4806/AB XXIII. GP
Eingelangt am 11.09.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0169-Pr 1/2008
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 4928/J-NR/2008
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Türkische Holdings (Islam-Holdings): Wertlose Beteiligungen – Underground Banking – Organisierter Anlagebetrug in Westeuropa“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Die in der Anfrageeinleitung beschriebenen Fälle waren dem Bundesministerium für Justiz bislang nur insoweit bekannt, als sie in den Medien Niederschlag fanden. Einzelnen Staatsanwaltschaften wurden einige der angeführten Fälle im Oktober 2003, im September 2005 und am 12. Februar 2008 teilweise bekannt. Ermittelt wurde konkret gegen die Verantwortlichen der Yimpas Group AG, Yimpas Verwaltungs GmbH und Kaldera Ltd. Nach den mir vorliegenden Informationen wurden drei Strafanzeigen erstattet, wobei mangels entsprechender Verdachtsmomente keine Erhebungen wegen Geldwäscheverdachtes geführt wurden. Zu Anklageerhebungen bzw. zu urteilsmäßigen Erledigungen ist es bislang nicht gekommen.
Zu 2, 5, 6, 57 und 59:
An das Bundesministerium für Justiz sind – nach den mir vorliegenden Informationen – weder Beschwerden von Geschädigten herangetragen worden noch hat es in diesem Zusammenhang Kontakte mit türkischen Vertretungskörpern gegeben. Es haben sich insgesamt drei Geschädigte bei den Staatsanwaltschaften gemeldet. In der Folge wurden zahlreiche weitere Geschädigte ausgeforscht. In einem Fall wurde die Strafverfolgung von einer ausländischen Justizbehörde übernommen, in einem anderen Fall wurde das Ermittlungsverfahren mangels weiterer Erhebungsansätze im Inland abgebrochen. Informationen, die mir eine seriöse Schätzung darüber erlauben würden, wie viele Geschädigte es in Österreich gibt, liegen mir nicht vor. Daher ist es mir auch nicht möglich, die Höhe der von den Geschädigten investierten Beträge auch nur annähernd anzugeben.
Zu 3 und 4:
Nach den mir vorliegenden Informationen sind eine Kaldera Ltd., eine Yimpas Verwaltungs GmbH und eine Yimpas Group AG bekannt geworden. „Ableger“ dieser Unternehmen in Österreich sind den Staatsanwaltschaften nicht bekannt.
Zu 7:
Nach den mir vorliegenden Informationen wurden den Anlegern in einem Fall bis zu 40 Prozent Zinsen samt allfälligen Prämien, in anderen Fällen eine Gewinnausschüttung von 20 Prozent nach einem Jahr bzw. eine garantierte jährliche Gewinnquote von 20 bis 25 Prozent in Aussicht gestellt.
Zu 8:
Eine Schätzung über die Größenordnung von Beteiligungssummen vermag ich nicht anzustellen. Nach den mir vorliegenden Informationen wurden von einzelnen Personen Beträge in Höhe von 50.129,19 Euro bzw. 5.112 Euro angelegt.
Zu 9 bis 11 und 13:
Dazu liegen mir keine Informationen vor.
Zu 12:
In den bekannt gewordenen Fällen waren verantwortliche Personen Geschäftsführer und Angehörige der Revisionsstelle der betroffenen Unternehmen. Ich ersuche um Verständnis, dass ich im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 von einer namentlichen Nennung Abstand nehmen muss.
Zu 14:
Nach den mir vorliegenden Informationen erfolgte der Firmenübergang an Personen, die der Yimpas-Gruppe nicht zuzurechnen sein dürften. Der Name „Y & A“ wurde vermutlich nur gewählt, um den Eindruck zu erwecken, das Unternehmen gehöre nach wie vor zur Yimpas-Gruppe.
Zu 15, 20 bis 31, 37, 39 bis 42, 50, 54 bis 56 und 61:
Insolvenzverfahren und Zivilverfahren vor österreichischen und ausländischen Gerichten sind in diesem Zusammenhang zwar nicht auszuschließen, konnten aber auf Basis der in der Anfrage enthaltenen Anhaltspunkte über eine Recherche in der Verfahrensautomation Justiz nicht eruiert werden. Ich ersuche daher um Verständnis, dass daran anknüpfende Angaben zu einem allfälligen Verfahrensstand nicht gemacht werden können.
Nach den mir vorliegenden Informationen ist in Österreich ein (strafrechtliches) Ermittlungsverfahren anhängig, in dem es zu einer Hausdurchsuchung gekommen ist.
In der Schweiz führte seit dem Jahr 2003 die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen fünf Verdächtige im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um die YIMPAS Group AG wegen des Verdachts der Geldwäsche und des gewerbsmäßig begangenen Betruges. Am 31. August 2005 langte in diesem Verfahren ein Rechtshilfeersuchen des Bundesamts für Justiz ein, das auf die Ermittlung von Firmenverflechtungen, Bank- und Transaktionsauskünften gerichtet war. Dieses Rechtshilfeersuchen wurde – nach umfangreichen Erhebungen – vom Landesgericht für Strafsachen Wien bis zum Juni 2006 erledigt. Die Erledigungsakten wurden den Schweizer Justizbehörden übermittelt. Der Ausgang des Verfahrens in der Schweiz wurde dem Bundesministerium für Justiz nicht mitgeteilt.
Weitere Rechtshilfeersuchen aus anderen Ländern im Zusammenhang mit dem der Anfrage zugrunde liegenden Sachverhaltskomplex sind dem Bundesministerium für Justiz nicht bekannt. Auch aus der Türkei sind keine Informationen dazu eingegangen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass auch im direkten Behördenverkehr Rechtshilfeersuchen an die örtlich zuständigen österreichischen Justizbehörden gestellt werden können, die dem Bundesministerium für Justiz daher nicht bekannt werden. Im Rahmen einer Durchsicht der Gerichtsregister anhand der summarischen Angaben in der Anfrage und aufgrund der Berichterstattung der staatsanwaltschaftlichen Behörden konnten keine weiteren Rechtshilfeersuchen zum angesprochenen Sachverhaltskomplex aufgefunden werden.
Das Nationale Mitglied von EUROJUST hat informell in Erfahrung gebracht, dass auch in Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den in der Anfrage genannten Sachverhalten geführt werden. Die Verfahrensergebnisse liegen jedoch nicht vor.
Zu 16, 17, 32, 38:
Ich bitte um Verständnis, dass ich mich jeglicher rechtlicher Beurteilung im Hinblick auf anhängige und allenfalls künftige Strafverfahren enthalte. Zudem wäre eine Beurteilung von Rechtsfragen auf Basis des bislang nur unvollständig vorliegenden und damit ergänzungsbedürftigen Tatsachensubstrats mit der notwendigen Seriosität nicht erbringbar. Ich ersuche ferner um Nachsicht, dass die Erstellung von Rechtsgutachten (mit Einbeziehung fremder Rechtsordnungen) im Rahmen einer Anfragebeantwortung – schon allein aufgrund der kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit – nicht geleistet werden kann.
Zu 18:
Ich bitte um Verständnis, dass ich der Beurteilung durch die unabhängige Rechtsprechung nicht vorgreifen kann.
Zu 19:
Auf Verträge, die nach dem 30.11.1998 geschlossen worden sind, ist das Recht anzuwenden, auf das das Übereinkommen auf das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 (EVÜ oder Römer Übereinkommen) im Einzelfall verweist, außer der Vertrag fällt nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. (Dass die Türkei nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist, spielt hier keine Rolle; das Übereinkommen ist anzuwenden auch wenn das verwiesene Recht nicht das eines Vertragsstaates ist – Art. 2 EVÜ). Vom Anwendungsbereich sind insbesondere Fragen des Gesellschaftsrechts ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit.e EVÜ). Die hier zur Diskussion stehenden Verträge scheinen nicht unter diese Ausnahme zu fallen. Nach dem Übereinkommen ist das Recht maßgeblich, das die Parteien gewählt haben. Haben sie kein Recht gewählt, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Vertragspartei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt. Eine Sonderregel gilt für Verbraucherverträge über die Lieferung von Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen. Für solche Verträge ist die Möglichkeit, ein Recht zu wählen eingeschränkt. Mangels gültiger Rechtswahl ist das Recht des Staates maßgeblich, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Vertrag unter genau bezeichneten Umständen zu Stande gekommen ist. Einen weiteren kollisionsrechtlichen Schutz bietet für besondere Fragen § 13a KSchG, der Vorgaben einschlägiger Verbraucherschutzrichtlinien umsetzt.
Zu 33 und 34:
Ich verweise zunächst auf meine Antwort zu den Anfragepunkten zu 9 bis 11, 13, 16, 17 und 32. Grundsätzlich kommt es für die Beurteilung, welches Recht auf einen Vertrag anzuwenden ist, nicht auf den Abschlussort an (siehe auch die Antwort zu Frage 19). Daher können diese Fragen nicht abschließend beantwortet werden. Wenn der Vertrag im Einzelfall türkischem Recht unterliegen sollte, würde die Beurteilung des Vertrages aus türkischer Sicht als illegal oder rechtswidrig, die Folgen haben, die das türkische Recht für solche Vertragsmängel vorsieht. Wäre aber österreichisches Recht maßgebend, würde die Beurteilung nach türkischem Recht nur im Ausnahmefall eine Bedeutung haben. Nach Art. 7 Abs. 1 EVÜ können unter sehr engen Voraussetzungen zwingende Bestimmungen eines fremden Rechts angewendet werden, das an sich nicht für den Vertrag maßgebend ist. Diese Bestimmung kommt nach der Rechtsprechung nur sehr selten zur Anwendung.
Zu 35:
Aufgrund des in der Anfrage geschilderten Sachverhalts erscheint es schon nach allgemeinem Schadenersatzrecht (§ 1300 ABGB) denkbar, dass auch einzelne Verkäufer der Anteilsscheine, die in betrügerischer Weise agierten, zivilrechtlich in Anspruch genommen werden können. Selbstverständlich steht es mir nicht zu, die Erfolgsaussichten solcher Klagen zu bewerten.
Zu 36:
Eine ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung zu Fällen wie dem in der Anfrage geschilderten ist dem Bundesministerium für Justiz nicht bekannt.
Zu 43 bis 45:
Nach den mir vorliegenden Informationen ist den Staatsanwaltschaften nicht bekannt geworden, dass Eurobeträge in Millionenhöhe in die Türkei bzw. in andere Länder transferiert worden wären. Eine rechtliche Beurteilung ist mangels Sachverhaltssubstrats nicht möglich. Ob der österreichische Zoll in diesem Zusammenhang aktiv geworden ist, ist mir nicht bekannt.
Zu 46 bis 48:
Nach den mir vorliegenden Informationen ist den Staatsanwaltschaften über Aufgriffe von Geldkurieren und eine allfällige Befassung der Finanzmarktaufsicht nichts bekannt geworden. Von den bereits genannten Fällen abgesehen ist den Staatsanwaltschaften über „Underground Banking“ nichts bekannt geworden.
Zu 49 und 51:
Nach den mir vorliegenden Informationen hat ein deutsches Gericht gegen die in dieser Anfrage genannte Person einen internationalen Haftbefehl erlassen, der später allerdings wieder aufgehoben wurde. Über den derzeitigen Stand der Ermittlungen der deutschen Justizbehörden sowie über die Erlassung weiterer internationaler Haftbefehle ist den Staatsanwaltschaften nichts bekannt.
Zu 52:
Dazu verfüge ich über keine Informationen.
Zu 53:
Abgesehen von der aus der Antwort zu Frage 17 ersichtlichen Stellungnahme war EUROJUST nach dem anlässlich dieser Anfrage eingeholten Bericht des österreichischen Mitglieds von EUROJUST nie in Ermittlungen im Zusammenhang mit „Islam-Holdings“ einbezogen.
Zu 58:
Grundvoraussetzung für eine Geltendmachung von Ansprüchen ist die internationale Zuständigkeit des jeweiligen Gerichts. Da im Verhältnis zur Türkei die internationale Gerichtszuständigkeit nicht staatsvertraglich geregelt ist (der österreichisch- türkische Vollstreckungsvertrag, BGBl Nr. 571/1992, regelt die Gerichtszuständigkeit nur für die Beurteilung der Anerkennungsvoraussetzungen – sogenannte „competence indirecte“), bestimmt sie sich für die türkischen Gerichte nach türkischem Recht. Dieses gewährt jedenfalls dann einen Gerichtsstand, wenn der Beklagte seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hat.
Zu 60:
Meinem Ressort liegen keine Informationen über die in der Anfrage erwähnten Demonstrationen vor.
Zu 62:
Der Inhalt des Buches „Politik im Namen Allahs“ ist mir nicht bekannt.
. September 2008
(Dr. Maria Berger)