4533/AB XXIII. GP
Eingelangt am 04.08.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen ha-ben am 18. Juni 2008 unter der Nr. 4635/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Bericht der Arbeitsgruppe „Haus der Geschichte" gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1, 2 und 7:
Ø Wurde der Bericht zum „Haus der Geschichte" veröffentlicht?
Ø Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht, und wovon handelt er?
Ø Haben Sie vor den Bericht zukünftig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Wenn nein, warum nicht?
Der Bericht der Expertengruppe wurde von dieser zum Abschluss ihrer Tätigkeit in der Öffentlichkeit präsentiert und ist auch im Internet verfügbar.
Zu den Fragen 3 bis 5:
Ø Wurde der Bericht von internationalen Experten evaluiert?
Ø Wenn ja, a) mit welchem Ergebnis?
Ø b) wer waren diese Experten und worauf begründet sich ihre Qualifikation? (Bitte um separate, namentliche Nennung)
c) wie hoch war ihr Honorar?
Der Bericht wurde von folgenden Experten evaluiert: Dr. Klaus Müller (Niederlande), Dr. Anja Dauschek (Deutschland), Professor John Boyer (USA), DDr. Georges Henri
Soutous (Frankreich). Es handelte sich um internationale Experten, die durch Publi-kationen und einschlägige Arbeiten in höchstem Maße ausgewiesen sind. Das Hono-rar betrug jeweils € 1000,-.
Eine synoptische Zusammenfassung der Argumente ihrer Gutachten ist beigeschlos-sen.
Zu Frage 6:
Ø Warum wurden zum Thema Österreichische Geschichte keine heimischen Exper-ten herangezogen?
Die Expertengruppe bestand im Wesentlichen aus österreichischen Expertinnen und Experten. Diese haben sich mit Fragen der Darstellung der österreichischen Geschich-te umfassend und intensiv auseinandergesetzt. Aufgabe der Evaluierung durch inter-nationale Experten war es nicht, einen weiteren Bericht dem ersten Bericht der öster-reichischen Expertinnen und Experten zur Seite zu stellen, sondern vielmehr, eine Evaluierung eines erzielten Ergebnisses aus internationaler Sicht vorzunehmen, da sich ein Projekt wie das des Hauses der Geschichte ja auch im internationalen Rah-men bewähren muss.
Zu Frage 8:
Ø Haben die Mitglieder der Ständigen Historiker-Expertenkommission ein Honorar erhalten? Wenn ja, in welcher Höhe?
Nein.
Zu den Fragen 9 und 10:
Ø Haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe vor Fertigstellung des Berichts ein Hono-rar oder eine Prämie erhalten? Wenn ja, in welcher Höhe?
Ø Haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe nach Fertigstellung des Berichts ein Ho-norar oder eine Prämie erhalten? Wenn ja, in welcher Höhe?
Für die Geschäftsführung der Expertengruppe wurde ein Honorar bezahlt. Prof. Dr. Hans Haider erhielt vom Bundeskanzleramt für die Zeit von Jänner bis inkl. Juni 2006 ein Entgelt von € 73.931,63.
Ob und in welchem Ausmaß von den anderen auftraggebenden Ressorts Leistungen an andere Mitglieder der Expertengruppe erbracht wurden, betrifft nicht den Wirkungs-bereich des Bundeskanzleramtes.
Zu Frage 11:
Ø Stimmt es, dass der Historiker Dr. Stefan Karner, der auch stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe war, mit der Vorbereitung der Ausstellung zum 90-Jahr-Jubi-läum betraut wurde?
Ja, der Ministerrat hat ihn gemeinsam mit dem Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, Professor Dr. Mikoletzky, betraut.
Zu Frage 12:
Ø Wenn ja, wie hoch ist Stefan Karners Honorar für die Funktion als wissenschaftli-cher Leiter der Vorbereitung zur Jubiläumsausstellung?
Das Honorar beträgt € 30.000,--.
Zu Frage 13:
Ø Wie viel Geld wurde in das Projekt „Haus der Geschichte" bis dato investiert?
Außer den oben angeführten Aufwendungen gab es bisher keine weiteren Investitio-nen.
Zu Frage 14:
Ø Welches jährliche Budget wird dem „Haus der Geschichte" zur Verfügung gestellt werden?
Das Budget eines künftigen Hauses der Geschichte wird vom Konzept abhängen, das allerdings erst im Detail fertig zu stellen ist.
Zu den Fragen 15 und 16:
Ø Wurde die Standortfrage des Projekts bereits geklärt?
Ø Angeblich wird ein neuer Bau auf der Donauplatte favorisiert. Wie hoch wären die Kosten hierfür?
Die Standortfrage ist noch nicht entschieden worden, es gibt daher auch noch keine Berechnungen der Standortkosten.
Zu den Fragen 17 bis 20:
Ø Liegen Ihnen die zweitausend Geheimdokumente aus den zaristischen Staatsar-chiven vor und was halten Sie davon?
Ø Wenn ja, sind Erkenntnisse aus diesen Dokumenten in den Bericht eingeflossen?
Ø Halten Sie es für erforderlich, die Öffentlichkeit über die Existenz und den Inhalt dieser Dokumente zu informieren?
Ø Wenn ja, in welcher Form?
Aus dem Kontext der Anfrage kann nicht erschlossen werden, auf welche „Geheim-dokumente" sich diese Fragen beziehen. Auch eine direkte Nachfrage bei Mitgliedern der Arbeitsgruppe hat hier keine Aufklärung gebracht. Die Fragen können daher nicht beantwortet werden.
Anlage
ANLAGE
zu PA 4635/J
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ZUSAMMENFASSUNG DER WICHTIGSTEN ARGUMENTE IN DEN GUTACHTEN ÜBER DAS HAUS DER GESCHICHTE
Gutachten 1
- Kein Kernauftrag
- die Dringlichkeit wäre zu begründen
- Welche Hoffnung verbindet sich mit dieser Institution
- Der angestrebte innovative Platz ergibt sich nicht aus dem Konzept
- Zur Erarbeitung eines Kernauftrags sollte man eine Gruppe von Museumsexperten; Historiker, Informatiker, Künstler und Politiker aus dem In- und Ausland einladen
- Es sollten auch Erfahrungen von Institutionen aus dem Ausland in einem Museumskonzept einfließen
Gutachten 2
- Nationalstaaten verändern ihre Bedeutung in einer zunehmend globalisierten Welt. Gerde deshalb ist es wichtig, die historischen Hintergründe der aktuellen Entwicklung zu kennen und bewerten zu können.
- Leider wird auf das historische Bewusstsein, das Ausgangspunkt für die Planung des HDG seil sollte, nicht explizit Bezug genommen
- Konzept kann aus museumsfachlicher Sicht nicht überzeugen. Zielsetzung und Zielgruppen sind nicht eindeutig und plausibel formuliert und argumentiert
- Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen Österreichs sollten als Ausgangspunkt dienen und auch die umfangreichen Erfahrungen anderer Nationalmuseen sollten einbezogen werden
- Gleich welchen Museumstyp man analysiert, sie haben alle das Ziel, zu einer transnationalen Identität beitragen zu wollen, sich also zu öffnen gegenüber anderen Kulturen, Ethnien, Nationen und Völkern.
- Es fehlt ein präzises mission statement - welchen gesellschaftlichen Mehrwert für welche Gruppe soll das HDG haben?
- Wichtig wäre eine Unterscheidung, wie Geschichte verstanden wird, als politische Geschichte, als Ideengeschichte, als Mentalitätsgeschichte oder als Kultur- oder Sozialgeschichte
- Wichtig ist es, ethnische und religiöse Minderheiten anzusprechen
- Fragen der Globalisierung der Migration in der Vergangenheit und gegenwärtig sind zu behandeln
- Ein Nationalmuseum muss auch die Aufforderung zur Toleranz beinhalten
- In Österreich lebende Ausländer und Migranten werden nicht als Zielgruppe erwähnt
- Ein eigener Forschungsbereich ist nicht sinnvoll - es gibt viele Institutionen in Wien die das übernehmen könnten - nur Clearingstelle
- Virtuelle Ausstellung als Teil des Programms sollte nicht ausgeschlossen werden
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zu PA 4635/J
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- Internetpräsenz ist interessant, aber das Forum muss inhaltlich moderiert werden, um Beiträge von Vertretern extremer oder verfassungswidriger politischer Ansichten zu verhindern
- Das Angebot an Schulen muss auf neuestem Stand der Museumspädagogik sein
- Für ein nationales Projekt wie das HDG muss es eine „signature architecure" geben - oder landmark architecture
- Klares inhaltliches Konzept fehlt noch - danach Raumprogramm
- Zielgruppen wurden nicht ausreichend definiert
- Keine Vergleiche mit ähnlichen Einrichtungen in Europa oder Amerika
- Konzept nicht innovativ
- Man sollte einen konzeptionellen Neuanfang mit präzise formulierter Zielsetzung machen
- Museologisch-theoretische Fundierung des Konzepts in Hinblick auf das Geschichtsverständnis und -bewußtsein der Österreicher
Gutachten 3
- Zwiespalt in der Roadmap zwischen hist. Museum vom herkömmlichen Typ und wissenschaftlichem Institut
- Die breite Palette von sinnvollen Erfahrungen ähnlicher Institutionen wurde nicht genutzt und berücksichtigt - vor allem wenn das HDG auch zukünftig in einem europ. und internationalen Netz ähnlicher Einrichtungen seinen Platz finden soll
- Man könnte meinen, „fröhliche Völker" brauchen keine Häuser der Geschichte; das Bedürfnis nach einem HDG zeugt von einem Problem mit der Geschichtsauffassung
- Es kann keine Sinndeutung von oben geben
- Es sollte mehr Betonung auf dem Übergang von einer multiethnischen Monarchie zu einem Nationalstaat geben mit dem Verlust der Führungsrolle im Donauraum
- Zur Frage: was ist wichtig - Ausstellungstätigkeit oder Forschungstätigkeit - gibt die Roadmap keine eindeutige Entscheidung zwischen beiden
- Die Frage einer österreichischen Identität ist schwierig aber wichtig
- Skepsis gegenüber dem Vorschlag, für Besucher Onlinebeiträge verfassen zu können
- Flächen sind zu knapp bemessen
- Die Wahl des Standortes wird zwangsläufig viele Folgen für die endgültige Planung des HDG mit sich bringen
Gutachten 4
- Österreich ist erst eine Nation seit 1918; was ist mit der Zeit davor?
- Man sollte Oberstufenlehrer für die Planung der permanenten Ausstellung und der Wechselausstellung heranziehen - wichtigster Punkt in der Planung
- Warum braucht Österreich ein HDG ?
- Wer wird das Publikum sein ?
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zu PA 4635/J
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- Österreichische Universitäten mit den verschiedenen Instituten leisten schon jetzt bessere Forschungstätigkeit, als es ein HDG jemals könnte
- Ist das HDG für Menschen, die bereits Wissen über die österr. und europ. Geschichte haben, oder soll es von und für Laien einen Zugang schaffen?
- Es sollte kein Abbild der öffentlichen politisch determinierten Sicht der Dinge sein
- Ein mission statement muss gefunden werden, das das HDG substanziell anders im Vergleich zu den bereits existierenden Organisationen macht
- Dem Report mangelt es an konkreten Beispielen für attraktive Themen zur Anziehung von Publikum
- Es müssen noch große Anstrengungen gemacht werden, um das HDG zu einer erfolgreichen Unternehmung über das professionelle Publikum hinaus werden zu lassen
- Einschränkung auf die Periode nach 1918 ist nicht ausreichend und effektiv - die Republik kann nicht verstanden werden ohne das Wissen um das öffentliche Leben in der Monarchie
- Man sollte das Projekt unter einen breiten Blickwinkel Europas stellen als Fenster zum sich verändernden Panorama von Zentral- und Osteuropa
- Die Beschreibung der Form einer Dauerausstellung ist sehr konventionell
- Gute Vorschläge zur Nutzung des www
- Das Museum muss auch die Historie Östereichs in seiner ganzen hist. Dimension einbeziehen - kulturell, ökonomisch und als als politische Beziehung zu den anderen zentraleuropäischen Ländern
- Es gibt nach wie vor starke Bindungen zu Institutionen, aber auch kulturelle, ökonomische und intellektuelle zu den früheren Kronländern - idea of exploring the „deep austrian past" in seinem Reichtum Multiethnizität, politisch, ökonomisch, sozial und auch mit religiösen Komponenten - auch dies bringt sehr fruchtbare Forschungsergebnisse in Hinblick auf die gegenwärtigen Beziehung zu den osteurop. Nachbarländern
- Museum darf nicht auf die Periode nach 1918 beschränkt werden und auch räumlich nicht auf das derzeitige österr. Staatsgebiet
- Die multiethnische und multinationale Vergangenheit Österreichs soll nicht vergessen werden
Resumee aus allen Gutachten
1. Es ist allen Gutachten zu entnehmen, dass ein Mission statement fehlt. Dieses müsste neu formuliert werden.
2. das Konzept ist nicht innovativ und international genug
3. es sind keine Erfahrungen von Institutionen aus dem Ausland in das Konzept eingeflossen
4. Zielgruppen wurden nicht ausreichend definiert
5. Mehr Betonung auf dem Übergang von multiethnischer u. multinationaler Monarchie zum Nationalstaat - daher muss Konzept vor 1918 beginnen
6. Signature architecture oder land mark architecture ist unbedingt notwendig