4827/AB XXIII. GP

Eingelangt am 16.09.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0165-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4891/J-NR/2008

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „strafrechtlicher Relevanz des Vorgehens der Behörden im Fall der Familie F.“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:


Zu 1 bis 4 und 6 bis 9:

Die Namen der Familienmitglieder wurden bereits am 19. April 2008, also vor dem Bekanntwerden des Tatverdachts gegen Josef F., im Zusammenhang mit der Einlieferung der in Lebensgefahr befindlichen Kerstin F. in das Landesklinikum Amstetten öffentlich bekannt gegeben. Dies geschah über Andringen der behandelnden Ärzte, weil zur Diagnoseerstellung die Ausforschung von Elisabeth F. unumgänglich war.

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten leitete weder gegen den Bezirkshauptmann von Amstetten noch gegen den Leiter des Landeskriminalamtes ein Ermittlungsverfahren wegen § 310 Abs. 1 StGB ein. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft St. Pölten waren einerseits die Namen der Mitglieder der Familie F. ab dem 19. April 2008 nicht mehr als geheim anzusehen und es entstand andererseits durch das massive mediale Interesse und auf Grund des Vorwurfs eines Fehlverhaltens der Bezirkshauptmannschaft Amstetten ein berechtigtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit.

Im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 B-VG ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen das private Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Personen abzuwägen. Bei dieser Interessenabwägung ist streng auf den Einzelfall abzustellen, wobei den Anklagebehörden bei Gewichtung der jeweiligen Interessen ein Ermessensspielraum zukommt.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft St. Pölten war daher auf Grund der jeweils bekannt gegebenen Umstände dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Vorrang einzuräumen, sodass sie von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Abstand nahm.

Zu 5 und 10:

Für jede Veröffentlichung ist gesondert eine Interessenabwägung vorzunehmen und daran anknüpfend ein strafbares Verhalten zu prüfen.

Im Hinblick auf die bereits dargestellten und jedenfalls als vertretbar zu erachtenden Erwägungen besteht für das Bundesministerium für Justiz hinsichtlich der in der Anfrage angesprochenen Veröffentlichungen kein Anlass, die Einleitung eines Strafverfahrens anzuregen.

Zu 11 und 12:

Nach den mir vorliegenden Informationen leitete die Staatsanwaltschaft St. Pölten  gegen Polizeibeamte wegen des Vorwurfs der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 StGB im Zusammenhang mit dem Fall der Familie F. kein Strafverfahren ein.

Zu 13 und 14:

Der Leiter der Medienstelle der Staatsanwaltschaft St. Pölten nahm am 27., 28., 29. und 30. April 2008 sowie am 5. Mai 2008 an insgesamt fünf Pressekonferenzen teil.

Zu 15:

Nach den mir vorliegenden Informationen waren bei diesen Pressekonferenzen Oberst Franz Polzer (fünfmal), Sicherheitsdirektor Hofrat Dr. Franz Prucher (viermal), Bezirkshauptmann Dr. Hans-Heinz Lenze (viermal) sowie – weniger oft – Primarius Dr. Albert Reiter, Primarius Dr. Berthold Kepplinger und Opferanwalt Dr. Christoph Herbst anwesend.

Zu 16:

Die Rolle des Leiters der Medienstelle der Staatsanwaltschaft St. Pölten bei den Pressekonferenzen beschränkte sich im Wesentlichen auf die Erläuterung der in Frage kommenden Tatbestände des Strafgesetzbuches samt den jeweiligen Strafdrohungen, der Zuständigkeiten, des Ablaufs eines Ermittlungs- und Hauptverfahrens, sowie weiterer Normen wie etwa des Tilgungsgesetzes.

Zu 17 und 18:

Über die Pressekonferenzen hinausgehend haben Vertreter der Staatsanwaltschaft St. Pölten sowohl im Rahmen von Fernseh- und Radiointerviews als auch auf telefonische oder persönliche Anfragen an Medienvertreter Auskünfte erteilt, wobei sich die außerhalb der Pressekonferenz erteilten Auskünfte nach den mir vorliegenden Informationen auf die bereits zur Frage 16 dargestellten Inhalte beschränkten.


Zu 19:

Die Veröffentlichung der in der Anfrage angesprochenen Lichtbilder erfolgte durch die Polizei in Absprache mit der Staatsanwaltschaft St. Pölten. Diese Vorgangsweise hatte zum Ziel, Hinweise auf für das Ermittlungsverfahren relevante Umstände, insbesondere auch in Richtung eines allfälligen Mittäters, zu erlangen.

Davon ausgehend ist die in der Anfrage zitierte Aussage des Sprechers der Staatsanwaltschaft St. Pölten nach Ansicht der zuständigen Sektion des Bundesministeriums für Justiz nicht zu beanstanden.

. September 2008

 

(Dr. Maria Berger)