4715/AB XXIII. GP
Eingelangt am 05.09.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0158-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 4835/J-NR/2008
Der Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Peter Fichtenbauer und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Reorganisation der Strafvollzugsverwaltung“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 5 und 7:
Mit der vom Parlament im Mai 2006 beschlossenen Novelle zum Strafvollzugsgesetz wurde die Vollzugsdirektion als Dienstbehörde I. Instanz und Vollzugsoberbehörde eingerichtet. Dieser Organisationsmaßnahme lag die Konzeption zu Grunde, wonach die Vollzugsdirektion für die operativen und die Stabsstelle Strafvollzug für die strategischen Angelegenheiten des Straf- und Maßnahmenvollzuges zuständig sein sollte.
Aus Anlass dieser Gesetzesnovelle wurde meine damalige Amtsvorgängerin als Justizministerin mit im Wesentlichen gleichlautenden Entschließungen des National- und Bundesrates ersucht,
1. nach Einrichtung der Vollzugsdirektion, im Sinne einer dezentralen Organisation und einer damit einhergehenden Stärkung der Anstalten zu prüfen, welche Agenden den Anstalten übertragen werden können und dies in weiterer Folge konsequent umzusetzen und
2. dem Nationalrat bis Jänner 2008 einen Fortschrittsbericht über die Erfahrungen mit der Neuorganisation und die geplanten weiteren Schritte die Organisation der Justizwache betreffend, vorzulegen.
In Entsprechung dieser Entschließungen habe ich die Innere Revision des BMJ im November 2007 damit beauftragt, das derzeitige Zustandsbild („der Stabsstelle Strafvollzug sowie der Vollzugsdirektion") einschließlich der Mitarbeiterzufriedenheit zu beschreiben sowie gegebenenfalls Ansatzpunkte für Adaptierungen im Kompetenzgefüge, Nachjustierungen im Arbeitsablauf oder Verbesserungen im Zusammenwirken zu erarbeiten. In diesem Sinn sollte durch entsprechende Erhebungen auf allen Organisationsebenen ermittelt werden, wie sich die Kompetenzaufteilung, das Führungsverhalten, der lnformationsfluss und die Zusammenarbeit insbesondere im dienstrechtlichen Bereich entwickelt bzw. bewährt haben.
Entgegen der der Anfrage zu Grunde liegenden Interpretation, weist der Revisionsbericht aber keinesfalls uneingeschränkt positive Ergebnisse zur Vollzugsdirektion aus. Die Revision hat im Ergebnis vielmehr einen dringenden Änderungsbedarf in Richtung einer zentralen, universell verantwortlichen Führungsstruktur in der Strafvollzugsverwaltung und den Wunsch ebenso wie den Bedarf nach einer weiteren Stärkung der Kompetenzen der Leiterinnen und Leiter der Justizanstalten festgestellt.
Ausgehend von diesem Revisionsergebnis habe ich daher in Entsprechung der in Art. 74 und Art. 76 B-VG normierten Ministerverantwortlichkeit und der hiezu in § 14 StVG und insbesondere in § 4 Abs. 1 BMG übertragenen besonderen Aufsichts- und Durchgriffsbefugnis die Einrichtung einer einheitlichen zentralen Steuerungsebene im Bundesministerium für Justiz als oberste Dienst- und Vollzugsbehörde in einer Generaldirektion (Sektion) unter Zusammenführung sämtlicher den Strafvollzug betreffenden Kompetenzen sowie die Übertragung der dienstbehördlichen Zuständigkeiten an die Leiterinnen und Leiter der Justizanstalten in Auftrag gegeben.
Nach dem Revisionsergebnis lassen sich in der Vollzugspraxis strategische und operative Aufgaben tatsächlich nicht trennen. Daher wird die Vollzugsdirektion künftig von den strategisch-operativen Aufgaben weitestgehend entlastet, was eine Konzentration auf ihre Kernfunktionen als operative Vollzugsoberbehörde ermöglicht.
Entsprechend dem Auftrag des Hohen Hauses und in Übereinstimmung mit den Zielen der künftigen Haushaltsreform werden gleichzeitig weitere Agenden im Dienst- und Besoldungsbereich an die Leiterinnen und Leiter der Justizanstalten übertragen. Hierdurch werden die Kompetenzen und Zuständigkeiten der LeiterInnen der Justizanstalten nachhaltig im Sinne einer wirkungsorientierten Verwaltungsstruktur gestärkt, die Ergebnis- und Ressourcenverantwortung weitestgehend zusammengeführt und mit der neuen Vollzugsdirektion eine für diesen Prozess hochqualifizierte Servicestelle zur Verfügung gestellt. Innerhalb des Justizressorts werden mit der Errichtung einer Generaldirektion für den Strafvollzug die entsprechenden Kompetenzen und Ressourcen in sinnvoller Weise gebündelt, wodurch eine weitere Verringerung des ohnehin schon geringen Anteils des "Overheads" von ca. 2,3% erreicht werden kann.
Zu 6:
Die Bestellungen in Leitungsfunktionen erfolgen nach den Vorgaben des Ausschreibungsgesetzes. Bewerbungen stehen jedem für diese Funktionen geeigneten Interessenten offen.
Zu 8:
Für die Stabsstelle Strafvollzug sind 8 Planstellen systemisiert.
Zu 9:
Für die künftige Generaldirektion für den Strafvollzug sind 30 Planstellen vorgesehen.
Zu 10 bis 13:
Ein von meiner Amtsvorgängerin im November 2006 an den Herrn Bundespräsidenten übermittelter Entschließungsentwurf für die Besetzung der Planstelle des Leiters der Abteilung für Sicherheit in der Vollzugsdirektion wurde nicht retourniert. Da ich im Übrigen auch die Einschätzung meiner Amtsvorgängerin zur Eignung des ursprünglich vorgeschlagenen Bewerbers nicht uneingeschränkt teilen konnte, habe ich die Zurückziehung der Vorlage und die Neuausschreibung der genannten Funktion in Auftrag gegeben. Ich ersuche um Verständnis, dass ich über die einzelnen für die gewählte Vorgangsweise ausschlaggebenden Gründe aufgrund der Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses keine weiteren Auskünfte erteilen kann. Da Unklarheiten über die Funktionslegitimation eines Mitgliedes der für die Erstellung des Besetzungsvorschlages zuständigen Begutachtungskommission das Besetzungsverfahren länger verzögerten, ein geeigneter Bewerber seine Bewerbung zurückzog und die Evaluierung im parlamentarischen Auftrag mit einem offenen Ergebnis bevorstand, erschien zum damaligen Zeitpunkt eine vorweg langfristig personalpolitische Bindung nicht zweckmäßig. Die Funktion der Leitung der Abteilung Sicherheit wird vom stellvertretenden Leiter der Vollzugsdirektion und höchstrangigen Justizwachoffizier - er war fünf Jahre der Leiter der größten Justizanstalt Österreichs, der JA Wien Josefstadt - aufgrund seiner langjährigen Erfahrung und außerordentlichen fachlichen und persönlichen Eignung wahrgenommen.
Zu 14 und 15:
Aus Anlass meines Amtsantrittes war es mir ein persönliches Anliegen, allen Organisationseinheiten des Justizressorts, so auch jenen der Vollzugsverwaltung zur persönlichen Begegnung in geselligem Rahmen Gelegenheit zu bieten. Dies wurde von den MitarbeiterInnen des Justizressorts gerne angenommen. Abgesehen davon stehe ich aber im Wege meiner Kabinettsmitarbeiter in permanentem Kontakt mit der Vollzugsdirektion und verfüge daher immer über den aktuellen Informationsstand hinsichtlich der von der Vollzugsdirektion und im Speziellen von den dortigen Mitarbeitern erbrachten Arbeitsleistungen.
Zu 16 bis 20:
Die Übertragung der dienstbehördlichen Zuständigkeiten an die Leiterinnen und Leiter der 28 Justizanstalten bedingt grundsätzlich deren Einrichtung als Dienstbehörden I. Instanz.
Hiezu ist eine zeitlich gestaffelte, am erforderlichen Schulungsbedarf orientierte, schrittweise Übertragung der dienstbehördlichen Zuständigkeiten vorgesehen. Die Intensität einzelner Schulungsmaßnahmen ist von der Komplexität des Schulungsgegenstandes abhängig. Daneben wird für die Personalverwaltung - wie auch für die gesamten vollzugsbehördlichen Abläufe - ein an den ab 1. Jänner 2009 geänderten Bedingungen orientierter Work-flow erarbeitet, der allen MitarbeiterInnen der Vollzugsverwaltung in Form eines Handbuches zur Verfügung stehen wird. Das in der Vollzugsdirektion im Bereich der Personalverwaltung zweifellos vorhandene profunde Wissen wird aufgrund des Transfers verbreitet und auf diesem Weg der Vollzugsverwaltung vermehrt nutzbar gemacht. Auch weiterführende Schulungsangebote werden diesen Prozess begleiten.
Die Vollzugsdirektion bleibt Dienstbehörde I. Instanz im eigenen Wirkungsbereich sowie hinsichtlich der ihr nachgeordneten Dienststellen.
Zu 21:
Im Hinblick auf die bundeseinheitlichen laufenden Schulungsmaßnahmen für alle künftig mit Agenden der Personalverwaltung betrauten Mitarbeiter der Justizanstalten und die der Generaldirektion als Oberster Dienstbehörde zustehenden Mittel der Fachaufsicht bzw. ihre Zuständigkeit als Rechtmittelinstanz in Dienstrechtsangelegenheiten ist die Entwicklung einer gleichförmigen Spruchpraxis der Dienstbehörden I. Instanz jedenfalls sichergestellt.
Zu 22 bis 27:
Die Justizanstalten verfügen über hervorragende Mitarbeiter. Durch den zeitlich und inhaltlich gestaffelten, von Schulungsmaßnahmen begleiteten Wissens- und Kompetenztransfer ist die Übernahme der dienstbehördlichen Agenden sowohl quantitativ wie auch qualitativ gewährleistet. In der ersten Übergangsphase wird es kurz- bis mittelfristig zu einer breiteren, jedoch stetig abnehmend begleitenden Servicierung der Dienstbehörden I. Instanz kommen. Langfristig wird sich das Servicepotential auf hochkomplexe und nicht ständig anfallende Fragen des Besoldungs- und Pensionsrechtes beschränken. Für die Verschiebung der dienstbehördlichen Zuständigkeit hat sich auch ein zusätzlicher Planstellenbedarf im Bereich der Justizanstalten als notwendig erwiesen. Das hiezu erforderliche Planstellenverschiebungspotential rekrutiert sich aber ausnahmslos aus den durch die Konzentrationsmaßnahmen im neuen Overhead frei werdenden Kapazitäten.
Zu 28:
Die neue Aufgabenverteilung verlangt zwingend eine Neubewertung der Arbeitsplätze in der Vollzugsdirektion. Diese wird aber im Vergleich zur derzeitigen Bewertungsstruktur von einzelnen Ausnahmen abgesehen, zu einer zumindest gleichen, wenn nicht höherwertigen Einstufung führen.
Zu 29:
Derzeit jedenfalls nicht. Nachdem die schrittweise Übertragung der dienstbehördlichen Aufgaben abgeschlossen ist und sobald die konkreten, in den einzelnen Dienstbehörden spürbaren Auswirkungen abschließend quantifiziert werden können, ist eine entsprechende Prüfung gem. §§ 137 und 143 BDG grundsätzlich nicht auszuschließen.
Zu 30:
Neben dem Leiter der Vollzugsdirektion, in dessen Funktionsbereich die wesentlichen Sicherheitsagenden konzentriert sind, steht insbesondere auch die Grundsatzabteilung der Generaldirektion für den Strafvollzug als Ansprechpartner für die besonderen Anliegen der Justizwache zur Verfügung.
Zu 31:
Die Vollzugsdirektion als Vollzugsoberbehörde hat gem. §§ 12 Abs. 2, 14 StVG die operative Fachaufsicht gegenüber den Justizanstalten als Vollzugsbehörden I. Instanz wahrzunehmen, um die Umsetzung und Aufrechterhaltung einheitlicher Betreuungsstandards zu gewährleisten.
Zu 32:
Aufgrund des für die Verwaltungsführung maßgeblichen Legalitätsprinzips sowie durch die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht ist - so wie in der Vergangenheit -auch in der Zukunft eine objektive dienstbehördliche Amtsführung gewährleistet.
Zu 33:
In der neuen Vollzugsdirektion werden so wie bisher insbesondere Exekutivbedienstete, Juristen, Psychologen, Sozialarbeiter ebenso wie auch Mitarbeiter des Allgemeinen Verwaltungsdienstes die gegenwärtige Interdisziplinarität weiterführen.
Zu 34 und 35:
Nein. Der von vielen Anstaltsleitern getragene Wunsch, den Personaleinsatz so weit wie möglich vor Ort in den Justizanstalten steuern zu dürfen, setzt grundsätzlich deren Installierung als Dienstbehörden I. Instanz voraus. Diese Maßnahme der Zusammenführung von Ergebnis- und Ressourcenverantwortung dient im Übrigen gerade als vorbereitender Schritt für die Umsetzung der Ziele der mittelfristig bevorstehenden Haushaltsreform (Globalbudget mit Personalhoheit). Es kann für das Gelingen dieses Vorhabens nur von Vorteil sein, rechtzeitig die ersten Teilschritte in diese Richtung zu setzen. Im Übrigen liegt es in der Natur von Organisationsveränderungen bzw. Kompetenzverlagerungen, dass anfänglich eine gewisse Zurückhaltung angesichts der noch unbekannten Faktoren besteht. In diesem Zusammenhang stehen die größeren Justizanstalten dem neuen Aufgabenbereich aufgrund ihrer umfassenderen Organisation aber interessiert offen gegenüber. Bei kleineren Justizanstalten werden gerade aufgrund der geringeren Personalausstattung die neuen Aufgabenbereiche auch nur in geringerem Umfang anfallen. Darüber hinaus werden die Serviceleistungen der erfahrenen Vollzugsdirektion in Unterstützung dieser Anstalten dazu beitragen, allfällige Berührungsängste rasch zu überwinden.
Zu 36:
Wie der durch die Revision hervorgekommene Reorganisationsbedarf belegt, konnten die vormaligen Änderungen der Strafvollzugsverwaltung die in sie gestellten Erwartungen nicht im erhofften Ausmaß erfüllen. Ziel der gegenwärtigen Reorganisation ist es daher, eine optimierte Verwaltungsstruktur im Rahmen des bestehenden Strafvollzugsgesetzes so einzurichten, dass die Funktionalität der neuen Organisationsstruktur die Motivation und konstruktive Arbeitshaltung der MitarbeiterInnen der Strafvollzugsverwaltung unterstützt und garantiert.
. September 2008
(Dr. Maria Berger)