4822/AB XXIII. GP
Eingelangt am 16.09.2008
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ. BMVIT-10.000/0040-I/PR3/2008 DVR:0000175
An die
Präsidentin des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 W i e n
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4844/J-NR/2008 betreffend fehlendes Gesamtkonzept und fehlende Offensive für den Öffentlichen Verkehr, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde am 15. Juli 2008 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Frage 1:
Warum haben Sie in der gesamten XXIII. Gesetzgebungsperiode keinen einzigen Gesetzesvorschlag oder auch nur Begutachtungsentwurf für eine Offensivreform beim Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr vorgelegt?
Antwort:
Dazu möchte ich grundsätzlich festhalten, dass es Bemühungen zum Abschluss einer Reform des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs gegeben hat. Auf Grund unterschiedlicher Vorstellungen der unzähligen Akteure im ÖPNRV (alleine die 8 Verbünde, die 9 Verkehrs- und Finanzreferenten der Länder) konnte die Reform (in Form eines adaptierten Bundesgesetzes) jedoch noch nicht zu einem Abschluss gebracht werden.
Ungeachtet dessen hat mein Ressort gerade in dieser Gesetzgebungsperiode die Weiterentwicklung eines effizienten ÖPNRV forciert.
So wird an der Einrichtung eines Monitorings zur Erfassung des österreichweiten öffentlichen Mitteleinsatzes als wirksames Instrument zur Überwachung der verkehrspolitischen Wirksamkeit und der Qualitätskontrolle intensiv gearbeitet, was im Endeffekt auch dem Kunden zugute kommt.
Darüber hinaus möchte ich noch darauf verweisen, dass die inhaltlichen Regelungen der in den einzelnen Verkehrsverbünden neu abgeschlossenen Grund- und Finanzierungsverträge in dieser Gesetzgebungsperiode bereits voll gegriffen haben, sodass gerade in der jüngsten Vergangenheit nicht zu unterschätzende Teilerfolge für den ÖPNRV erzielt werden konnten.
Fragen 2 und 3:
Warum haben Sie kein Gesamtkonzept für den Öffentlichen Verkehr, wie es nicht zuletzt von SPÖ-geführten Ländern gefordert wurde und wird, vorgelegt?
Wann werden Sie ein Gesamtkonzept für den Öffentlichen Verkehr, wie es nicht zuletzt von SPÖ-geführten Ländern gefordert wurde und wird, vorlegen?
Antwort:
Im 2002 veröffentlichten GVP-Ö wurde nur der Teilbereich „Verkehrspoltische Grundsätze und Infrastrukturprogramm“ behandelt. Infolge der geringen Aussageschärfe bedurfte insbesondere das Infrastrukturprogramm der Überarbeitung und Konkretisierung, wie sie mittlerweile im ASFINAG-Bauprogramm und im Rahmenplan Schiene erfolgt ist.
Bisherige Ansätze, in deren Rahmen als Beitrag für ein künftiges Monitoring des ÖPNRV Erreichbarkeiten und Bedienungsqualität im ÖPNRV erfasst wurden, wurden ausführlich diskutiert, es konnte bisher aber keine Einigkeit mit bzw. unter den Bundesländern erzielt werden.
Fragen 4 und 5:
Warum haben Sie keinen Vorschlag für eine grundsätzliche, EU-konforme Novelle des ÖPNRV-Gesetzes vorgelegt?
Wann werden Sie einen Vorschlag für eine grundsätzliche, EU-konforme Novelle des ÖPNRV-Gesetzes vorlegen?
Antwort:
Auf Grund der VO (EG) 1370/2007, welche mit 3. Dezember 2009 in Kraft tritt, sind die Mitgliedstaaten dazu angehalten, die gesetzlichen Bestimmungen auf nationaler Ebene über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und auf Straße dementsprechend anzupassen.
Selbstverständlich wird auch das ÖPNRV-G 1999 einer dahingehenden Adaptierung unterzogen. Vor einer endgültigen Vorlage eines Entwurfes (gemeinsam mit einer Adaptierung des KflG) sind seitens des Ressorts inhaltliche Abstimmungen mit den betroffenen Stellen (vor allem Länder und Verkehrsverbundorganisationsgesellschaften) erforderlich. Diesbezügliche Gespräche wurden bereits eingeleitet und werden ab Herbst noch intensiviert.
Nach dzt. Stand ist vorgesehen, das ÖPNRV-G 1999 ab Anfang nächsten Jahres einer entsprechenden legistischen Adaptierung zu unterziehen, welche in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben bis Ende 2009 zu einem Abschluss gebracht werden soll.
Fragen 6 und 7:
Warum haben Sie keinen Vorschlag für eine gesetzliche Verankerung von Mindeststandards in der Versorgung der Bürger mit Öffentlichen Verkehrsangeboten vorgelegt, wie sie in der Schweiz existiert?
Wann werden Sie einen Vorschlag für eine gesetzliche Verankerung von Mindeststandards in der Versorgung der Bürger mit Öffentlichen Verkehrsangeboten vorlegen?
Antwort:
Die Sicherstellung eines Grundangebotes im Bereich der Schienenbahnen ist bereits im ÖPNRV-G 1999 gesetzlich verankert. Die entsprechende Bestimmung sieht vor, dass ein Grundangebot im öffentlichen Schienenpersonennah- und Regionalverkehr im Umfang der im Fahrplan 1999/2000 bestellten oder erbrachten Leistungen vom Bund sichergestellt wird. Die praktische Umsetzung dieser Bestimmung erfolgt in Form der Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen bei den ÖBB und den Privatbahnen.
Die Erstellung eines Gesamtverkehrskonzeptes in welchem auch ein integraler Taktfahrplan entsprechenden Eingang findet wird zurzeit ebenfalls ausführlich diskutiert. Die Einzelheiten dafür sind jedoch erst in Gesprächen mit den entsprechenden Gebietskörperschaften festzulegen.
Weiters ist anzumerken, dass aufgrund der völlig unterschiedlichen Siedlungsstruktur zwischen Österreich und der Schweiz die schweizerischen Verhältnisse in punkto ÖV-Gestaltung nicht 1:1 übertragbar sind.
Fragen 8 und 9:
Warum haben Sie keinen Vorschlag für eine praktikable und wirksame Neuregelung der im ÖPNRV-Gesetz vorgesehenen Verkehrserregerabgabe vorgelegt?
Wann werden Sie einen Vorschlag für eine praktikable und wirksame Neuregelung der im ÖPNRV-Gesetz vorgesehenen Verkehrserregerabgabe vorlegen?
Antwort:
Die für die Verkehrsanschlussabgabe relevanten Bestimmungen der §§ 32 bis 37 ÖPNRV-G 1999 sehen vor, dass die Gemeinden ermächtigt sind, durch Beschluss der Gemeindevertretung eine flächenbezogene Abgabe zur Deckung der mit dem Anschluss von öffentlichen Verkehrsmitteln an Betriebsansiedlungen (darunter fallen Gewerbe-, Geschäfts-Einkaufszentren und dgl.) verbundenen Kosten im Rahmen der sog. „Verkehrsanschlussabgabe“ auszuschreiben.
Mit der Vollziehung dieser Bestimmungen ist gemäß § 40 ÖPNRV-G der Bundesminister für Finanzen betraut.
Das bisher mangelnde Interesse der Gemeinden an der Einführung einer derartigen Abgabe resultiert aus der Befürchtung einer Verschlechterung ihrer Standortbedingungen im Falle einer zusätzlichen steuerlichen Belastung der in ihrem örtlichen Wirkungsbereich betroffenen Unternehmen.
Ungeachtet dessen sollte die Möglichkeit der Ausschreibung o.a. Abgabe (in welcher Form auch immer) jedenfalls beibehalten werden, um den verkehrs- und umweltpolitischen Zielsetzungen (geringere Umweltbelastung, Vermeidung unzumutbarer schädlicher Auswirkungen des Individualverkehrs) weiterhin Rechnung zu tragen.
Da die Gemeinden in der Vergangenheit von der Ermächtigung zur Einhebung der Verkehrsanschlussabgabe in der bisher vorliegenden Form keinen Gebrauch gemacht haben, eine konkrete Nutzung dieses Instrumentariums aber durchaus angestrebt wird, wurden seitens meines Ressorts immer wieder Überlegungen hinsichtlich einer Adaptierung der bestehenden gesetzlichen Regelungen angestellt.
Die bundesgesetzliche Festlegung einer Ausschreibungsermächtigung an die Länder würde nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen der Bestimmung des § 8 Abs. 1 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 widersprechen, wonach ausschließliche Landesabgaben vom Landesgesetzgeber selbst zu regeln wären.
Seitens des Bundesministeriums für Finanzen wurde darauf hingewiesen, dass die dzt. gültige Formulierung (Ausschreibung durch die Gemeinden) für den Bundesgesetzgeber die einzige Möglichkeit darstelle, eine allfällige Ausschreibungsermächtigung an regionale Gebietskörperschaften festzulegen.
Fragen 10 und 11:
Warum haben Sie nicht dafür gesorgt, dass eine leistbare und auch für Pendlerinnen und Pendler tariflich interessante Netzkarte für den Öffentlichen Verkehr in Österreich angeboten wird?
Wann werden Sie dafür sorgen, dass eine leistbare und auch für Pendlerinnen und Pendler tariflich interessante Netzkarte für den Öffentlichen Verkehr in Österreich angeboten wird?
Antwort:
Als Anreiz zur Verlagerung des Personenverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel und zur Erleichterung des Zugangs zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr für Pendlerinnen und Pendler bzw. zur Förderung der Mobilität soll nach Schweizer Vorbild eine Jahreskarte für die Benutzung des öffentlichen Personenverkehrs in ganz Österreich eingeführt werden.
Verhandlungen über die Einführung eines so genannten Generalabos Österreich wurden bereits aufgenommen. Dieses sollte auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln gelten und – wie oben bereits angeführt - grundsätzlich als Jahreskarte ausgelegt sein.
Die Einführung eines Österreich-Tickets setzt ein gemeinsam entwickeltes und abgestimmtes Produkt mit den für die Umsetzung verantwortlichen Partnern voraus. Dazu sind die bereits aufgenommenen Gespräche mit den Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen weiterzuführen. Insbesondere sind die Fragen der Einnahmenaufteilung bzw. der Abrechnung zwischen den beteiligten Verkehrsunternehmen sowie die Frage eines aus verkehrspolitischer Sicht optimalen Unterstützungsniveaus zu regeln.
Aus heutiger Sicht kann noch keine endgültige Aussage über das Datum der Einführung getroffen werden. Eine Ticketausgabe im Laufe des Jahres 2009 wird jedoch angestrebt und als realistisch erachtet.
Frage 12:
Werden Sie schnellstmöglich 80 bis 100 Mio. zusätzlich pro Jahr für die Bundes-Förderung zusätzlicher Zugs- und Busangebote nach dem ÖPNRV-Gesetz – statt bisher nur rund 10 Mio. – bereitstellen – wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Die in den Erläuterungen zum ÖPNRV-G 1999 erwähnten und immer wieder zitierten zusätzlichen Mittel für neue Zugs- und Busangebote (die sog. „Bestellerförderung“ gem. §§ 24 und 26 ÖPNRV-G) waren schon bei Beschlussfassung dieses Gesetzes ausschließlich unter dem Vorbehalt der budgetären Bedeckbarkeit zu verstehen und nicht als gesetzliche Verpflichtung.
Ungeachtet dessen möchte ich darauf hinweisen, dass die Mittel für die Bestellung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Bundes bei den ÖBB und bei den Privatbahnen für das Jahr 2008 um insgesamt rd. 60 Mio. € aufgestockt wurden und im Regierungsprogramm für die Jahre 2009 bzw. 2010 eine weitere Erhöhung um 15 bzw. 25 Mio. € vorgesehen war.
Weiters werden den Ländern und Gemeinden im Wege des Finanzausgleichs rd. 130 Mio. € p.a. aus der Erhöhung der MÖSt. zur Verfügung gestellt. Gemäß einer Vereinbarung zwischen den Finanzausgleichspartnern sollen diese Mittel für klimarelevate Maßnahmen, insbesondere für den Nahverkehr, verwendet werden.
Aufgrund der unbestrittenen Wichtigkeit der Förderung neuer Bahn- und Busverkehre hat der Nationalrat im Vorjahr zusätzlich das Klima- und Energiefondsgesetz beschlossen, das eine Mitteldotierung des genannten Fonds mit 500 Mio. Euro vorsieht, wovon im Vorjahr 50 und heuer sowie in den nächsten 2 Jahren je 150 Mio. Euro für Zwecke des Klimaschutzes zur Verfügung stehen werden. Für Zwecke der Ko-Finanzierung von neuen Bahn- und Busverkehren wurden daraus im Vorjahr bereits 6,9 Mio. Euro zur Verfügung gestellt und wird heuer voraussichtlich ein mindestens gleich hoher Betrag zur Verfügung stehen.
Die o.a. Maßnahmen zeigen daher eindrücklich, dass das BMVIT sowie die Bundesregierung die Prioritäten ganz klar im Sinne der Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs setzen.
Frage 13:
Schließen Sie das Zusperren von Neben- und Regionalbahnstrecken bzw. –streckenteilen der ÖBB für die Jahre 2008 und 2009 aus, wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Die ÖBB haben ein Regionalbahnkonzept entwickelt, in dem die aus betriebswirtschaftlicher Sicht erforderlichen Prioritäten ausgeführt werden. Darauf aufbauend finden Gespräche statt, ob und inwieweit bestimmte Strecken mit vorwiegend regionalem bzw. touristischem Nutzen allenfalls von den Ländern oder Dritten betrieben werden können. Hierbei muss auch darauf bedacht genommen werden, ob überhaupt und welche Nachfrage besteht. An vielen Strecken gibt es weder Nachfrage im Personen- oder Güterverkehr, geschweige denn Trassenbestellungen bei einem Infrastrukturbetreiber.
Allen Konzepten liegt jedoch die Zielsetzung zugrunde, den Öffentlichen Verkehr (Bahn oder Bus) zu attraktivieren, gleichzeitig die Verkehrsdienste aber auch in effizientester Form zu erbringen.
Frage 14:
Wie werden Sie angesichts steigender Kosten bei den ÖBB und Ihrer Ankündigung eines Einfrierens der ÖBB-Tarife die entstehende Finanzlücke bei den ÖBB konkret schließen?
Antwort:
Einerseits durch Umschichtungen in meinem Ressort und andererseits durch Einsparungsmaßnahmen bei den ÖBB. Diesbezügliche Gespräche sind im Laufen.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Faymann