4799/AB XXIII. GP
Eingelangt am 10.09.2008
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am September 2008
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0119-I/4/2008
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4788/J vom 10. Juli 2008 der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen, betreffend „Mindereinnahmen aufgrund der Gruppenbesteuerung“, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Einleitend möchte ich auf die Intentionen bei Einführung der Gruppenbesteuerung näher eingehen und deren Ziele erläutern. Im Jahr 2004 wurde im Rahmen der Arbeiten an der Steuerreform 2005 die bestehende Organschaftsregelung analysiert, bezüglich der europarechtliche Bedenken bestanden. An Stelle der veralteten Organschaftsregelung trat eine moderne und international attraktive Gruppenbesteuerung. Dies erfolgte aus folgenden Gründen:
Die Wirtschaft beklagte seit Jahren, dass die Organschaftsregelungen im Körperschaftsteuer-recht veraltet und bürokratisch seien und damit nicht mehr den heutigen internationalen Standards entsprechen würden. Die Wesensmerkmale einer Organschaft waren Folgende:
· Eine Organschaft über die Grenze war nicht möglich.
· Eine Organschaft konnte nur zwischen inländischen Unternehmungen gebildet werden.
· Für die finanzielle Eingliederung benötigte man eine 51%ige bis 75%ige unmittelbare Beteiligung.
· Es musste in gewissem Umfang eine Personenidentität in der Unternehmensführung von Organmutter und Organtochter vorliegen (organisatorische Eingliederung); eine Anforderung, die der modernen Unternehmensführung absolut nicht mehr entspricht.
· Die Organmutter und die Organtochter mussten einander betriebswirtschaftlich ergänzen (wirtschaftliche Eingliederung). Diese Voraussetzung bereitete in der Praxis große Probleme.
· Der Abschluss eines für mindestens 5 Jahre geltenden Ergebnisabführungsvertrages war eine weitere Voraussetzung.
· Die Organtochter musste ihren Gewinn an die Organmutter abführen. Die Organmutter hatte dafür wiederum die Verluste der Organtochter abzudecken. Dies untergräbt die Eigenverantwortlichkeit der Unternehmensführung der Organtochter.
Österreich erfuhr durch modernere Gruppenbesteuerungsregelungen anderer Länder einen gravierenden Standortnachteil. Im Hinblick auf den heutigen Steuerwettbewerb war es daher dringend notwendig, eine nicht zeitgemäße Besteuerung von Unternehmensverbänden durch eine Neuordnung dieses Bereiches zu ersetzen.
Mit dem Unternehmensgruppenbesteuerungskonzept werden die Niederlassung von Konzernen in Österreich gefördert und moderne Organisationsstrukturen in Konzernen (Profitcenter) steuerlich berücksichtigt. Die Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschaftsstandort ist entscheidend für Wachstum und die Schaffung von Arbeitplätzen. Durch die Einführung einer modernen Gruppenbesteuerung wurde ein starker Impuls für den Wirtschaftsstandort Österreich gesetzt. Kommen Forschungszentren und Headquarters nach Österreich, werden dadurch zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Das steigende Interesse von Investoren und damit zahlreiche Standortansiedlungen infolge der attraktiven Gruppenbesteuerung belegen eindrucksvoll, dass sich diese Maßnahme als voller Erfolg im Sinne einer nachhaltigen Standortpolitik erweist.
Diese Zielsetzungen werden mit folgenden Eckwerten der Neukonzeption einer Gruppen-besteuerung erreicht:
· Bei mehr als 50 % Kapitalbeteiligung können die Ergebnisse von Mutter- und Tochterunternehmung wahlweise zusammengefasst besteuert werden (damit ist insbesondere Verlustausgleich möglich).
· Gruppenbildung über die Grenze ist zulässig.
· Mehrmütterorganschaft ist mit Erfordernis eines Kernaktionärs (40%) möglich – Joint Ventures
Ergänzend darf ich darauf hinweisen, dass es bereits bislang möglich war, durch den Kauf einer ausländischen Betriebstätte Verluste über die Grenze zu lukrieren. Die Gleichstellung einer Beteiligung mit der Betriebsstätte stellte nur die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Gleichbehandlung her. Der massiven Forderung der Wirtschaft, auch alle Enkel- und Urenkelgesellschaften in die Gruppenbesteuerung mit aufnehmen zu können, wurde nicht gefolgt. Die oftmals bei Einführung getroffene Aussage, dass große Unternehmen durch die Gruppenbesteuerung noch weniger Steuern zahlen, ist daher nicht zutreffend. Die Gruppenbesteuerung verankert lediglich bisher durch Umgründungen erreichte Ziele im Gesetz. Zudem ist anzumerken, dass es im Fall einer Verlustverwertung im Ausland zu einer Nachversteuerung im Inland kommt.
Nun zu den konkreten Fragen:
Zu 1.:
8.629 Unternehmen sind in insgesamt 2.196 Gruppen zusammengefasst.
Zu 2.:
Es sind insgesamt 56 Joint Ventures zu verzeichnen.
Zu 3. und 4.:
Inwieweit insgesamt steuerliche Mindereinnahmen auf Grund der Gruppenbildung zu verzeichnen sind, stellt eine hypothetische Frage dar. Wäre die Möglichkeit der Gruppenbesteuerung nicht gegeben, hätte womöglich eine Umgründung stattgefunden, wäre ein Abzug von operativen Geschäften aus Österreich überlegt worden, wäre von der Möglichkeit der Verwertung von Verlusten über eine ausländische Betriebsstätte Gebrauch gemacht oder die Möglichkeit der Organschaft überlegt worden etc. Es können daher keine Berechnungen von Mindereinnahmen durchgeführt werden, da die Vergleichsbasis fehlt.
Zu 5. und 7.:
Die Frage der Auslandsverluste wird überprüft wie es auch bei der Betriebsstättenregelung der Fall ist. Zunächst ist der Nachweis der Auslandsverluste zu erbringen. Wenn dieser gegeben ist, ist zu erheben, ob der betreffende Verlust nicht im Ausland verwertet wurde. Auch die Frage der Umrechnung ist relevant. Ich darf darauf hinweisen, dass durch die Betriebsstättenregelung ohnehin umfassende Erfahrung in der Finanzverwaltung - sei es im Innendienst oder im Außendienst - bei der Berücksichtigung von Auslandsverlusten besteht.
Zu 6.:
Die Gruppenbesteuerung wurde nicht als isolierte Maßnahme eingeführt, sondern gleichzeitig der Körperschaftsteuersatz von 34% auf 25% abgesenkt, die Mehrfachverwertung von Teilwertabschreibungen ausgeschlossen und zudem im Rahmen verschiedener Gesetzespakete die Forschungsförderung attraktiviert. Diese Maßnahmen stehen in ursächlichem Wirkungszusammenhang, sodass nicht eine Maßnahme isoliert zur Evaluierung herangezogen werden kann. Welcher Anteil daher allein auf die Gruppenbesteuerung entfällt ist somit nicht quantifizierbar.
Das Körperschaftsteueraufkommen ist auf Grund der – wie auch in der Anfrage angeführt - gestiegenen Unternehmensgewinne nicht im erwarteten Ausmaß gesunken, sondern hat sich auch infolge der Neuansiedelungen und nicht zuletzt bedingt durch die gute Wirtschaftslage in Österreich in den Jahren 2006 und 2007 positiv entwickelt.
Mit freundlichen Grüßen