4504/AB XXIII. GP

Eingelangt am 29.07.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0136-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4605/J-NR/2008

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „enormer Kostenanstieg bei der Unterbringung von zurechnungsunfähigen geistig abnormen Rechtsbrechern“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Der Hauptgrund für den signifikanten Anstieg der Pflegekosten liegt in der zwangsläufigen „Auslagerung“ von Untergebrachten in (teureren) Psychiatrischen Krankenanstalten in Verbindung mit der deutlich gestiegenen Durchschnitts-Anhaltedauer.

Die Justizanstalt Göllersdorf ist als einzige justizeigene Sonderanstalt mit 120 Plätzen für die Anhaltung zurechnungsunfähiger Rechtsbrecher zu 100% belegt. Beim Stand von 374 Personen gem. § 21 Abs. 1 StGB (1. Mai 2008) – inklusive der Anhaltungen gem. § 429 Abs. 4 StPO – müssen zwangsläufig 254 Personen in Psychiatrischen Krankenanstalten angehalten werden, weil das Gesetz (§ 158 StVG) keine andere Unterbringungsmöglichkeit vorsieht und keine weitere justizeigene Einrichtung für eine entsprechende Unterbringung zur Verfügung steht. Die Zahl der eingewiesenen Personen steigt kontinuierlich um 5 bis 10 Personen jährlich, sodass immer mehr Personen in Öffentlichen Psychiatrischen Krankenanstalten untergebracht werden müssen. Zudem steigt die Anhaltedauer der Untergebrachten in den Psychiatrischen Krankenanstalten. Die durchschnittliche Anhaltedauer betrug im Jahr 2001 985 Tage, im Jahr 2003 1.323 Tage und im Jahr 2005 1.713 Tage.

Die durch die jeweiligen Verordnungen der Landesregierungen festgesetzten und vom Bund zu zahlenden täglichen Pflegegebühren pro Insassen in den einzelnen Psychiatrischen Krankenanstalten in den Bundesländern liegen derzeit zwischen ca. 280 Euro (Sigmund Freud-Klinik, Graz) und 576 Euro im PKH Wien, Pavillion 23. Der durchschnittliche Pflegegebührensatz österreichweit beträgt demnach etwa 350 Euro. Auch hier erfolgt eine jährliche Anhebung der Sätze durch die Landesregierungen um durchschnittlich etwa 10%, sodass auch dieser Umstand zur laufenden Steigerung der Ausgaben beiträgt.

Ferner wird eine bedingte Entlassung aus der Maßnahmenunterbringung durch die Gerichte schwieriger, weil Behandelnde, Gutachter und Gerichte – zur Minimierung der Rückfallswahrscheinlichkeit – eine qualifizierte Entlassungsprognose und die Sicherstellung eines sozialtherapeutisch betreuten „Empfangsraumes“ (in der Regel durch stationäre Heimunterbringung) verlangen. Da die Länder diesem Auftrag nicht nachkommen, müssen durch die Justizverwaltung immer mehr therapeutische Wohneinrichtungen geschaffen werden. Dies bedeutet, dass für aus dem Vollzug entlassene Personen neben den klassischen Einrichtungen der sozialen Hilfe und Unterstützung eigene, justizabhängige Plätze geschaffen werden müssen. Immerhin wurden in den letzten Jahren in fast allen Bundesländern auf diese Weise ca. 170 sozialtherapeutisch betreute Wohnplätze in forensischen Einrichtungen geschaffen, die zur Gänze von der Justiz finanziert werden (durchschnittlicher Tagsatz 90 Euro). In diesen Einrichtungen können die Entlassenen bis zu zwei Jahre verbleiben; danach sollten sie entweder selbständig wohnfähig sein oder in andere Einrichtungen vermittelt werden. Die ambulante Weiterversorgung erfolgt in den in jedem Bundesland (ausgenommen Burgenland) zusätzlich eingerichteten „Forensischen Nachbetreuungsambulanzen“ und wird auch nach der Entlassung aus den Wohnheimen fortgesetzt. Dass dieses Bündel an Maßnahmen erfolgreich ist, zeigt sich letztendlich darin, dass die Rückfallsquote (= neuerliche Einweisung) der auf diese Weise betreuten Entlassungen in einem Zeitraum von 5 Jahren lediglich 5% beträgt. Es wäre aber wünschenswert, wenn die für die soziale Betreuung freier Personen zuständigen Bundesländer dazu auch ihren Beitrag leisten würden.

 

 

. Juli 2008

 

(Dr. Maria Berger)