532/AB XXIII. GP

Eingelangt am 15.05.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0042-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 633/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Befangenheit und Nebengeschäfte eines Konkursrichters“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Vorweg ist festzuhalten, dass die Anfragebeantwortung weitestgehend auf einem Bericht des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz beruht. Die Hintergründe für die meisten Fragen sind dem Bundesministerium für Justiz nicht bekannt.

Zu 1 bis 8 und 26:

Die Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm über die Ausgeschlossenheit und Befangenheit von Richtern (§§ 19 ff JN) gelten im Wege des Verweises in § 171 Konkursordnung auch für Konkursverfahren.

Richter sind gemäß § 20 JN von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen,

1. in Sachen, in welchen sie selbst Partei sind, oder in Ansehung deren sie zu einer der Parteien in dem Verhältnisse eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen stehen;

2. in Sachen ihrer Ehegatten oder solcher Personen, welche mit ihnen in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind, oder mit welchen sie in der Seitenlinie bis zum vierten Grade verwandt oder im zweiten Grade verschwägert sind;

3. in Sachen ihrer Wahl- oder Pflegeeltern, Wahl- oder Pflegekinder, ihrer Mündel und Pflegebefohlenen;

4. in Sachen, in welchen sie als Bevollmächtigte einer der Parteien bestellt waren oder noch bestellt sind;

5. in Sachen, in welchen sie bei einem untergeordneten Gerichte an der Erlassung des angefochtenen Urteiles oder Beschlusses teilgenommen haben.

Ein Richter ist gemäß § 19 Z 1 JN dann befangen, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Konkrete Gründe für eine Befangenheit sind gesetzlich nicht genannt.

In einer veröffentlichten Entscheidung hat das Oberlandesgericht Linz ausgesprochen, dass in einem Mehrparteienverfahren wie dem Konkursverfahren oder den meisten Außerstreitverfahren (zB Pflegschaftsverfahren) zur objektiven Beurteilung des Anscheins der Befangenheit eines Richters andere Kriterien heranzuziehen seien als im kontradiktorischen Zivilprozess, in dem das Gleichgewicht der beiderseitigen Prozessrechte der Parteien im Vordergrund der Verfahrensziele stehe (OLG Linz, 2 R 98/98i). In derselben Entscheidung geht das Oberlandesgericht Linz davon aus, dass die Grenze zur konkursrichterlichen Befangenheit dort zu ziehen sein werde, wo sich Verstöße gegen das Verfahrensrecht, wodurch in die Rechte des Gemeinschuldners gravierend eingegriffen wird, massiv häufen oder wo nicht nur dienstliche Verflechtungen des Richters mit anderen Organen oder Verfahrensbeteiligten im Zusammenhalt mit Verstößen gegen das Verfahrensrecht den dringenden Verdacht erwecken, dass sich Organe und/oder Verfahrensbeteiligte auf Kosten anderer Verfahrensbeteiligter sozusagen unter dem Schirm konkursgerichtlicher Entscheidungen bereichern könnten.

Die Beurteilung von Ausgeschlossenheit bzw. Befangenheit eines Richters in einem konkreten Fall ist eine Angelegenheit der Rechtsprechung. Über die Ablehnung eines Richters an einem Gerichtshof entscheidet ein besonderer Senat desselben Gerichtshofes (§ 23 JN, § 19 Z 10 Geo). Wird ein Ablehnungsantrag zurück- bzw. abgewiesen, ist ein Rekurs an das übergeordnete Gericht möglich (§ 24 Abs. 2 JN).

Da die Entscheidung über das Vorliegen von Befangenheits- oder Ausschließungsgründen den unabhängigen Gerichten obliegt, kann ich zu den in der Anfrage genannten – auf einen konkreten Fall Bezug nehmenden – Fallvarianten keine Stellungnahme abgeben.

 

Zu 9 und 10:

Dr. S. meldete als Nebenbeschäftigungen

am 29. Juni 1990: Vortragstätigkeiten im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und Seminaren im Ausmaß von zwei bis vier Vorträgen pro Jahr jeweils im Ausmaß von vier Stunden;

am 7. Juni 1994: Funktion als Treuhänder-Stellvertreter bei einer Bank Aktiengesellschaft sowie Untertreuhänder-Stellvertreter dieses Kreditinstitutes bei der Pfandbriefstelle der österreichischen Landes-Hypotheken-Banken in Wien, wöchentliche Belastung nur bei Verhinderung des bestellten Treuhänders im zeitlichen Ausmaß von maximal ein bis zwei Stunden pro Woche;

am 24. April 1995: Konsulententätigkeit für die A. Leasing GmbH sowie W.- R. GmbH im Bereich der Liegenschafts-/Gebäudesanierung im Ausmaß von durchschnittlich maximal drei Stunden wöchentlich, davon zwei außerhalb der üblichen Dienstzeit.

Diese Meldungen von Nebenbeschäftigungen wurden vom damaligen Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz Dr. Othmar Hanke – teilweise nach ergänzenden Erhebungen im Hinblick auf die zeitliche Belastung – zur Kenntnis genommen; eine Untersagung erfolgte nicht.

Darüber hinaus stimmte das Bundesministerium für Justiz mit Erlass vom 6. Dezember 1991 der Ausübung der Nebentätigkeit des Dr. S. als Ersatzmitglied des Landesagrarsenates für Salzburg ab dem 1. Jänner 1992 und mit Erlass vom 30. November 2001 der Ausübung der Nebentätigkeit als Stellvertreter des Vorsitzenden der Grundverkehrslandeskommission Salzburg für die Funktionsperiode bis 1. Juni 2004 zu.

Weitere Nebenbeschäftigungen oder Nebentätigkeiten im angesprochenen Zeitraum sind nicht aktenkundig.

Zu 11:

Der Richter darf keine Nebenbeschäftigungen ausüben, die der Würde des Amtes widerstreiten oder die ihn bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten behindern oder die Vermutung der Befangenheit in Ausübung des Dienstes hervorrufen oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährden könnten. Weiters ist es dem Richter seit der Novelle des Richterdienstgesetzes 1990 untersagt, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat, dem Verwaltungsrat oder einem sonstigen Organ einer auf Gewinn gerichteten juristischen Person anzugehören (§ 63 RDG). Ob eine Nebenbeschäftigung erwerbsmäßig ausgeübt wird, ist für die Frage der Zulässigkeit nur mittelbar erheblich. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz hat berichtet, dass die Frage, welches Einkommen (Geld bzw. sonstige Sachen von objektivem Wert) Dr. S. im Rahmen seiner Nebenbeschäftigungen erzielt habe, für die Entscheidung durch die Justizverwaltung nicht relevant gewesen sei. Daher habe auch kein Anlass für Erhebungen im Sinne dieses Punktes der Anfrage bestanden.

 

Zu 12:

Zu dieser Frage berichtet der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, dass er von der offenkundig gemeinsamen Adresse des Dr. S. und des im Insolvenzverfahren „Atomic“ als Masseverwalter eingeschrittenen Rechtsanwaltes aufgrund eines von Dr. S. der Justizverwaltung vorgelegten Medienartikels aus dem „Korrekt“ vom 30. Jänner 2002 Kenntnis erlangt habe, und ersucht, ihm das Protokoll über die Befragung des Dr. S. vor dem Untersuchungsausschuss Finanzmarktaufsicht zu diesem Thema zu übermitteln, um aufgrund dieser Ergebnisse über seine weitere Vorgangsweise entscheiden zu können.

 

Zu 13 bis 16:

Ob, und gegebenenfalls in welchem Umfang Dr. S. von einem Onkel als Vermögensverwalter bevollmächtigt wurde, entzieht sich der Kenntnis des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz. Nach einer Abfrage der Gerichtsregister war Dr. S. niemals zum Sachwalter bestellt.

 

 

 

Zu 17:

Eine in diesem Zusammenhang von der Stieftochter des Ing. E., des offensichtlich angesprochenen Onkels des Dr. S., erstattete Strafanzeige gelangte dem Bundesministerium für Justiz durch den Anfallsbericht der Oberstaatsanwaltschaft Linz vom 18. Dezember 1998 am 21. Dezember 1998 zur Kenntnis und wurde von der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis nach Durchführung von Erhebungen mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz vom 26. Mai 1999 gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt, weil sich die erhobenen Vorwürfe insbesondere aufgrund der Aussage des Ing. E. vor dem Bezirksgericht Mauerkirchen als unrichtig erwiesen haben.

Deshalb hat der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, dem die Anzeigerin am 24. November 1998 ein Duplikat ihrer Strafanzeige zugemittelt hatte, von weiteren Veranlassungen in dieser Angelegenheit Abstand genommen und bestand auch für das Bundesministerium des Justiz kein Grund für weitere dienstaufsichtsbehördliche Maßnahmen.

Zu 18, 20 und 21:

Wieder unter der Annahme, dass es sich bei dem angesprochenen Onkel um Ing. E. handelt, weist nach dem Bericht des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz das der Abhandlung und Einantwortung zu Grunde liegende Vermögensverzeichnis keine Liegenschaften auf. Für einen „unschönen Erbschaftsstreit“ sind dem Gerichtsakt nach dem Bericht des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Dr. S. wurde die Verlassenschaft aufgrund eines vom Erblasser bereits 1996 vor einem Salzburger Notar errichteten Testaments eingeantwortet. Inwieweit Dr. S. allenfalls in anderen Verlassenschaftsverfahren als Erbe bedacht wurde, entzieht sich der Kenntnis des Bundesministeriums für Justiz.

Nach einem Aktenvermerk  vom 6. März 1998 des damaligen Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz Dr. Helmut Hubner habe Dr. S. seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Rahmen eines Gespräches offen gelegt. Dr. Hubner hat damals keine Anhaltspunkte für Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten in der Finanzgebarung des Dr. S. gesehen.

Zu 19:

Die Verlassenschaft nach Ing. E. wurde vor dem Bezirksgericht Mauerkirchen abgeführt. Als Gerichtskommissär war der öffentliche Notar in Mauerkirchen Mag. Hermann St. tätig. Im Rahmen der schriftlichen Abhandlungspflege schritt der öffentliche Notar in Salzburg Dr. Friedrich St. als Erbenmachthaber ein. Ein Erbschaftsstreit ist nicht aktenkundig.

 

Zu 22 und 23:

Dr. S. hat nach den vorliegenden Unterlagen in den Jahren 1986 bis 1989 im Familienkreis unentgeltlich für mehrere Häuser Sanierungs- und Finanzierungskonzepte entwickelt. In der Folge wurde er seitens der Stadtgemeinde Salzburg einer Expertenkommission zur Altstadtsanierung beigezogen. In diesem Zusammenhang erhielt er eine Entlohnung für die schriftliche Darstellung des Konzeptes, worüber er dem damaligen Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg Dr. Veits Meldung erstattete.

Ende 1992 wurde Dr. S. über Ersuchen eines Rechtsanwaltes einem weiteren Sanierungsfall zur Darlegung seines Konzeptes und seiner bisherigen Erfahrungen beigezogen, wofür er ein Konsulentenhonorar erhielt. Diese Nebenbeschäftigung zeigte Dr. S. - nach seiner Darstellung aus dem Irrtum heraus, dass ein einmaliges zusätzliches Einkommen nicht meldepflichtig sei - der Dienstbehörde nicht an.

Am 24. April 1995 meldete er eine gleichartige Tätigkeit als Konsulent für ein weiteres Sanierungsprojekt, was der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz am 9. Mai 1995 zur Kenntnis nahm.

Zu 24:

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz hat mir berichtet, dass ihm derartige Vorwürfe nicht bekannt geworden seien, weshalb im Wege der Dienstaufsicht keine Erhebungen geführt wurden bzw. werden konnten. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz hat jedoch gebeten, ihm Grundlagen dieser Sachverhaltsannahme der Abgeordneten zukommen zu lassen, um gegebenenfalls geeignete Veranlassungen treffen zu können.

 

Zu 25:

Dr. S. ist seit 1. Mai 1985 als Richter in Insolvenzsachen am Landesgericht Salzburg tätig und war dort bis 1. Februar 1998 alleine für diesen Geschäftskreis zuständig. Seit diesem Zeitpunkt ist auch Dr. Rudolf Havas – mit ansteigender Auslastung – als Insolvenzrichter eingesetzt.

 

Zu 27 bis 29:

Der Vorwurf, dass Dr. S. im Jahr 1998 eine Einladung des Helmut E. zu einem Flug von Salzburg nach Wien und zurück angenommen habe, gelangte dem Bundesministerium für Justiz anlässlich der Aktenvorlage für den Untersuchungsausschuss Finanzmarktaufsicht zur Kenntnis und wurde vom Bundesministerium für Justiz umgehend zum Anlass genommen, den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz mit Erlass vom 13. März 2007 um Überprüfung und allfällige Befassung des Disziplinargerichtes zu ersuchen.

. Mai 2007

 

(Dr. Maria Berger)