4491/AB XXIII. GP

Eingelangt am 28.07.2008
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

JOSEF PRÖLL

Bundesminister

 

 

 

 

 

An die                                                                                    Zl. LE.4.2.4/0111 -I 3/2008

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 25. JULI 2008

 

 

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Kolleginnen und Kollegen vom 9. Juni 2008, Nr. 4601/J, betreffend

Infragestellung der „Bio“sprit-Strategie der österreichischen

Bundesregierung

 

 

 

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen vom 9. Juni 2008, Nr. 4601/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu den Fragen 1 und 2:

 

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die EU im März 2007 – über das Ziel von 5,75% Bioanteil bei fossilen Kraftstoffen bis 2010 hinaus – das verbindliche Ziel gesetzt hat, in jedem Mitgliedstaat bis 2020 einen 10%igen Anteil von Biokraftstoffen am gesamten verkehrsbedingten Benzin- und Dieselverbrauch in der EU bis 2020 zu erreichen, vorausgesetzt, die Erzeugung ist nachhaltig, Biokraftstoffe der zweite Generation stehen zur Verfügung und die Richtlinie über Kraftstoffqualität wird entsprechend geändert, damit geeignete Mischungsverhältnisse möglich werden.

 

 

 

 

 

Biotreibstoffe können unter geeigneten Rahmenbedingungen einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen leisten. Ein differenzierter Ansatz ist, wie jüngst beim EU-Lateinamerika-Gipfel in Lima oder bei der FAO Konferenz in Rom erörtert, notwendig. Um die Versorgung mit Lebensmitteln nicht zu gefährden, bedarf es einerseits Standards für eine nachhaltige Biokraftstoffproduktion und andererseits intensiver Forschung, um die zweite Generation der Biotreibstoffe für technische Zwecke praxistauglich zu machen. Biokraftstoffe sind eine Frage der richtigen Nutzpflanze, des richtigen Ortes und der richtigen Menge. Vor dem Hintergrund zahlreicher Studien und Expertenmeinungen ist eine offene Diskussion der Vor- und Nachteile der Biokraftstoffproduktion bzw. der Implikationen der bestehenden Ziele zu führen. Jedenfalls sind dauerhaft verträgliche Systemlösungen anzustreben. Im Rahmen der Biospritbeimischung sind technisch kluge Ansätze bereitzustellen.

 

Allgemein müssen Nachhaltigkeitskriterien gewährleisten, dass die Produktion von Biomasse/Biokraftstoffen für energetische Nutzung im Einklang mit den nationalen, europäischen und internationalen Zielen des Biodiversitäts-, Natur- und Umweltschutzes sowie der Land- und Forstwirtschaft stehen und diese Ziele nicht gefährden. Darüber hinaus sollten die Kriterien nicht allein auf ökologische Aspekte abzielen, sondern jedenfalls auch soziale und sozioökonomische Aspekte mit einbeziehen.

 

Mit dem Thema Biotreibstoffe ist implizit die Frage einer nachhaltigen Verkehrspolitik angesprochen. Hier ist eine intelligente Kombination aus mehreren Maßnahmen notwendig: Der massive Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Forcierung von Mobilitätsmanagement und eine intensive Förderung der Entwicklung nachhaltiger Technologien.

 

Der Vorteil von Biokraftstoffen gegenüber fossilen Kraftstoffen besteht darin, dass bei der Verbrennung von Biokraftstoffen, im Gegensatz zur Verbrennung von fossilen Kraftstoffen, nicht zusätzlich fossiles CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird.

 

Die Bilanz aller CO2-Emissionen im Vergleich zwischen fossilen Kraftstoffen und Biokraftstoffen wurde bereits vielfach in Form von Ökobilanzen durchgeführt, wobei sich als Ergebnis bis auf ganz wenige Ausnahmen, beispielsweise wenn es zu einer unökologischen Landnutzungsänderung kommt, jedenfalls eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen durch den Einsatz von Biokraftstoffen ergibt. Aus Sicht des BMLFUW ist jedenfalls ein Nebeneinander der Produktion von Biomasse für Nahrung, Futtermittel und Energie absolut möglich, wobei die Nahrungsmittelproduktion natürlich die höchste Priorität genießt. Erst danach kommt die Futtermittelerzeugung und in weiterer Folge die Nutzung freier Flächen für bioenergetische Zwecke.

 

Eine Beibehaltung der gesteckten Ziele im Biokraftstoffbereich hinsichtlich einer Erhöhung des Anteils an Biokraftstoffen ist daher aus Sicht der Reduktion von Treibhausgasen jedenfalls sinnvoll.

 

Zu Frage 3:

 

In Österreich besteht nach den Regelungen der Kraftstoffverordnung eine Substitutionsverpflichtung von fossilem Kraftstoff durch erneuerbare Kraftstoffe. Diese Substitutionsziele können in erster Linie durch Beimischung von Biokraftstoffen zu Diesel und Benzin und zusätzlich auch durch den verstärkten Einsatz von reinen Biokraftstoffen, wie 100% Biodiesel in LKW-Flotten oder durch Kraftstoffe mit hohem Anteil an Biokraftstoff wie z.B. E85 – das ist ein Kraftstoff, der 85% Bioethanol enthält – erreicht werden.

 

Die benötigten Mengen an Biokraftstoffen für die verschiedenen Substitutionsziele können nur grob abgeschätzt werden, da diese von verschiedenen Rahmenbedingungen, wie dem gesamten österreichischen Kraftstoffverbrauch, dem Verhältnis zwischen Diesel- und Benzinverbrauch sowie der Entwicklung der Märkte für Reinverwendung von Biokraftstoffen (B100 oder E85) abhängig sind.

 

Auf Basis des Kraftstoffverbrauchs 2007 kann zum derzeitigen Zeitpunkt in etwa von einer benötigten Menge an Biokraftstoffen von 575.000 Tonnen ausgegangen werden. Wird das 10% Substitutionsziel z.B. auf das Volumen aller in Verkehr gebrachten fossilen Kraftstoffe bezogen, so würde zur Zielerreichung etwa 890.000 Tonnen an Biokraftstoffen notwendig sein, für ein 20% Substitutionsziel etwa 1,7 Millionen Tonnen. Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da für diese Abschätzungen als Basis vom Kraftstoffverbrauch 2007 ausgegangen wurde. Bei einem Rückgang des Kraftstoffverbrauchs, z.B. durch den Einfluss stark steigender Preise an den Tankstellen, sind die für die Zielerreichung nötigen Biokraftstoffmengen selbstverständlich geringer.

 

Zu Frage 4:

 

Bei der Beimischung von Bioethanol zu Benzin werden maximal 100.000 ha Agrarflächen benötigt, das heißt, mit rund 7% der heimischen Ackerflächen ist das Substitutionsziel in diesem Bereich möglich. Diese Zahl wurde auf Rohstoffbasis Weizen kalkuliert, bei Verwendung eines anderen Rohstoffmixes (z.B: Mais) werden entsprechend geringere Flächen benötigt. Bei Biodiesel verfügt Österreich mit etwa 400.000 Jahrestonnen über genügend große Kapazitäten zur Biodieselherstellung. Vielfach wird in der Diskussion auch vergessen, dass bei der Erzeugung von Bioethanol als auch Biodiesel wertvolles Futtermittel anfällt, das einerseits unsere Sojaschrotimporte reduziert und andererseits auch Futtergetreide (und somit Futtergetreideflächen) einspart. Die Reduktion der Sojaschrotimporte wird auch zur Reduktion der CO2-Emissionen beitragen.

 

Zu Frage 5:

 

Bei den Agrarrohstoffen kann die gestellte Frage nicht mit einer konkreten Zahl beantwortet werden. Zum einen befinden wir uns in einem innergemeinschaftlichen Wirtschaftsraum. Somit werden neben den in Österreich produzierten landwirtschaftlichen Rohstoffen, die sicher einen großen Teil des Rohstoffaufkommens darstellen, auch Rohstoffe aus dem EU-Raum Verwendung finden. Um die Transportwege möglichst kurz zu halten, ist es ökonomisch und ökologisch nachvollziehbar, dass hier insbesondere die Nachbarländer entlang der Donau in die Kalkulation miteinbezogen werden müssten. Zum anderen kann bei Importen landwirtschaftlicher Rohstoffe nicht auf die Verwendung dieser Rohstoffe geschlossen werden. Diese Rohstoffe können sowohl in die Nahrungs- und Futtermittelschiene als auch in die Treibstoffschiene gelangen.

 

Derzeit wird auf EU-Ebene ein Vorschlag zu Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe in Form einer ad hoc Arbeitsgruppe diskutiert. Diese Nachhaltigkeitskriterien enthalten Bestimmungen zu Kriterien für den Anbau der verwendeten Biomasse bzw. Vorschläge hinsichtlich der Erfassung und Überwachung derartiger Kriterien. Österreich unterstützt die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe und setzt sich für gleiche Standards bei den Anbaubedingungen innerhalb der EU und für Drittstaaten ein. Das BMLFUW hat sich bei den Verhandlungen in Brüssel dafür eingesetzt, dass ein Bestandteil dieser Nachhaltigkeitskriterien auch die Ernährungssituation in den produzierenden Ländern berücksichtigt.

 

Zu Frage 6:

 

Auch diese Frage kann für agrarische Rohstoffe nicht mit konkreten Zahlen verlässlich beantwortet werden. Es sind sowohl der entsprechende Rohstoffbedarf, als auch das Rohstoffpotential und somit das Erfordernis von Importen von einer Reihe von Faktoren abhängig. Beispielgebend wären nachfolgende Faktoren anzuführen: Entwicklung der Direktimporte von Biokraftstoffen, technologische Entwicklungen und Art der verwendeten Rohstoffe, Änderungen im Kulturartenverhältnis, Preisentwicklungen bei den landwirtschaftlichen Rohstoffen.

 

Zu Frage 7:

 

Bei Erreichung des 5,75% Substitutionsziels können jährlich rund 1,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.

 

Jede weitere Steigerung des Einsatzes von Biokraftstoffen führt zu zusätzlichen Einsparungen an Treibhausgasemissionen. Auf Basis des Kraftstoffverbrauchs 2007 kann für ein Substitutionsziel von 10% z.B. auf das Volumen aller in Verkehr gebrachten fossilen Kraftstoffe bezogen, von einer jährlichen Treibhausgasreduktion von rund 2,3 Millionen Tonnen und bei einem analogen Substitutionsziel von 20% von etwa dem doppelten, also jährlich zumindest 4,6 Millionen Tonnen ausgegangen werden.

 

 

Zu Frage 8:

 

Derzeit gibt es keine aktuelle Studie, die diese Frage behandelt, da durch die starken Preisschwankungen bei den Preisen für Biomasse zur Herstellung von Biokraftstoffen und dem starken Anstieg des Rohölpreises die Aussagen der bisherigen Studien nicht mehr aktuell sind.

 

Bei der Fragestellung zu den gesamten CO2-Vermeidungskosten von Biokraftstoffen gilt es darüber hinaus natürlich zu beachten, dass im Gegensatz von z.B. gesetzten Maßnahmen im Bereich der Raumwärme, die zumeist einen längeren Umsetzungszeitraum benötigen, Maßnahmen im Bereich der Kraftstoffe, wie z.B. einer Beimischung von Biokraftstoffen, diese Maßnahmen sehr kurzfristig und mit hoher Effizienz wirksam sind. Vergleiche mit Maßnahmen in anderen Sektoren in Bezug auf Kosten von vermiedenen CO2-Emissionen sind somit nur sehr bedingt durchführbar und wenig hilfreich bei der Umsetzung des Klimaschutzes. Schließlich müssen alle Sektoren ihre Beiträge zur CO2-Reduktion leisten.

 

Zu Frage 9:

 

Es ist nicht in Frage zu stellen, dass sämtliche Aktivitäten im Bereich Pflanzentreibstoffe nur vor dem Hintergrund einer gesicherten Nahrungs- und Futtermittelversorgung gesetzt werden können. Auf EU-Ebene sind bereits eine Reihe von Maßnahmen im Gange, wie z.B. eine Generalüberprüfung der Gemeinsamen Agrarpolitik (Health Check) sowie Maßnahmen zur Angebotsverbesserung, wie Aussetzen der Stilllegungsverpflichtung für 2008. Um einen Konflikt zwischen Nahrungsmitteln und Bioenergie zu vermeiden, sind stimmige Rahmenbedingungen weltweit erforderlich. Diese beinhalten eine Reihe von Faktoren wie ausgewogene Preisanreize für Landwirte, effiziente und nachhaltige Nutzung verfügbarer Flächen, Nutzung von Flächenreserven, Nutzung des technischen Fortschritts und Infrastrukturinvestitionen sowie eine Ziel führende und ausgewogene Forschungs- und Förderpolitik.

 

 

 

Zu Frage 10:

 

Hinsichtlich der ökonomischen und vor allem ökologischen Auswirkungen, insbesondere dem positiven Umweltnutzen von Biokraftstoffen, wie z.B. der Reduktion von Treibhausgasen, gibt es eine Vielzahl an nationaler und internationaler Literatur. Obwohl die Absolutwerte für die Treibhausgasbilanzen in den einzelnen Studien z.B. auf Grund der Methodik, der Bearbeitungstiefe, der Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten usw. zum Teil deutlich unterschiedlich sind, sind die Ergebnisse hinsichtlich der Umweltvorteile von Biokraftstoffen sehr einheitlich und bis auf ganz wenige Ausnahmen, die – wie etwa das Abholzen von Regenwald – vom BMLFUW abgelehnt werden, bei allen Biokraftstoffen eindeutig positiv.

 

 

Der Bundesminister: