4587/AB XXIII. GP

Eingelangt am 13.08.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0140-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4630/J-NR/2008

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Verbraucherbehörden-Kooperationgesetz (VBKG): Zuständige Behörde – Bundeskartellanwalt““ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Dazu darf ich auf die Beantwortung der gleichlautenden, an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz gerichteten Anfrage verweisen.

Zu 2 bis 4:

Bislang wurden zwei Durchsetzungsersuchen, und zwar aus Frankreich bzw. den Niederlanden (jeweils die Fernabsatz-RL[1] betreffend) und insgesamt zwei Informationsersuchen, nämlich aus Ungarn (die Timesharing-Richtline[2] betreffend) sowie aus den Niederlanden (die E-Commerce-RL[3] betreffend) an den Bundeskartellanwalt herangetragen.

Die Informationsersuchen konnten durch – bereits dem Bundeskartellanwalt vorliegende – Unterlagen beantwortet werden, sodass keine weiteren Ermittlungshandlungen notwendig waren.

Zu 5:

Bei einem Durchsetzungsersuchen wurde festgestellt, dass ein innergemeinschaftlicher Verstoß vorlag, folglich wurde das Unternehmen auf Grundlage von Art. 8 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 4 lit. a) der VO (EG) 2004/2006 vom Bundeskartellanwalt schriftlich aufgefordert, das inkriminierte Verhalten einzustellen. Es war jedoch noch ein weiterer intensiver Schriftwechsel mit der Rechtsvertreterin des betreffenden Unternehmens bis zur Abstellung des inkriminierten Verhaltens erforderlich.

Ein zweites Verfahren ist derzeit anhängig. Da es aufgrund der von der ersuchenden Behörde übermittelten Informationen keineswegs eindeutig war, dass tatsächlich ein inner­gemeinschaftlicher Verstoß oder auch nur ein begründeter Verdacht in diese Richtung vorliegt, wurde die auffordernde Behörde um weitere Informationen ersucht. Diese wurden jedoch bis dato noch nicht übermittelt (die gesetzte Frist läuft noch).

Weitere Ersuchen wurden nicht gestellt.

Zu 6:

Bis dato gingen insgesamt 36 Informationen ohne Ersuchen („Alert”) beim Bundeskartellanwalt ein. Die weit überwiegende Mehrzahl stammt aus einem Mitgliedstaat, der offenkundig sämtliche „Alerts” an alle Mitglieder des Verbraucherbehörden-Netzwerkes übermittelt.

Zu 7 und 8:

Die Behörde Bundeskartellanwalt besteht derzeit aus Bundeskartellanwalt Dr. Alfred Mair und seinem Stellvertreter Mag. Gustav Stifter, die neben ihren Hauptaufgaben auf dem Gebiet des Kartell- und Wettbewerbsrechts auch mit der Vollziehung des Verbraucher­behörden-Kooperationsgesetzes in ihrem Wirkungsbereich befasst sind.

Zu 9:

Ein Beamtenaustausch ist vom Bundeskartellanwalt nicht geplant.

Zu 10:

Die für die Vollziehung des Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetzes (sonstigen) notwendigen Mittel werden dem Bundeskartellanwalt nach Bedarf zur Verfügung stehen. Bislang hat sich aber noch kein derartiger Bedarf ergeben.

Zu 11:

Eine eigene behördeninterne Regelung der Vollziehung des Verbraucherbehörden­kooperations­gesetzes oder eine Geschäftsordnung des Bundeskartellanwalts existiert im Hinblick auf die monokratische Behördenstruktur sowie der Tatsache, dass die Behörde Bundeskartellanwalt derzeit aus lediglich zwei Personen besteht, nicht.

Zu 12:

Wenn die Voraussetzung für die Übertragung der Befugnisse im Sinn des § 12 VBKG vorliegen, wird der Bundeskartellanwalt davon nach Ermessen Gebrauch machen.

Zu 13:

Bislang sind beim Bundeskartellanwalt noch keine Verbraucherbeschwerden eingegangen.

Zu 14:

Im Regierungsprogramm für die 23. Gesetzgebungsperiode ist im Kapitel „Justiz“ unter anderem davon die Rede, dass die letzten Novellen des Wettbewerbs- und Kartellrechts einer Evaluierung zu unterziehen sind. Dazu hat das Bundesministerium für Justiz mehrere Arbeitsgespräche mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und den beteiligten Kreisen geführt. Wenngleich die Evaluierung des Kartell- und Wettbewerbsrechts noch nicht als abgeschlossen angesehen werden kann, kann bereits jetzt festgehalten werden, dass eine Abschaffung des Bundeskartellanwalts – allen­falls auch im Wege einer „Fusion“ mit der Bundeswettbewerbsbehörde – abzulehnen ist. Eine Stärkung der Wettbewerbskontrolle in Österreich sollte vielmehr dadurch erfolgen, dass die bestehenden und bewährten Institutionen – Bundeskartellanwalt und Bundeswettbewerbsbehörde – beibehalten und zusätzlich gestärkt werden. Auch sollte sich nichts an der bewährten Kartellgerichtsbarkeit, die durch das Oberlandesgericht Wien und den Obersten Gerichtshof wahrgenommen wird, ändern.

Jedenfalls hat die Evaluierung bisher ergeben, dass dem Kartellanwalt hohe Effizienz bei äußerst bescheidenem Mitteleinsatz zugebilligt, wohingegen bei der Wettbewerbsbehörde noch quantitativer wie qualitativer Aufholbedarf gesehen wird. Selbst die Interessensvertretungen, die der Einführung des Kartellanwalts skeptisch bzw. ablehnend gegenüber gestanden sind, gestehen zu, dass die bisherige Arbeit des Kartellanwalts vorbildlich war und nicht zu den von ihnen befürchteten Problemen geführt hat.

Kartellanwalt Dr. Mair und sein Stellvertreter Mag. Stifter haben also hervorragende, die Tätigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde ergänzende Arbeit geleistet;  ursprüngliche Befürchtungen in Hinblick auf allfällige Doppelgleisigkeiten in der Praxis haben sich nicht bestätigt.

Würde man die durch Anträge des Kartellanwalts für das Bundesbudget eingenommenen Geldbußen – nun ganz ohne Betrachtung der Auswirkungen auf den Markt – mit dessen Kosten gegen rechnen, würde er allein über verhängte Geldbußen in der Höhe mehrere Millionen Euro netto dem Steuerzahler mehr bringen, als er kostet. Die jährlichen Kosten des Kartellanwaltes betragen rund 200.000 Euro.

Aus meiner Sicht stellt sich daher die Frage einer „Zusammenlegung“ der Kompetenzen des Bundeskartellanwalts und der Bundeswettbewerbsbehörde nicht. Zur allfälligen Ausstattung mit finanziellen und personellen Mitteln kann ich daher vorerst nicht näher Stellung nehmen.

Richtig ist, dass im Fall einer solchen Maßnahme die Funktion des Bundeskartellanwalts nach dem Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz neu überdacht werden müsste.

Zu 15:

Die Auswirkungen der so genannten „Dienstleistungsrichtlinie“ auf die Kooperation der Verbraucherschutzbehörden können derzeit nicht abgeschätzt werden. Die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz sollen aber einen effizienten und nachhaltigen Vollzug der zum Schutz des Verbrauchers erlassenen Richtlinien und Verordnungen ermöglichen. Dazu können auch zivilrechtliche Auswirkungen der in der Anfrage angesprochenen „Dienstleistungsrichtlinie“ zählen.

 

. August 2008

 

(Dr. Maria Berger)



[1] Richtlinie (EG) 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. Nr. L 144 vom 4. Juni 1997, S. 19, geändert durch die Richtlinie 2002/65/EG, ABl. Nr. L 271 vom 9. Oktober 2002, S. 16;

[2] Richtlinie 94/47/EG zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABl. Nr. L 280 vom 29. Oktober 1994, S. 83;

[3] Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. Nr. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1;
später wurde das Ersuchen auf die Fernabsatz- Richtlinie (siehe FN 1) bezogen.