4714/AB XXIII. GP

Eingelangt am 05.09.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0153-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4759/J-NR/2008

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Investments in Kroatien: Korruption und Betrug – EU-Beitritt?“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 7, 13 und 14:

Eingangs darf ich auf die Beantwortung der Parallelanfragen durch die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten und den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hinweisen.

Die Staatsanwaltschaft Graz führt gegen österreichische, kroatische und bosnische Staatsangehörige ein umfangreiches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs und der Untreue sowie der Vergehen der Urkundenfälschung und nach § 122 GmbHG im Zusammenhang mit „Leasing Betrügereien im Jahre 2006“ zum Nachteil der Steirischen Landes-Hypobank. Diese Ermittlungen werden von der Oberstaatsanwaltschaft  Graz überwacht und trotz des beträchtlichen Umfangs der behaupteten Malversationen und Schadenshöhe zügig geführt. Es liegt ein umfangreiches Sachverständigengutachten zu den Geschäftsfällen und Schadensbeträgen vor. Die im Einleitungstext dieser Anfrage bezeichnete „Netzwerkanalyse“ ist Gegenstand einer Anzeige gegen unbekannte Täter wegen des Verdachtes der Verleumdung.

Ich ersuche um Verständnis, dass ich mich im Hinblick auf die Anhängigkeit des Verfahrens einer inhaltlichen Beurteilung enthalte.

Ein Verfahren wegen des Verdachtes des Betrugs zum Nachteil der Utendorfer Firmengruppe Altenberger (Salzburg) im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Bau von Ferienbungalows in Kroatien ist im Bereich der Oberstaatsanwaltschaft Linz nicht anhängig. Aus den zur Verfügung stehenden elektronischen Registern lassen sich weder Anzeigen dieser Firmengruppe noch des Wilfried Holleis feststellen. Die parlamentarische Anfrage wurde der Oberstaatsanwaltschaft  Linz zur Kenntnis gebracht.

Strafverfahren wegen ähnlicher „Problemfälle zum Nachteil österreichischer oder europäischer Investoren in Kroatien“ sind nicht bekannt.

Zu 8 bis 12:

Das Bundesministerium für Justiz hat in dem mit 1,4 Millionen Euro dotierten CARDS 2003 Twinning-Projekt „Reform des kroatischen Gerichtssystems“ zwischen Juni 2006 und Juni 2008 zusammen mit dem Wirtschaftsförderungsinstitut, der Handelskammer und dem Center of Legal Competence (CLC) Verbesserungsmaßnahmen in folgenden Bereichen der kroatischen Justiz umgesetzt:

-          Entwicklung und Management von Informationsprozessen,

-          Rationalisierungen im Gerichtssystem,

-          Standardisierung von Gerichtsformularen und

-          „Computerisierung“ und Modernisierung der kroatischen Justiz.

Dabei wurden insbesondere die Gerichtsstatistik als Grundlage für eine gerechte Verteilung von Personal und Arbeit mit modernen Softwaretools ausgestattet, die Gerichtsinspektion verbessert und ein Fortbildungskonzept erstellt. Ein Plan für Gerichtszusammenlegungen wurde ausgearbeitet und mit Kosten- und Nutzenanalysen hinterlegt. Darüber hinaus wurden elektronische standardisierte Formulare und Gerichtsdokumente entwickelt, die die Bürgerfreundlichkeit erhöhen und die Effizienz der kroatischen Gerichtsbarkeit steigern helfen sollen. Führende Unterstützung leistete die österreichische Justiz auch bei der Einrichtung einer Verfahrensautomation nach österreichischem Vorbild. Kroatien hat zu diesem Projekt intensive Anstrengungen zur Verbesserung der Effizienz und Modernisierung der kroatischen Justiz unternommen.

Konkrete Ergebnisse der Bemühungen um eine Anpassung des kroatischen Rechtsbesitzstandes an den Gemeinschaftsrechtsacquis im Justizbereich, aber auch der Anstrengungen zur Verbesserung des Justizsystems in organisatorischer Hinsicht lassen sich an den Fortschritten Kroatiens im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses sowie an den Fortschritten bei den Beitrittsverhandlungen der EU mit Kroatien ablesen. Die Europäische Kommission veröffentlichte ihren letzten Fortschrittsbericht zu Kroatien am 6. November 2007 (Dokument SEC (2007) 1431). Unter Berücksichtigung dieser nicht durchwegs positiven Ergebnisse nahm der Rat der EU am 20. Dezember 2007 einen Beschluss über die Grundsätze, Prioritäten und Bedingungen einer Beitrittspartnerschaft mit Kroatien an (ABl Nr. L 042 vom 16.2.2008, S.0051-0062). Darin werden für den künftigen EU-Beitritt Kroatiens neue Handlungsprioritäten festgelegt und weiterhin gültige übernommen. Genannt werden u.a. die Aktualisierung und Umsetzung der Strategie und des Aktionsplans für die Justizreform, die Aktualisierung und beschleunigte Umsetzung des Programms zur Korruptionsbekämpfung und der dazugehörigen Aktionspläne und Gewährleistung besser abgestimmter und proaktiver Maßnahmen zur Prävention, Aufdeckung und effektiven Verfolgung von Korruption, insbesondere auf hoher Ebene.

Die Reform des kroatischen Rechtsbesitzstandes und Justizwesens steht auch im Fokus der EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien. Dabei sind die Verhandlungskapiteln 23 (Justiz und Grundrechte) und 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit) von besonderer Relevanz. Zu Kapitel 24 liegt derzeit ein Entwurf der Verhandlungsposition der EU vor (Dokument DS 181/08 REV 2), in dem u.a. die Fortschritte, aber auch Defizite im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen und der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dargestellt sind. Die Verhandlungen über dieses Kapitel wurden – ebenso wie jene über das Kapitel 23 – noch nicht eröffnet. Zu Kapitel 23, das sich ausführlich mit der vielfach verbesserungswürdigen Organisation des kroatischen Justizwesens beschäftigt, wurde das sogenannte „screening“ durch den Screeningbericht der Europäischen Kommission vom 27. Juni 2007 (Dokument MD 210/07) abgeschlossen.

 

. September 2008

 

(Dr. Maria Berger)