4532/AB XXIII. GP

Eingelangt am 04.08.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Karl, Kolleginnen und Kollegen haben am 11. Juni 2008 unter der Nr. 4607/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend datenschutz- und dienstrechtliche Beurteilung des internen E-Mail-Verkehrs gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Ø      Welche dienstrechtlichen Bestimmungen gelten im Bundesdienst für den Umgang mit E-Mails?

Der Umgang mit E-Mails ist im Bundesdienst aus dienstrechtlicher Sicht nicht einheit-lich geregelt. In jenen Bereichen, in denen keine ausdrückliche Regelung in Form einer generellen oder individuellen Weisung besteht, wird von der Zulässigkeit der privaten Nutzung des dienstlichen Namenspostfachs auszugehen sein. Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte ua zur treuen" Besorgung seiner dienstlichen Auf-gaben verpflichtet. Eine Verletzung dieser Treuepflicht liegt dann vor, wenn der Be-amte durch außerdienstliche (private) Tätigkeiten seine dienstlichen Aufgaben ver-nachlässigt. Nimmt der private Gebrauch des dienstlichen Namenspostfachs also ein solches Ausmaß an, dass den dienstlichen Aufgaben nicht mehr entsprechend nach-gekommen wird, ist von einer Dienstpflichtverletzung auszugehen und hat der Beam-te entsprechende disziplinarrechtliche Maßnahmen zu gewärtigen.


Zu Frage 2:

Ø     Wann müssen von öffentlich Bediensteten E-Mails im Dienstbetrieb veraktet wer-den?

Falls Eingangsstücke an die Namenspostfächer der Bediensteten übermittelt werden sowie bei Vorliegen wichtiger dienstlicher Interessen bzw. zu Zwecken der Dokumen-tation müssen E-Mails veraktet werden.

Zu den Fragen 3 und 4:

Ø      Entspricht es den Tatsachen, dass öffentlich Bedienstete regelmäßig ihre im Dienst genutzten Namenspostfächer auch im unbedingt erforderlichen Rahmen privat nut-zen dürfen?

Ø      Welche rechtlichen Bestimmungen regeln dies anders?

Sofern interne Erlässe der einzelnen Bundesministerinnen und Bundesminister keine davon abweichenden Regelungen vorsehen, ist eine äußerst eingeschränkte private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Zugangs zulässig.

Zu Frage 5:

Ø      Darf der öffentliche Dienstgeber Einblick in die Namenspostfächer seiner Bediens-teten nehmen? Wenn ja, aufweichen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt? Wenn nein, welche rechtli-chen Bestimmungen sprechen dagegen?

Für jene Bereiche, in denen die private Nutzung der dienstlichen Namenspostfächer erlaubt ist, besteht derzeit keine gesetzliche Grundlage, die den öffentlichen Dienst-geber dazu berechtigt, Einblick in die Postfächer von Bediensteten zu nehmen. Der-zeit bereitet eine interministerielle Arbeitsgruppe, in der auch die Gewerkschaft Öf-fentlicher Dienst vertreten ist, einen Gesetzesentwurf betreffend die Zulässigkeit be-stimmter Kontrollmaßnahmen vor. Der Entwurf sieht in der derzeitigen Fassung u.a. vor, dass anfallende Daten, die den Inhalt persönlicher elektronischer Kommunikati-on darstellen, personenbezogen ausschließlich zur Abwehr unerwünschter Software, zur Vermeidung von Spam oder zur Aufrechterhaltung der Funktion und des Betrie-bes von IKT-Systemen verwendet werden dürfen. Darüber hinaus werden, nach dem Prinzip der stufenweisen Kontrollverdichtung", Zugriffe und Kontrollen des die IKT betreffenden Nutzungsverhaltens zum Zwecke der Identitätsfeststellung im Falle des Verdachts einer nicht bloß leichten Dienstpflichtverletzung zulässig sein. Um den Schutz der Rechte der Bediensteten effektiv zu gewährleisten, sieht der Entwurf ent-sprechend detaillierte Regelungen zu Fragen der Datenverwendung und des Verfah-rens vor. Darüber hinaus werden Regelungen über das Verfahren der Kontrolle, in denen nur indirekt personenbezogene Daten verwendet werden, und über die Kate-gorien von Datenarten durch eine Verordnung der Bundesregierung getroffen.

Zu den Fragen 6, 8 und 10:

Ø      Vertreten Sie die Auffassung, dass ein privater Dienstgeber Einblick in die Na-menspostfächer seiner Arbeitnehmer nehmen darf? Wenn ja, auf welche rechtli-chen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen spre-chen dagegen?

Ø      Darf ein privater Dienstgeber die Namenspostfächer aller seiner Arbeitnehmer nach gewissen Schlagworten durchsuchen? Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer ge-wahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

Ø      Vertreten Sie die Auffassung, dass der private Dienstgeber seine Arbeitnehmer verpflichten kann, alle seine E-Mails den Vorgesetzten vorzulegen? Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestim-mungen sprechen dagegen?

Die gegenständlichen Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bun-deskanzleramts.

Zu Frage 7:

Ø      Darf der öffentliche Dienstgeber Namenspostfächer aller seiner Bediensteten nach gewissen Schlagworten durchsuchen? Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die Grundrechte der Bediensteten ge-wahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

Für eine solche Maßnahme gibt es keine gesetzliche Grundlage.

Zu Frage 9:

Ø      Vertreten Sie die Auffassung, dass der öffentliche Dienstgeber einen seiner Be-diensteten dazu verpflichten kann, alle seine E-Mails (somit auch die nicht ver-akteten und privaten E-Mails) der Dienstbehörde vorzulegen? Wenn ja, auf wel-che rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt? Wenn nein, welche rechtlichen Bestim-mungen sprechen dagegen?

Nein, der öffentliche Dienstgeber kann einen seiner Bediensteten nicht generell dazu verpflichten, alle seine E-Mails offenzulegen, da es dafür keine gesetzliche Grundla-ge gibt. Allerdings kann einem Beamten sehr wohl, aufgrund des verfassungsrechtli-chen Weisungszusammenhangs und der damit verbundenen Dienstpflicht, Weisun-gen zu befolgen (siehe § 44 Abs. 1 BDG 1979), die Offenlegung aller dienstlichen E-Mails angeordnet werden.

Zu Frage 11:

Ø      In welchen Fällen kann eine Veröffentlichung von E-Mails aus Gründen des Da-tenschutzes untersagt sein?

Aus datenschutzrechtlicher Sicht stellt das Veröffentlichen von E-Mails" das Über-mitteln (§ 4 Z 12 DSG 2000) und damit auch das Verwenden (§ 4 Z 8 DSG 2000) von personenbezogenen Daten dar.

Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 DSG 2000 ist die Verwendung von personenbezogenen Daten im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen, mit seiner Zustimmung oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines ande-ren zulässig. Sofern die Verwendung von personenbezogenen Daten (und daher auch die Veröffentlichung von E-Mails) durch eine staatliche Behörde erfolgt, ist sie überdies nur aufgrund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind, zulässig. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von sensiblen Daten (vgl. § 4 Z 2 DSG 2000) überdies nur zur Wahrung wichtiger öffent-licher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen.

Auf einfachgesetzlicher Ebene regelt § 7 Abs. 2 DSG 2000 die näheren Vorausset-zungen, unter denen eine Übermittlung (also auch Veröffentlichung) von personen-bezogenen Daten zulässig ist. Personenbezogene Daten dürfen demnach nur über-mittelt werden, wenn sie aus einer zulässigen Datenanwendung stammen und der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis - soweit diese nicht außer Zweifel steht - im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und durch Zweck und Inhalt der Übermitt-lung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Veröffentlichung von E-Mails aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig.


Zu Frage 12:

Ø     Welche dienstrechtliche Handhabe hat der öffentliche Dienstgeber gegenüber einem seiner Bediensteten, wenn dieser nicht alle relevanten E-Mails in einem Aktenvermerk oder einem Akt festhält?

Gemäß §43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte u.a. zur Aufgabenbesorgung unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung" verpflichtet. Zur geltenden Rechtsordnung gehört auch die in der Anfrage selbst erwähnte Büroordnung, welche auf Grund des §12 Bundesministeriengesetz 1986 erlassen wurde. Eine Verletzung der Bestim-mungen der Büroordnung stellt daher eine Verletzung der im § 43 Abs. 1 BDG 1979 statuierten Dienstpflicht dar. Auch in diesem Fall hätte der Beamte entsprechende disziplinarrechtliche Maßnahmen zu gewärtigen.

Zu Frage 13:

Ø    Ist es sachlich gerechtfertigt, dass öffentlich Bedienstete auch dann noch Zugriff auf ihr ursprüngliches Namenspostfach haben,  wenn sie die entsprechende Funktion im öffentlichen Dienst nicht mehr ausüben?

Mit  dem Ende des Dienstverhältnisses enden sämtliche sich aus dem Dienstverhält-nis ergebende Rechte und Pflichten des Bediensteten. Es ist daher davon auszuge-hen, dass ab diesem Zeitpunkt kein Zugriff mehr auf das ursprüngliche Namenspost-fach bestehen sollte bzw. besteht.

Zu Frage 14:

Ø   Wie lange haben öffentlich Bedienstete ihre E-Mails aufzubewahren?

E-Mails, die Teil der Akten sind, werden gemäß Bundesarchivgesetz und Bundesar-chivgutverordnung im Rahmen der Aktenarchivierung derzeit 10 Jahre aufbewahrt. Werden Akten als archivwürdig eingestuft, erfolgt nach Ablauf der 10-jährigen Aufbe-wahrungsfrist eine dauerhafte Archivierung im Österreichischen Staatsarchiv.

Zu Frage 15:

Ø      Teilen Sie die Auffassung, dass eine Kontrollmaßnahme, im Zuge derer private E-Mails gelesen und kopiert werden, die Menschenwürde verletzt bzw. zumindest berührt, so dass ihre Einführung und Verwendung gemäß § 79c BDG 1979 unzulässig ist?

Ja, ich teile diese Auffassung.