4812/AB XXIII. GP

Eingelangt am 15.09.2008
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BM für Wissenschaft und Forschung

Anfragebeantwortung

 

 

BMWF-10.000/204-Pers./Org.e/2008

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Wien, 12. September 2008

 

 

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4854/J-NR/2008 betreffend Rektorswahl an der Akademie der bildenden Künste, die die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen am 15. Juli 2008 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

 

Zu Frage 1:

Mir sind die relevanten Bestimmungen und Argumente zum Begriff „Diskriminierung auf Grund des Geschlechts“ bekannt. Im konkreten Fall wurde das Aufsichtsverfahren gemäß § 45 des  Universitätsgesetzes 2002 eingeleitet, weil die in der Aufsichtsbeschwerde genannten
Schilderungen und deren rechtliche Würdigung nachvollziehbar waren. Im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verfahrens, in dem auch der vor allem betroffene Universitätsrat seine Sicht der Vorgänge dargestellt hat, sind die Juristinnen und Juristen meines Hauses zu der Ansicht
gelangt, dass keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vorliegt. Dabei ging es insbesondere um eine objektiv nachvollziehbare Begründung der Wahl von Herrn Dr. Schmidt-Wulffen zum Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien durch den Universitätsrat.

 

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung geht davon aus, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern dem Universitätsgesetz 2002 immanent ist. Ein Teilaspekt dieses Grundsatzes, nämlich das Diskriminierungsverbot, ist auch auf das Bestellungsverfahren der Rektorin oder des Rektors anzuwenden. Dies betrifft auch die Wahl der
Rektorin oder des Rektors durch den Universitätsrat. Um ausschließen zu können, dass eine Diskriminierung vorliegt, muss die Begründung für die Wahl der Rektorin oder des Rektors sachlich nachvollziehbar so gestaltet sein, dass ausgeschlossen werden kann, dass eine objektiv gleich qualifizierte Frau übergangen wurde. Diese Rechtsansicht der Expertinnen und Experten des Ressorts wird auch durch ein Rechtsgutachten von Frau ao. Univ-Prof. Dr. Gabriele Kucsko-Stadlmayer unterstützt.

 

Der seinerzeitige Vorsitzende des Universitätsrates, Alexander Kahane, hat – nach mehrmaliger Aufforderung – diese objektiv nachvollziehbare Begründung im Laufe des Verfahrens sowohl mündlich als auch schriftlich vorgelegt. Das aufsichtsbehördliche Verfahren wurde daher eingestellt. Hätte das aufsichtsbehördliche Verfahren zu einer Aufhebung der Wahl von Dr. Schmidt-Wulffen durch den Universitätsrat geführt, wäre erneut eine Wahl durchzuführen gewesen. Der Universitätsrat wäre dann verpflichtet gewesen, den der Rechtsanschauung der Bundes-ministerin oder des Bundesministers entsprechenden Rechtszustand unverzüglich herzustellen.

 

Im Übrigen kann nicht immer von einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ausge-gangen werden, wenn ein Bewerber gegenüber einer Bewerberin vorgezogen wird. Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts liegt nur dann vor, wenn die Auswahlentscheidung nicht auf sachlichen, sondern auf geschlechtsspezifischen Erwägungen beruht.

 

Zu Fragen 2 bis 4:

Die Bundes-Gleichbehandlungskommission ist in dieser Sache hinsichtlich der Frage der
Diskriminierung auf Grund des Geschlechts anderer Rechtsansicht als das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Eine endgültige Klärung dieser Rechtsfrage kann nur durch die Gerichtsbarkeit erfolgen, sofern Frau Dr. Deliss den Klageweg beschreitet. Der Rechtsanwalt von Frau Dr. Deliss hat bereits die Akademie der bildenden Künste Wien und den Bund bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung aufgefordert, eine Schadenersatzforderung in beträchtlicher Höhe anzuerkennen.

 

In dem vermutlich stattfindenden Gerichtsverfahren wird das Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission ebenso wie die Rechtsansicht des Bundesministeriums für
Wissenschaft und Forschung einer rechtlichen Würdigung unterzogen, das Gericht ist weder an das Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission noch an die Rechtsansicht des
Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung gebunden.

 

Zum Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission möchte ich noch festhalten, dass aus Sicht des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung die Abstimmung über den Dreiervorschlag im Senat keine Berücksichtigung finden konnte. Gemäß § 25 Abs. 1 Z 5 des Universitätsgesetzes 2002 erstellt der Senat den Dreiervorschlag für die Wahl der Rektorin oder des Rektors an den Universitätsrat. Eine Reihung des Dreiervorschlages ist im Universitäts-gesetz 2002 nicht vorgesehen. Gemäß § 21 Abs. 1 Z 3 des Universitätsgesetzes 2002 wählt der Universitätsrat die Rektorin oder den Rektor aus dem Dreiervorschlag des Senates. Da dem
Universitätsgesetz 2002 eine Reihung des Dreiervorschlages durch den Senat fremd ist, besteht auch keine Bindung des Universitätsrates an eine allfällig vom Senat festgelegte Reihung. Sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Dreiervorschlag stehen für den Universitätsrat zur Auswahl frei. Aus diesem Grund ist das Argument der Reihung des Dreiervorschlages durch den Senat der Bundes-Gleichbehandlungskommission für das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung nicht nachvollziehbar. Im Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission wurde hingegen die Reihung des Dreiervorschlages durch den Senat als (mit)entscheidend
gewertet. Eine Reihung aus dem Senat würde ja eine Auswahl durch den Universitätsrat gegen-
standslos werden lassen.


Zu Frage 5:

Die Steigerung des Frauenanteils im wissenschaftlichen Bereich, insbesondere auch in führenden Positionen, ist auch mein Anliegen. Da auch fünf Jahre nach dem vollständigen In-Kraft-Treten des Universitätsgesetzes 2002 die Universitätsstatistik nur eine unbefriedigende
Verbesserung hinsichtlich der Karriere von Wissenschafterinnen zeigt, ist die nachdrückliche Umsetzung der Frauenförderung einer der zentralen Punkte der Weiterentwicklung des Univer-sitätsgesetzes 2002 (siehe Entwurf des Universitätsrechts-Änderungsgesetzes, Aussendung zur Begutachtung im Juni 2008).  Der Entwurf des Universitätsrechts-Änderungsgesetzes 2002 sieht
daher Regelungen vor, die eine wesentliche und entscheidende Weiterentwicklung der Anliegen der Frauenförderung und Gleichbehandlung bedeuten.

Zum einen ist dies die verpflichtende sinngemäße Anwendung des § 11 Abs. 2 Z 3 B-GlBG für die Kollegialorgane der Universität, die zur Folge haben wird, dass sämtliche im Universitäts-gesetz vorgesehenen Kollegialorgane geschlechtergerecht zusammengesetzt sein werden.

In den wenigen Bereichen, in denen zu wenig gleich qualifizierte Frauen an der Universität
vertreten sind, kann der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen darüber entscheiden, ob das betreffende Organ dennoch korrekt zusammengesetzt ist. Andererseits sollten administrative Änderungen, z.B. beim Verfahren vor dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen und vor der Schiedskommission, es erleichtern, die Ansprüche von Wissenschafterinnen durchzusetzen.

 

Weiters sieht das Universitätsrechts-Änderungsgesetz Anpassungen an die Änderung des
B-GlBG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2004, die einen Schutz vor Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der
sexuellen Orientierung vor. Dieser erweiterte Diskriminierungsschutz soll in das Univer-sitätsgesetz 2002 übernommen werden.

 

Die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen zur Gleichstellung und Frauenförderung an
Universitäten bedarf jedoch auch der Beobachtung und Steuerung durch das Ministerium. In meinem Ressort wurde daher ein Gender Monitoring aufgebaut, von dem ich mir wichtige Informationen für die Planung und Steuerung der Gleichstellungspolitik an den Univeristäten erwarte. Ausschreibungen und Förderungsprogramme meines Ressorts unterstützen nachweislich
erwünschte Prozesse zur Steigerung der Frauenanteile im wissenschaftlichen Bereich und in Führungspositionen (z.B. Ausschreibung Vorziehprofessuren, excellentia, Hertha Firnberg-Programm, Elise Richter-Programm).

 

Zu Frage 6:

Mit Schreiben vom 3. Mai 2007 haben Dr. Samsonow u.a. eine Aufsichtsbeschwerde betreffend die Wahl von Dr. Schmidt-Wulffen zum Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien an das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung erhoben. Mit Schreiben vom 18. Mai 2007 wurde der Universitätsrat erstmals aufgefordert, Stellung zu nehmen. Mit diesem Schreiben vom 18. Mai 2007 wurde das aufsichtsbehördliche Verfahren eingeleitet. In der Folge hat sich der damalige Vorsitzende des Universitätsrates, Alexander Kahane, mehrfach uneinsichtig gezeigt. Dies betraf nicht nur die vom Bundesministerium eingeforderte Begründung für die Wahl von
Dr. Schmidt-Wulffen, er hat auch den Arbeitsvertrag mit Dr. Schmidt-Wulffen unterzeichnet,
obwohl er vom Bundesministerium ausdrücklich und schriftlich darauf hingewiesen wurde, dass ab der formellen Einleitung eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens weitere Verfahrensschritte
gemäß § 45 Abs. 5 des Universitätsgesetzes 2002 zu unterbleiben haben. Die im Universitäts-gesetz 2002 normierte Folge der Nichtigkeit für Rechtsakte, die während eines laufenden
aufsichtsbehördlichen Verfahrens erlassen werden, gilt jedoch nur für Bescheide.

 

Der Arbeitsvertrag mit der Rektorin oder dem Rektor ist hingegen ein zivilrechtlicher Vertrag und daher in erster Linie von den ordentlichen Gerichten zu beurteilen. Um diese Regelung für die Zukunft klarzustellen, wurde in den Entwurf des Universitätsrechts-Änderungsgesetzes eine
Bestimmung aufgenommen, wonach ein Arbeitsverhältnis endet, wenn die Bundesministerin
oder der Bundesminister die Entscheidung eines Universitätsorgans, auf der das Arbeitsverhältnis beruht, im Rahmen eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens aufhebt.

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Zu Frage 7:

Die Entscheidung für Herrn Dr. Schmidt-Wulffen wurde vom Universitätsrat dadurch begründet, dass sich dieser zur Umsetzung des Entwicklungsplanes bekannt hat. Für den Universitätsrat war das Kriterium der Kontinuität somit entscheidend. Der Universitätsrat hat sich damit auch gegen eine Neuausrichtung der Akademie der bildenden Künste Wien ausgesprochen. Es
handelt sich dabei um eine strategische Entscheidung, die eine der originären Aufgaben des
Universitätsrates ist. Meine Aufgabe und die Aufgabe meines Ministeriums war es zu prüfen, ob
diese Entscheidung rechtmäßig zu Stande gekommen ist. Nach Ansicht des Ressorts ist die Entscheidung rechtmäßig, da auf Grund der rechtlichen Voraussetzungen keine Diskrimi-nierung auf Grund des Geschlechts zu erkennen war. Wie sich die Akademie der bildenden Künste seit der Wiederwahl von Herrn Dr. Schmidt-Wulffen entwickelt hat und weiterentwickeln wird, ist Thema der laufenden Begleitgespräche zur Leistungsvereinbarung und wird auch beim Abschluss der Leistungsvereinbarung für die nächste Periode evaluiert werden.

 

Der Bundesminister:

Dr. Johannes Hahn e.h.