514/AB XXIII. GP

Eingelangt am 10.05.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0029-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 518/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Maßnahmen gegen Gewalttaten im Umfeld von Sportveranstaltungen“ gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Sicherheit in Stadien ist ein Thema, dem nicht nur im Zusammenhang mit der EURO 2008 zunehmende Aufmerksamkeit zu widmen ist. Sportliche Betätigung und Begeisterung der Fangemeinde darf nicht durch Randgruppen und deren Gewaltbereitschaft gefährdet werden. Nationale, aber auch internationale Vorfälle in jüngster Zeit müssen uns Warnung genug sein.

Um in diesem Bereich für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Spiele und die Sicherheit der Zuschauerinnen und Zuschauer, aber auch der Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre zu sorgen, wird ein gemeinsames Vorgehen von Politik, Justiz, Polizei und Sport erforderlich sein. In diesem Zusammenhang wird dem Aspekt der Prävention besonderes Gewicht zuzumessen sein, weil die beste Maßnahme zur Kriminalitätsbekämpfung eine erfolgreiche Bekämpfung der Ursachen dieser zunehmenden Gewaltbereitschaft ist.

Besonders wichtig (auch im Hinblick auf die EURO 2008) sind interdisziplinäre Maßnahmen – schon für eine bessere Koordination der internationalen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und der nationalen Fußballverbände –, um der Komplexität des internationalen Gewaltphänomens im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen Herr zu werden. Dazu wären eine Intensivierung der Zusammenarbeit und ein einheitliches Vorgehen der Bereiche innere Sicherheit, Jugend, Bildung, Gesundheit und Soziales sowie Justiz zur Erarbeitung eines (auch europaweit) einheitlichen Maßnahmenpakets aus rechtlichen und sozialpräventiven Maßnahmen gegen Gewalt im Sport notwendig.

Zu 1 und 2:

Trotz der dringenden Notwendigkeit, mit allen verfügbaren Mitteln dafür vorzusorgen, dass gewaltbereite Hooligans gar nicht erst in den Bereich von Sportgroßveranstaltungen gelangen können, muss doch andererseits auch – gewissermaßen im Sinne einer letzten Verteidigungslinie der öffentlichen Sicherheit bei Sportgroßveranstaltungen – gewährleistet werden, dass die Polizei sofort, wirksam und auf einer klaren gesetzlichen Grundlage einschreiten kann, wenn es bei einer solchen Veranstaltung oder in deren Umgebung zu Tätlichkeiten kommt. Ich bekenne mich dazu, dass im Rahmen von Sportgroßveranstaltungen keine Form von Gewalt toleriert werden darf und dass Sportgroßveranstaltungen insoferne von allen als eine gewaltfreie Zone respektiert werden sollten.

In meinem Ministerium werden deshalb Überlegungen zur Schaffung eines Tatbestandes im Rahmen des Delikts des Raufhandels (§ 91 StGB) angestellt. Mit diesem neuen Tatbestand würde die tätliche Teilnahme an einer Schlägerei als solche dann unter Strafe gestellt werden, wenn sich die Schlägerei im Rahmen einer Sportgroßveranstaltung oder einer Sicherheitszone im Sinne des § 36b Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz ereignet. Damit wäre klargestellt, dass die Exekutive sofort intervenieren kann, wenn jemand eine Schlägerei beginnt, und nicht erst zuwarten muss, bis es bereits zu einer Verletzung gekommen ist. Dies scheint mir insbesondere auch im Hinblick auf die naheliegende Gefahr geboten, dass sich die ersten Handgreiflichkeiten andernfalls in kürzester Zeit zu kaum noch kontrollierbaren Gewalttätigkeiten ausweiten könnten. Durch eine Ergänzung der Strafprozessordnung müsste zudem sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen für eine Festnahme und die Untersuchungshaft gegeben sind.

Im Wege gerichtlicher Weisungen – sei es im Rahmen der Diversion, bei der bedingten Strafnachsicht oder der bedingten Entlassung, allenfalls als gelinderes Mittel bei der Untersuchungshaft – kann zweierlei bewirkt werden: Zum Einen können auf diese Weise Stadienverbote ausgesprochen werden, zum Anderen können die Möglichkeiten, mit Weisungen bestimmte Pflichten aufzuerlegen oder die Erbringung gemeinnütziger Leistungen anzuordnen, stärker genützt werden.

Darüber hinaus prüfe ich, wie der vermehrte und zielgerichtete Einsatz sozialkonstruktiver Maßnahmen, die sich oft als wirksamer erweisen als eine bloße Verurteilung, erreicht werden kann. Auf diesem Gebiet gibt es erfolgreiche Modelle, die ausgebaut werden könnten (zB Anti-Gewalt-Trainings oder gemeinnützige Leistungen für jugendliche Angehörige von Neonazigruppen in Gedenkstätten). Solche Maßnahmen zielen darauf ab, Betroffene aus der „Szene“ zu lösen und sie in Kursen oder Institutionen mit ihren Taten und deren Konsequenzen zu konfrontieren sowie ihnen Handlungsalternativen aufzuzeigen.

Zu 3:

Maßnahmen zur Gewaltprävention über das Instrument der einstweiligen Verfügungen stehe ich grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber und werde daher prüfen lassen, ob einstweilige Verfügungen – nach dem Vorbild der §§ 382b ff EO zum Schutz vor Gewalt in der Familie – auch zur Gewaltprävention bei Sportveranstaltungen geeignet sind. Eine erste Prüfung hat gezeigt, dass eine solche Gewaltprävention eine Aufgabe des Sicherheitspolizeirechts ist, auf deren Lösung sich die zivilrechtlichen Regelungen gegen Gewalt in der Familie nicht ohne weiteres  übertragen lassen:

Wenn die angestrebten Maßnahmen in ausreichendem zeitlichem Abstand – quasi „vorbeugend“ – zur Europameisterschaft getroffen werden sollen, fehlt es an der für einstweilige Verfügungen vorausgesetzten Dringlichkeit. Darüber hinaus wird es für potenzielle Antragsteller oft nicht möglich sein, eine unmittelbar drohende Gefährdung und damit einen zu sichernden Anspruch zu bescheinigen.

Wenn hingegen der entsprechende zeitliche Konnex zur Veranstaltung schon gegeben ist, könnte wiederum die Zustellung einer einstweiligen Verfügung Probleme bereiten, zumal sich der Antragsgegner dann gerade nicht an seinem Wohnort, sondern an einer Unterkunft in der Nähe des Veranstaltungsorts aufhalten wird.

Erhebliche praktische Probleme dürfte den Antragstellern auch die Feststellung von Namen und Adressen der Antragsgegner bereiten, die im jeweiligen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung angegeben werden müssten.

Das Instrumentarium der einstweiligen Verfügungen kann daher nur teilweise Abhilfe schaffen. Die Schaffung von Maßnahmen im Bereich der einstweiligen Verfügungen hängt primär wohl davon ab, ob die neugeschaffenen Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz Schutzlücken lassen, die auf diesem Wege geschlossen werden können.

 

. Mai 2007

 

(Dr. Maria Berger)