohn- und sozialrechtlichen Vorschriften einzuhalten sowie die sich aus den Übereinkommen Nr. 29, 87, 94, 95, 98, 100, 105, 111 und 138 der Internationalen Arbeitskonferenz, BGBl Nr. 228/1950, Nr. 20/1952, Nr. 29/1954, Nr. 81/1958, Nr. 86/1961 und BGBl III Nr. 200/2001 ergebenden Verpflichtungen (ILO-Bestimmungen) einzuhalten.

Standard bei allen BBG-Bekleidungs-Beschaffungen ist die Vorschreibung des Ökotex-Standards 100, der die Unbedenklichkeit der Produkte für den Menschen garantiert. Darüber hinausgehende Zertifikate, die auch die Unbedenklichkeit des Produktionsprozesses umfassen, haben noch keine ausreichende Verbreitung gefunden, um sie in Ausschreibungen verpflichtend vorschreiben zu können.  Beispielsweise trägt in Österreich nur ein Unternehmen das von der EU unterstützte “Ecolabel”.

Zu Frage 8:

Die Bundesbeschaffung wird in Zusammenarbeit mit ihren Kunden ihre Bemühungen um einen nachhaltigen Einkauf weiter intensiv verfolgen und alle Möglichkeiten des Vergabe­rechtes ausnützen.

Zu Frage 9:

Die Bundesbeschaffung nützt jetzt schon die Spielräume, die das Bundesvergabegesetz und die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes öffentlichen Auftraggebern einräumt, um öko­logische und soziale Aspekte bei Beschaffungsvorhaben zu berücksichtigen. Einer darüber hinausgehenden Berücksichtigung steht derzeit die geltende Judikatur des EuGH entgegen, die einen direkten Zusammenhang der Vergabekriterien mit der nachgefragten Leistung ver­langt. Umweltschutzaspekte bzw. soziale Aspekte können also berücksichtigt werden, sofern diese mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, dem Auftraggeber keine unein­geschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen, im Leistungsverzeichnis oder der Bekannt­machung des Auftrags ausdrücklich genannt sind und bei ihnen das Diskriminierungsverbot beachtet wird.