4645/AB XXIII. GP

Eingelangt am 29.08.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Neubauer, Kolleginnen und Kollegen haben am 8. Juni 2008 unter der Nr. 4739/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Views des UN-Menschenrechtsausschusses gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 bis 5:

Ø      Haben Sie Kenntnis davon, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nati­onen im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang Lederbauer gegen die Republik Österreich in einer an die Österreichische Bundes­regierung gerichteten Mitteilung (Views) vom 13.7.2007 eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers Dr. Lederbauer auf ein faires Verfahren durch die Republik Österreich festgestellt und des weiteren befunden hat, dass dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung sowie auf ange­messenen Schadenersatz zusteht?

Ø      Wurde Ihres Wissens Dr. Lederbauer von der Republik Österreich mittlerweile ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung eingeräumt?

Ø      Wurde Ihres Wissens Dr. Lederbauer von der Republik Österreich mittlerweile an­gemessener Schadenersatz geleistet?

Ø      Bei Verneinung der Fragen 2 und 3: Wann und wie werden Sie der Auffassung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang Lederbauer gegen die Republik Österreich Umsetzung verleihen oder gedenken Sie, die Auffassung des Men­schenrechtsausschusses der Vereinten Nationen zu ignorieren?

Ø      Haben Sie bisher mit dem erfolgreichen Beschwerdeführer Dr. Lederbauer ein Ge­spräch über diese Angelegenheit geführt?


Vorauszuschicken ist, dass die aufgeworfenen Fragen konkrete Auffassungen (views“) des VN-Menschenrechtsausschusses ansprechen, die eine Verletzung des im Interna­tionalem Pakt über bürgerliche und politische Rechte (engl. ICCPR“) verankerten Rechts auf angemessene Verfahrensdauer in Bezug auf ein Verfahren vor dem Ver­waltungsgerichtshof feststellen. Diese Verletzung fällt nicht in den Verantwortungsbe­reich des Bundeskanzlers, noch ergibt sich daraus ein Bedarf einer Koordinierung durch den Bundeskanzler.

Es steht außer Frage, dass Österreich den sich aus VN-Menschenrechtsverträgen wie dem ICCPR ergebenden völkerrechtrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Zur Annahme eines rechtlich verbindlichen Charakters der Auffassungen der Vertragsor­gane wie des VN-Menschenrechtsausschusses besteht jedoch keine völkerrechtliche Rechtsgrundlage. In einem vergleichbaren Fall haben die österreichischen Gerichte kürzlich festgestellt, dass den Auffassungen keine innerstaatliche Verbindlichkeit zu­kommt und sie keine subjektiven Rechte Einzelner begründen.

Ungeachtet dessen werden die Auffassungen des VN-Menschenrechtsausschusses und ein allfälliger sich daraus ergebender Handlungsbedarf jeweils sorgfältig geprüft. Zu der Erörterung der Auffassungen und einer allfälligen freiwilligen Entschädigungs­leistung bietet im Übrigen die österreichische Bundesverfassung ein adäquates Fo­rum in Gestalt der Volksanwaltschaft.

Der in der Anfrage erwähnte Beschwerdeführer hat seine Sicht der rechtlichen Be­wertung und der Folgen der Auffassungen mehrfach umfassend schriftlich vorgetra­gen; persönliche Vorsprachen haben auf Beamtenebene stattgefunden. Im ange­sprochenen Fall kam es - abgesehen davon, dass eine Korrektur“ der Dauer eines bereits seit Jahren abgeschlossenen Verfahrens aus faktischen Gründen nicht mölich ist - bisher nicht zur Zahlung von Schadenersatz. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass sich die Höhe allfälliger freiwilliger Entschädigungszahlungen an


der Entschädigungspraxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ori­entieren könnte, wie dies auch in anderen Vertragsstaaten erfolgt.

Zu den Fragen 6 bis 8:

Ø      Haben Sie bisher den parlamentarischen Menschenrechtsausschuss über diese Angelegenheit informiert und ihn damit befasst?

Ø      Wenn ja, wann und in welcher Weise?

Ø      Wenn nein, wann werden Sie dies tun?

Dies ist in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen.

Zu Frage 9:

Ø      Sofern Sie - im Widerspruch zu den eingangs zitierten Expertenmeinungen -nach wie vor die Auffassung vertreten sollten, dass die Views des Menschen­rechtsausschusses der Vereinten Nationen innerstaatlich nicht unmittelbar ver­bindlich seien, weil der UN-Menschenrechtspakt vom Nationalrat seinerzeit unter dem Vorbehalt genehmigt wurde, dass er im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Bundes­Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist: Wann werden Sie (angesichts des Umstandes, dass der erwähnte Pakt durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist) im Ministerrat ein entsprechendes Erfüllungsgesetz zur Beschlussfassung vorlegen?

Der Erfüllungsvorbehalt wurde im Hinblick darauf, dass die durch den Pakt garantier­ten Rechte zum überwiegenden Teil schon bisher in der österreichischen Rechtsord­nung gewährleistet waren, beschlossen.

Zu Frage 10:

Ø     Sind Sie - angesichts der (sowohl in der Diskussion um den EU-Reformvertrag als auch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten) von der Österreichischen Bundes­regierung immer wieder befürworteten, hervorgehobenen und für notwendig er­achteten Verbesserung der Grundrechtssituation - der Ansicht, dass es im anfra­gegegenständlichen Anlassfall verstärkter Bemühungen der Bundesregierung be­darf, um dem Grundrechtsschutz in concreto zum Durchbruch zu verhelfen und wenn ja, was werden Sie zu diesem Zweck wann tun?

Gerade die Bemühungen der laufenden Gesetzgebungsperiode haben mit der Ein­richtung des Asylgerichtshofes ganz wesentlich zur künftigen Entlastung des Verwal-tungsgerichtshofes beigetragen. Auf die vom UN-Menschenrechtsausschuss festge­stellte Rechtsverletzung durch eine unangemessen lange Dauer eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde daher bereits angemessen reagiert.