4833/AB XXIII. GP

Eingelangt am 17.09.2008
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                              Wien, am        September 2008

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0121-I/4/2008

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4883/J vom 17. Juli 2008 der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die produktorientierte steuerliche Förderung von Vorsorgeprodukten und die Verbesserung des Anlegerschutzes beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Die Frage zielt offenbar auf das österreichische Pensionskassensystem ab, da es per Stichtag 31. März 2008 in diesem Bereich 501.803 Anwartschafts- und Leistungsberechtigte gab, davon 448.819 Anwartschafts- und 52.984 Leistungsberechtigte.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Beurteilung des österreichischen Pensions­kassensystems durch den Internationalen Währungsfonds hervorzuheben, der im Rahmen seines „Financial Sector Assessment Programme“ Ende 2007 die Entwicklung in Österreich grundsätzlich positiv bewertet hat. Die Veranlagungsvorschriften des § 25 Pensionskassen­gesetz wurden zudem im Jahr 2005 entsprechend den europarechtlichen Vorgaben (Pensionsfondsrichtlinie der Europäischen Union) neu gestaltet, insbesondere sind Pensions­kassen nunmehr verpflichtet, umfassende Risikomanagementsysteme einzurichten (§ 25 Abs. 9 PKG). Es können jedoch auch die besten Risikomanagementsysteme eine Ab­koppelung von den Entwicklungen auf den internationalen Kapitalmärkten nicht bewerk­stelligen. Die „zweite Säule“ im österreichischen Pensionssystem seit Beginn der neunziger Jahre, die als Ergänzung des staatlichen Pensionssystems eine Entlastung desselben darstellt
und im Einklang mit der internationalen Entwicklung auf dem Gebiet der Pensionsvorsorge steht, ist ein Erfolg. Eine Rückkehr zu einem rein auf einem Umlagesystem beruhenden System der Pensionsvorsorge kann schon auf Grund der demografischen Entwicklung nicht befürwortet werden.

 

Zu 2.:

Das Bundesministerium für Finanzen hat in der Vergangenheit zahlreiche gesetzliche Maßnahmen zum Schutz von Kleinanlegern initiiert. So wurden insbesondere im Zuge der Umsetzung der Transparenzrichtlinie der Europäischen Union die börserechtlichen Veröffent­lichungspflichten (§§ 81a ff BörseG) neu gefasst und damit der Informationsfluss zwischen Emittenten und Anlegern wesentlich verbessert. Auch bei der Frage der Anlageentscheidung von Kleinanlegern hat die Schaffung eines neuen Wertpapieraufsichtsgesetzes 2007 (WAG 2007), mit dem gleichzeitig auch die Finanzmärkterichtlinie der Europäischen Union umge­setzt wurde, wesentliche Verbesserungen gebracht. Derzeit wird auch ein weiteres gesetzlich umzusetzendes Maßnahmenpaket des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundes­ministeriums für Justiz erarbeitet, das eine noch weitere Erhöhung der Beteiligungstrans­parenz börsenotierter Unternehmen, insbesondere auch für Emittenten mit Sitz im Ausland, bringen soll.

 

Zu 3.:

Neben den schon in der Beantwortung zur 2. Fragestellung angeführten und bereits umge­setzten Maßnahmen ist hier vor allem auf die geplante Reform des österreichischen Anlegerentschädigungssystems zu verweisen. Diesbezüglich gab es im ersten Halbjahr 2008 bereits mehrere Arbeitssitzungen unter Einbindung aller tangierten Kreise, in welchen bereits konkrete Reformvorschläge erarbeitet wurden.

 

Weitere Projekte betreffen die Verstärkung der Kompetenzen der Finanzmarktaufsicht sowie die Einrichtung einer eigenen Stelle zur Überprüfung der Rechnungslegung börsenotierter Unternehmen. Es ist in diesem Zusammenhang auch auf die nunmehr in vielen Kreditinsti­tuten verpflichtende Einrichtung von Prüfungsausschüssen (§ 63a Abs. 4 BWG) sowie die Verbesserungen im Bereich der Corporate Governance (§ 243b UGB sowie der Corporate Governance Kodex) zu verweisen.

 

Zu 4.:

Im Hinblick auf die steuerliche Förderung der zweiten Säule sind zunächst steuerrechtliche Regelungen für Beiträge des Arbeitgebers an Pensionskassen und Betriebliche Kollektivver­sicherungen zu nennen: Hier besteht die steuerliche Förderung darin, dass die Beiträge des Arbeitgebers zu einer dieser Einrichtungen beim Arbeitgeber gemäß § 4 Abs. 4 Z 2 lit. a EStG 1988 eine steuerlich wirksame Betriebsausgabe darstellt, aber beim Arbeitnehmer gemäß § 26 Z 7 lit. a 1. TS EStG 1988 nicht (sofort) zu einem lohnsteuerpflichtigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis führt. Erst die spätere Auszahlung unterliegt gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 der Besteuerung. Es kommt damit jedenfalls zu einer Steuerstundung. Beruhen die Zahlungen aus der Pensionskasse auf einer Übertragung der Ansprüche aus einer Betrieblichen Vorsorgekasse, sind sie überdies lohnsteuerfrei. Auch bestehen für die Veranlagungsergebnisse innerhalb der Pensionskasse bzw. der Betrieblichen Kollektiv­versicherung steuerliche Begünstigungen (§ 5 Z 7 iVm § 6 Abs. 1 KStG 1988, § 21 Abs. 2 Z 3 1. TS KStG 1988 und § 94 Z 6 lit. c 1. TS EStG 1988).

 

Weiters bleiben gemäß § 3 Z 15 lit. a EStG 1988 Zuwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer bis zu 300 Euro unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei, das heißt, sie können zwar vom Arbeitgeber als Betriebsausgabe abgezogen werden, unterliegen aber beim Dienstnehmer keiner Besteuerung. Unter Zukunftssicherung sind Ausgaben des Arbeitgebers für Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen zu verstehen, die dazu dienen, Arbeitnehmer oder diesen nahe stehenden Personen für den Fall der Krankheit, der Invalidität, des Alters oder des Todes des Arbeitnehmers abzusichern. Reine Sparprodukte kommen nicht in Betracht, Voraussetzung ist eine gewisse Risikokom­ponente oder eine entsprechende Altersvorsorge. Reine Risikoversicherungen stellen daher stets eine Zukunftssicherungsmaßnahme dar, Er- und Ablebensversicherungen nur unter bestimmten, im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen.

 

In der Praxis bedeutend sind natürlich auch direkte Leistungszusagen des Arbeitgebers: Für diese bestehen zwar keine steuerlichen Spezialvorschriften, dennoch können diese – gegenüber einer sofortigen Lohn- bzw. Gehaltserhöhung – steuerlich vorteilhaft wirken: Diese stellen nämlich grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Auszahlung einen lohnsteuerpflich­tigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar. Dadurch kommt es zu einer Steuerstundung.


 

Im Zusammenhang mit der zweiten Säule ist auch die „Abfertigung neu“ zu nennen: Mit dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz erfolgte eine Auslagerung der Abfertigungsver­pflichtung der Arbeitgeber/innen auf rechtlich selbständige Betriebliche Vorsorgekassen (BV-Kassen). Arbeitgeber/innen haben für Dienstverhältnisse, die nach dem 31. Dezember 2002 beginnen, einen Beitrag in Höhe von 1,53 % des monatlichen Entgeltes an die gewählte BV-Kasse zu leisten. Der Abfertigungsanspruch wächst damit – im Gegensatz zum früheren Abfertigungssystem mit den Sprüngen in der Abfertigungshöhe – kontinuierlich an. Die Beiträge des Arbeitgebers stellen gemäß § 26 Z  7 lit. d EStG 1988 beim Arbeitnehmer keine lohnsteuerpflichtigen Einkünfte dar. Die Abfertigung kann dann als Einmalbetrag ausgezahlt oder an ein Versicherungsunternehmen zur Rentenauszahlung, an ein Kreditinstitut zum ausschließlichen Erwerb von Anteilen an einem prämienbegünstigten Pensionsinvestment­fonds oder an eine Pensionskasse übertragen werden. Die Lohnsteuer beträgt im Falle der Auszahlung als Einmalbetrag 6%, bei der Übertragung und Verrentung entfällt sie ganz (§ 67 Abs. 3 EStG 1988). Somit besteht ein Anreiz, die Betriebliche Mitarbeitervorsorge auch tatsächlich für die Altersvorsorge zu nutzen.  Überdies wurde mit dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz ab 1. Jänner 2008 auch für freie Dienstnehmer und für Selbständige eine betriebliche Vorsorge analog zur Regelung über die „Abfertigung Neu“ eingeführt.

 

Noch vielfältiger stellt sich die steuerliche Förderung der dritten Säule, der privaten Alters­vorsorge dar:

 

Hier ist zunächst auf die im Jahr 2002 eingeführte prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge zu verweisen: Gemäß §§ 108g bis 108i EStG 1988 wird einem Steuerpflichtigen, der Beiträge an eine Zukunftsvorsorgeeinrichtung leistet, Lohnsteuer im Ausmaß von 5,5% zuzüglich des nach § 108 Abs. 1 EStG 1988 ermittelten Prozentsatzes (Bausparprämie) der von ihm geleisteten Beiträge pauschal erstattet. Für das Jahr 2008 waren dies insgesamt 9,5%. Lohnsteuer darf dabei maximal für Beiträge in Höhe von 1,53% des 36-fachen der Höchst­beitragsgrundlage der Sozialversicherung (2008: 2164,64 Euro) erstattet werden (daher 2008 maximale Prämie von 205,64 Euro). Die Ansprüche können gemäß § 108i EStG 1988 frühestens 10 Jahre nach der Einzahlung als Einmalbetrag ausgezahlt oder an ein Ver­sicherungsunternehmen zum Abschluss einer Pensionszusatzversicherung, an ein Kredit­institut zum ausschließlichen Erwerb von Anteilen an einem prämienbegünstigten Pensions‑

investmentfonds oder an eine Pensionskasse übertragen werden. Bei einer Auszahlung als Einmalbetrag wird gemäß § 108g Abs. 5 EStG 1988 die Hälfte der Prämie zurückgefordert, ansonsten bleibt sie dem Steuerpflichtigen voll erhalten. Die Zukunftsvorsorgeeinrichtungen selbst müssen nach § 108h EStG 1988 bestimmte Voraussetzungen erfüllen (Anlage in Pen­sionsinvestmentfonds, B-VKs oder Versicherungsunternehmen im EWR mit Rentenver­sicherungsgeschäft; Veranlagung zumindest im Ausmaß von 40% in Aktien eines EWR-Staates mit Börsekapitalisierung von höchstens 40%).

 

Weiters besteht gemäß § 108a und § 108b EStG 1988 („prämienbegünstigte Pensionsvor­sorge“) auch für Beiträge des Arbeitnehmers zu einer Pensionszusatzversicherung, zu einer Pensionskasse, einer betrieblichen Kollektivversicherung oder für die freiwillige Höherver­sicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung oder den Erwerb von Anteilen an einem prämienbegünstigten Investmentfonds eine steuerliche Förderung in Form einer Prämie: Diese beträgt ebenfalls 5,5% zuzüglich des nach § 108 Abs. 1 EStG 1988 ermittelten Prozentsatzes (Bausparprämie) der Beiträge und kann gemäß § 108a Abs. 2 EStG 1988 für Beiträge von bis zu 1.000 Euro jährlich in Anspruch genommen werden.

 

Alternativ zu diesen Prämien besteht für den Arbeitnehmer gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 die Möglichkeit, seine Beiträge zu einer freiwilligen Pensions- oder Lebensver­sicherung, Beiträge zu einer Pensionskasse (oder vergleichbaren ausländischen Einrichtung) sowie zu einer betrieblichen Kollektivversicherung im Rahmen der Veranlagung als Topfson­derausgaben steuerlich geltend zu machen. Voraussetzung ist, dass für die Beiträge eben keine der bereits genannten Prämien in Anspruch genommen wird bzw. es sich nicht um eine Pensionszusatzversicherung im Sinne des § 108b EStG 1988 handelt. Topfsonderausgaben sind gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 zu einem Viertel abzugsfähig, und für sie besteht ein Höchstbetrag von 2.920 Euro, der sich für Alleinverdiener bzw.
-erzieher verdoppelt und bei mindestens drei Kindern um 1.460 Euro steigt. Weiters wird bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen 36.400 Euro und 50.900 Euro das Sonderaus­gabenviertel gleichmäßig auf Null eingeschliffen.

 

Die aus den Beiträgen des Arbeitnehmers an Pensionskassen und betriebliche Kollektiv­versicherungen später resultierenden Bezüge und Vorteile stellen Einkünfte aus nichtselb­ständiger Arbeit dar und unterliegen – korrespondierend zum Topfsonderausgaben-Abzug –
gemäß § 25 Abs. 2 lit. a EStG 1988 nur zu einem Viertel der Besteuerung. Wurde für die Beiträge allerdings statt des Sonderausgabenabzugs eine Prämie in Anspruch genommen oder handelt es sich um Bezüge, die auf einer Übertragung der Ansprüche aus einer Betrieblichen Vorsorgekasse beruhen, unterbleibt die Besteuerung ganz.

 

Zu 5.:

Dem Bundesministerium für Finanzen liegen nicht für alle Produkte und für sämtliche Jahre Daten vor. Da die tatsächliche Höhe der steuerlichen Förderung in vielen Fällen nicht nur vom gewählten Produkt, sondern auch vom Steuerpflichtigen selbst abhängt, sind teilweise nur grobe Schätzungen möglich: So kann dem persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen ebenso wie seinen zukünftigen, erst zu treffenden Entscheidungen (z.B. könnte sich der Steuerpflichtige bei der Betrieblichen Mitarbeitervorsorge für eine Einmalzahlung oder für die Übertragung an diverse Institutionen entscheiden) für die tatsächliche Steuerersparnis Bedeutung zukommen. Überdies bestehen Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Produkten, sodass zwar eine isolierte Betrachtung der einzelnen Produkte, aber keine darauf aufbauende Gesamtschätzung im Wege einer schlichten Addition möglich ist.

 

Genaue Daten liegen für die prämiengeförderten Produkte ab dem Jahr 2003 vor:

 

Jahr

Prämie in Mio. €

108a EStG

108g EStG

2003

3,0

15,9

2004

3,0

30,4

2005

2,9

45,2

2006

2,6

55,0

2007

2,7

68,6

 

 

Für alle anderen Produkte liegen aufgrund fehlender Daten lediglich Schätzungen vor: Auf Basis der vorhandenen Daten für 2006 schätzt das Bundesministerium für Finanzen die Kosten für den Sonderausgabenabzug betreffend Beiträge zu einer freiwilligen Pensions- oder Lebensversicherung, Beiträge zu einer Pensionskasse sowie zu einer betrieblichen Kollektivversicherung (§ 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988) mit rund 170 Mio. Euro jährlich.


 

Die Kosten für die Zukunftssicherung (§ 3 Z 15 lit. a EStG 1988) werden mit 100 Mio. Euro jährlich geschätzt.

 

Für die Kosten der steuerlichen Regelungen betreffend die Arbeitgeberbeiträge zu Pensions­kassen, betrieblichen Kollektivversicherungen und Betrieblichen Vorsorgekassen liegen keine Schätzungen des Bundesministeriums für Finanzen vor. Die Größenordnung dürfte bei ca. 300 Mio. Euro jährlich liegen.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Mag. Wilhelm Molterer eh.