4531/AB XXIII. GP

Eingelangt am 04.08.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber, Freundinnen und Freunde haben am 9. Juni 2008 unter der Nr. 4600/J an mich eine schriftliche parlamentari-sche Anfrage betreffend Infragestellung der "Bio"-Sprit-Strategie der österreichischen Bundesregierung gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Der Großteil der zehn Fragen betrifft nicht den Vollziehungsbereich des Bundeskanz-leramtes. Dessen ungeachtet werde ich vor dem Hintergrund der intensiven Debatten zu den politischen Auswirkungen der hohen Lebensmittel- und Ölpreise im Vorfeld und beim letzten Europäischen Rat am 19. und 20. Juni 2008 auf die - allgemein for-mulierten - Fragen 1 und 2 eingehen.

Zu den Fragen 1 und 2:

Ø      Wird Österreich angesichts der harten Debatten auf EU-Ebene über die Sinnhaf-tigkeit der Biosprit-Strategie sein überzogenes Ziel für die Beimischung von Ag-rotreibstoffen revidieren? Wenn nein, warum nicht?

Ø      Werden Sie angesichts der Ansage des EU-Industriekommissars Verheugen und der aktuellen Nahrungsmittelkrise eine Korrektur der angepeilten Beimischungs-ziele auf EU-Ebene unterstützen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Ini-tiativen werden Sie setzen?

Zunächst halte ich fest, dass sich die EU im März 2007 - über das Ziel von 5,75% Bio"-Anteil bei fossilen Kraftstoffen bis 2010 hinaus - das verbindliche Ziel gesetzt hat, in jedem Mitgliedstaat bis 2020 einen 10%igen Anteil von Biokraftstoffen am ge-samten verkehrsbedingten Benzin- und Dieselverbrauch in der EU bis 2020 zu er-reichen. Vorraussetzung dafür ist, daß die Erzeugung nachhaltig ist, die Biokraftstof-fe der 2. Generation zur Verfügung stehen und die Richtlinie über Kraftstoffqualität entsprechend geändert wird, damit geeignete Mischungsverhältnisse möglich wer-den.

Biotreibstoffe können unter geeigneten Rahmenbedingungen einen Beitrag zur Re-duktion von Treibhausgasemissionen leisten. Ein differenzierter Ansatz ist, wie jüngst beim EU-Lateinamerika-Gipfel in Lima oder bei der FAO Konferenz in Rom erörtert, notwendig. Um die Versorgung mit Lebensmitteln nicht zu gefährden, bedarf es einer-seits Standards für eine nachhaltige Biokraftstoffproduktion und andererseits intensi-ver Forschung, um die zweite und dritte Generation der Biotreibstoffe für technische Zwecke praxistauglich zu machen. Biokraftstoffe sind eine Frage der richtigen Nutzpflanze am richtigen Ort und in der richtigen Menge. Vor dem Hintergrund zahlreicher Studien und Expertenmeinungen ist eine offene Diskussion der Vor- und Nachteile der Biokraftstoffproduktion bzw. der Implikationen der bestehenden Ziele zu führen. Jedenfalls sind dauerhaft verträgliche Systemlösungen anzustreben. Im Rahmen der Biospritbeimischung sind technisch kluge Ansätze bereitzustellen.

Allgemein müssen Nachhaltigkeitskriterien gewährleisten, dass die Produktion von Biomasse/Biokraftstoffen für energetische Nutzung im Einklang mit den nationalen, europäischen und internationalen Zielen des Biodiversitäts-, Natur- und Umwelt-schutzes sowie der Land- und Forstwirtschaft stehen und diese Ziele nicht gefähr-den. Darüber hinaus sollten die Kriterien nicht allein auf ökologische Aspekte abzie-len, sondern jedenfalls auch soziale und sozioökonomische Aspekte mit einbeziehen.

Mit dem Thema Biotreibstoffe ist implizit die Frage einer nachhaltigen Verkehrspolitik angesprochen. Hier ist eine intelligente Kombination aus mehreren Maßnahmen not-wendig. Der massive Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Forcierung von Mobili-tätsmanagement, eine weitere Ökologisierung des Steuersystems und eine intensive Förderung der Entwicklung nachhaltiger Technologien.

Zu den Fragen 3 bis 10:

Ø      Welche Menge an Agrosprit wird voraussichtlich benötigt, um die österreichischen Beimischungsziele von 5,75% (2008), 10% (2010) und 20% (2020) zu erreichen?

Ø      Welche Menge an Agrosprit bzw. welcher Anteil an den geplanten Beimischungs-zielen kann aus österreichischen Agrarrohstoffen hergestellt werden?


Ø      Welche Menge an Agrosprit und Agrarrohstoffen wird derzeit importiert? Aus wel-chen Ländern kommen die Importe? Importiert Österreich auch Agrosprit aus Län-dern mit Hungerproblemen bzw. wie wird sichergestellt, dass dies nicht passiert?

Ø      Welche Menge an Agrosprit und Agrarrohstoffen müssen voraussichtlich zur Er-reichung der Beimischungsziele bis 2010 und 2020 (laut Biomasseaktionsplan) importiert werden?

Ø      Welche Vermeidungsleistung in Bezug auf die Treibhausgase (gemessen in CO2-Äquivalenten) kann durch die Agrosprit-Beimischungsziele der Bundesregierung erreicht werden?

Ø      Welche Kosten je vermiedener Tonne CO2 werden durch die Produktion von Agro-Diesel und Ethanol verursacht?

Ø      Durch welche konkreten Maßnahmen verhindern Sie, dass die Erzeugung von Agrosprit in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht?

Ø      Haben Sie eine ökologische und ökonomische Evaluierung über den Nutzen von Agrotreibstoffen der ersten Generation durchführen lassen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann, von wem und sind die Ergebnisse öffentlich zugänglich?

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 4601/J durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.