4719/AB XXIII. GP

Eingelangt am 05.09.2008
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                 Wien, am     September 2008

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0113-I/4/2008

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4682/J vom 7. Juli 2008 der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Sachverständigengutachten von Menschen mit Behinderungen, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Die Daten der Steuerpflichtigen werden durch das Steuergeheimnis geschützt. Um sicher zu stellen, dass kein Zugriff durch unbefugte Dritte erfolgt, werden den Mitarbeitern ihre Rollen entsprechend dem Berechtigungssystem zugewiesen. Der ausschließlich dienstlich erfolgende Zugriff auf Steuerdaten unterliegt einer nachprüfenden Kontrolle durch das Büro für interne Angelegenheiten.

 

Zu 2.:

Zugriff auf die Daten haben die Sachbearbeiter des zuständigen Wohnsitzfinanzamtes. Dies sind die Mitarbeiter der Teams Allgemeinveranlagung, Betriebsveranlagung/-prüfung sowie Infocenter des jeweiligen Finanzamtes.

 

Zu 3.:

Der Dienstgeber hat in keinem Fall Zugriff; Kollegen nur dann, wenn die behinderte Person dem Team angehört.

 

Zu 4.:

Unter Bezugnahme auf den dargestellten Anlassfall darf zunächst darauf hingewiesen werden, dass sich entgegen dem offensichtlich entstandenen gegenteiligen Eindruck an der bisherigen Rechtslage nichts geändert hat. Bei dem der Anfrage beigefügten Formular Verf158 handelt es sich um ein vereinheitlichendes Schreiben, um in Einzelfällen die Übersendung von Sachverständigengutachten durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen anzufordern.

 

Gemäß §§ 114, 115 Bundesabgabenordnung (BAO) sind die Abgabenbehörden verpflichtet alles, was für die Abgabenbemessung wichtig ist, zu erheben. Sie haben die abgabenpflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die für die Abgabenpflicht und die Abgabenerhebung wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln. Daran anknüpfend ist in § 158 Abs. 3 BAO für die Dienststellen der Gebietskörperschaften die Verpflichtung festgelegt, den Abgabenbehörden jede zur Abgabenerhebung dienliche Hilfe zu leisten. Damit wird die Zulässigkeitsgrundlage für die Übermittlung der seitens des Finanzamtes benötigten Daten durch die Beistandspflicht des § 158 BAO komplettiert, sodass der Rechtfertigungsgrund des § 9 Z 4 Datenschutzgesetz (DSG) 2000 zum Tragen kommt.

 

Das Institut der Amtshilfe zielt auf konkrete Einzelfälle ab, weshalb ein genereller Daten-abgleich zwischen Behörden nicht gedeckt wäre. Tatsächlich werden aber Sachverständigen-gutachten ohnedies nur in jenen Ausnahmefällen angefragt, in denen mehrere Krankheiten oder Leiden vorliegen und zu klären ist, ob diese zu einer Behinderung führen bzw. ob die geltend gemachten tatsächlichen Kosten durch eine der gegebenen Behinderungen verursacht werden. Die Übermittlung des Gutachtens ist in diesen Fällen erforderlich, da aus dem Behindertenpass lediglich der Gesamtgrad der Behinderung ersichtlich ist. Die Details sind hingegen erst aus der Kopie des ärztlichen Gutachtens zu ersehen. Dieses Vorgehen ist für die behinderten Menschen regelmäßig günstiger als eine Anfrage beim Steuerpflichtigen, da andernfalls das Finanzamt diesen auffordern müsste, das Gutachten selbst vorzulegen, womit der behinderten Person zusätzliche Belastungen entstehen würden.

 


Zu 5. und 8.:

Wird beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die Ausstellung eines Behindertenpasses begehrt, kann auf dem Formular die Einverständniserklärung zur Weitergabe der im Pass enthaltenen Daten an das zuständige Finanzamt im Zusammenhang mit der Gewährung von Steuerfreibeträgen abgegeben werden. Eine elektronische Übermittlung findet gegenwärtig allerdings nicht statt. In allen anderen Fällen werden die Daten unmittelbar vom Steuerpflichtigen selbst zur Erlangung eines Freibetrages vorgelegt.

 

§ 35 Abs. 8 EStG 1988 bezieht sich nicht auf die Übermittlung auf Grund einer Anfrage im Einzelfall, sondern auf die elektronische Übermittlung von Daten, die für die Berücksichtigung von Freibeträgen im Sinne des § 35 Abs. 1 bis 3 und 7 EStG 1988 erforderlich sind und in der Datenbank des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen gespeichert sind. Sofern eine Person nicht ihr Einverständnis erteilt hat, wären künftig vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen keine Daten an das Finanzamt zu übermitteln. Wie bereits erwähnt,  erfolgt zurzeit noch keine elektronische Übermittlung von Daten.

 

Zu 6.:

Medizinische Sachverständigengutachten dienen dazu jene Krankheiten ersichtlich zu machen, die den Grad der Behinderung begründen. Aufgrund dessen kann beurteilt werden, welche zusätzlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Ein Behindertenpass enthält gemäß § 42 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) - neben den Personalien - den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Diese Daten sind ausreichend, um die Höhe eines Freibetrages nach § 35 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 zu bestimmen, da sich diese gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Sie reichen aber nicht aus, um die vom Antragsteller - allenfalls neben den Freibeträgen - geltend gemachten Aufwendungen für Hilfsmittel oder Kosten der Heilbehandlung zu beurteilen. Sollte im konkreten Fall eine Berücksichtigung tatsächlich erwachsener Kosten gemäß § 34 Abs. 6 vierter Teilstrich EStG 1988 beantragt worden sein, kann das Bestehen eines diesbezüglichen Anspruchs ebenfalls nur unter Heranziehung weitergehender medizinischer Daten geprüft werden. Diese Kontrolle ist keinesfalls verpflichtend vorgesehen, sondern kann vom Finanzamt im Bedarfsfall erfolgen. Es wird angemerkt, dass es sich um keine flächendeckende Maßnahme handelt, sondern nur wenige Einzelfälle betroffen sind.

 


Zu 7.:

Die Norm des § 158 BAO ist im Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§ 114, 115 BAO zu betrachten, die in ihrer Gesamtheit weit reichende Gesetzesvorbehalte zu Gunsten der Ermittlungs- und Vollstreckungsaufgaben der Abgabenbehörden im Sinne der §§ 1 Abs. 2 und 9 Z 4 DSG 2000 enthalten. Diese die abgabenrechtliche Amtshilfe regelnden Vorschriften werden insofern der von § 1 Abs. 2 DSG 2000 für die Verwendung sensibler Daten normierten Forderung nach Vorliegen wichtiger öffentlicher Interessen gerecht, als sie dem Interesse der Allgemeinheit an der Wahrung der Gleichmäßigkeit und Rechtsrichtigkeit der Besteuerung dienen. Die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes hindern daher keineswegs die Beauskunftung gegenüber den Abgabenbehörden.

 

Zu 9.:

Es werden nur jene Daten angefordert, die auf Grund der Anträge des Steuerpflichtigen von abgabenrechtlicher Bedeutung sind. Die abgabenrechtlich maßgeblichen Daten fließen in den Bescheid ein und werden - falls erforderlich - für zukünftige Veranlagungsfälle gespeichert. Das Gutachten selbst wird nicht gespeichert.

 

Zu 10.:

Wie bereits erläutert, hat sich an der Rechtslage mit 1. Juli 2008 nichts geändert. Schon bisher genügte die Bekanntgabe des Grades der Behinderung allein nicht in jedem Fall, um dem Finanzamt die benötigten Informationen zu liefern. Die Kenntnisnahme von der Ursache des Behinderungsgrades ist für steuerrechtliche Zwecke deshalb erforderlich, da Aufwendungen nur dann zu berücksichtigen sind, sofern sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Die Ursache des Grades der Behinderung sowie weitere relevante Details - wie etwa die Zusammensetzung der Einstufung bei Zusammentreffen mehrerer Leiden - sind aufgrund des Behindertenpasses nicht zu erkennen, sondern erst durch Heranziehung des beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen angeforderten Sachverständigengutachtens.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Mag. Wilhelm Molterer eh.