533/AB XXIII. GP
Eingelangt am 15.05.2007
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0043-Pr 1/2007
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 634/J-NR/2007
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „rechtswidrige Versicherung eines Konkursrichters“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Dem Grunde nach wurde das Bundesministerium für Justiz mit dieser Problematik erstmals im Jahr 1981 befasst.
Die konkrete, in der Anfrage ausgeführte Fallkonstellation wurde dem Bundesministerium für Justiz erst durch die vorliegende parlamentarische Anfrage bekannt.
Zu 2:
Die dienst- und disziplinarrechtliche Beurteilung solcher Sachverhalte obliegt grundsätzlich den Disziplinargerichten. Allgemein kann gesagt werden, dass es dem Richter nach § 59 RDG verboten ist, Geschenke oder andere Vorteile, die ihm oder seinen Angehörigen mit Rücksicht auf seine Amtsführung mittelbar oder unmittelbar angeboten werden, anzunehmen. Ebenso ist ihm verboten, sich in Beziehung auf seine Amtsführung Geschenke oder andere Vorteile verschaffen oder versprechen zu lassen. Im vorliegenden Fall lag offenbar eine prämienfreie Mitversicherung des Konkursrichters beim Masseverwalter vor.
Ein Vorteil gilt dann als mit Rücksicht auf die Amtsführung angeboten, wenn das Anbieten für die pflichtgemäße oder für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes erfolgt. Eine allfällige Versicherung des Richters in dem dargestellten Sinn steht in ursächlichem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Konkursrichter, jedoch ist die Frage eines Zusammenhangs mit konkreten Amtsgeschäften des erkennenden Richters nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.
Sofern mit der praktischen Problematik die mögliche Befangenheit angesprochen sein, wäre auf die dafür im gerichtlichen Verfahren vorgesehenen Überprüfungsmöglichkeiten im Instanzenzug hinzuweisen.
Zu 3 und 4:
Dem Bundesministerium für Justiz sind seit 1981 bis zu der vorliegenden Anfrage vier konkrete Fälle zur Kenntnis gebracht worden. Es handelte sich dabei um ein Konkursverfahren am Landesgericht Innsbruck im Jahr 1981, jeweils Konkurs- und Ausgleichsverfahren beim Landesgericht Salzburg in den Jahren 1986 und 1989 (Dr. Sieber) sowie um ein Insolvenzverfahren beim Landesgericht Wr. Neustadt im Jahr 1995.
Zu 5 und 6:
In den drei ersten erwähnten Fällen wurde das Bundesministerium für Justiz von der zuständigen Dienstbehörde, das heißt vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck bzw. vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, jeweils über Initiative des betroffenen Richters, befasst.
Im ersten Fall vertrat der damalige Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck Dr. Karl Kohlegger die Auffassung, dass kein Hindernis bestehe, von dem Anbot einer prämienfreien Mitversicherung Gebrauch zu machen, weil die Interessen der Masse dadurch nicht verletzt würden. Die Versicherungsprämie hätte in diesem Fall im Übrigen 180.000 S betragen, was etwa neun Bruttomonatsgehältern eines Richters in einer derartigen Verwendung entsprach.
In den Jahren 1986 und 1989 legte der damalige Präsident des Oberlandesgerichtes Linz Mag. Rudolf Brunnhofer entsprechende Anträge des Insolvenzrichters Dr. Sieber befürwortet vor und gab seiner Meinung Ausdruck, dass die Mitversicherung aufgrund des hohen Risikos durchaus begründet scheine. Als Sachbearbeiter schien bei diesen beiden Vorgängen der Vizepräsident des Oberlandesgerichtes Linz Dr. Jakob Gratzer auf.
Im erstgenannten Fall wurde von folgenden Erwägungen ausgegangen: Gemäß § 59 RDG sei dem Richter verboten, Geschenke und andere Vorteile, die ihm oder seinem Angehörigen mit Rücksicht auf seine Amtsführung mittelbar oder unmittelbar angeboten werden, anzunehmen. Es sei ihm verboten, sich in Beziehung auf seine Amtsführung Geschenke oder andere Vorteile zu verschaffen oder versprechen zu lassen. Der vom Richter anzunehmende „Vorteil“ bestehe lediglich in der Verminderung des Nachteils, im Wege des Rückgriffs auf Grund eines Amtshaftungsverfahrens in Anspruch genommen zu werden. Weiters könne aus dem damals vorliegenden Sachverhalt auch nicht unmittelbar angenommen werden, dass ihm der Vorteil „mit Rücksicht“ auf seine Amtsführung angeboten werde. Der Vorteil, der ihm aus der Verminderung des Haftungsrisikos erwachse, stehe nicht von vornherein in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes (siehe Spehar-Jesionek, RDG, Anm 4 zu § 59 RDG). Da im Hinblick auf den außergewöhnlichen Umfang des Konkursverfahrens auch das Risiko des Konkurskommissärs außergewöhnlich groß erscheine, könne auch nicht gesagt werden, dass sich der Konkurskommissär durch die Annahme des Anbotes einen Vorteil in Beziehung auf seine Amtsführung verschaffe.
Daher wurde mit an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck gerichtetem Erlass vom 11. Februar 1981 der Rechtsauffassung zugestimmt, dass kein Einwand bestehe, vom Anbot der Versicherung zu Gunsten des Konkurskommissärs Gebrauch zu machen.
Dieser Erlass wurde vom Leiter der damals unter anderem für die Personalangelegenheiten der Richter der Oberlandesgerichtssprengel Linz und Innsbruck zuständigen Abteilung III 6 des Bundesministeriums für Justiz Dr. Michael List vorbereitet und vom damaligen Leiter der Personal- und Verwaltungssektion des Bundesministeriums für Justiz Dr. Ernst Weber approbiert. Vor Genehmigung wurde dieser Akt vom damaligen Leiter der für allgemeine Dienstrechtsangelegenheiten zuständigen Abteilung III 1 des Bundesministeriums für Justiz Dr. Helmut Goldemund vidiert, vor Abfertigung wurden der Leiter der für Legistik in Insolvenzsachen zuständigen Abteilung I 5 Dr. Gebhard Weitzer und der Leiter der für Gerichtsgebühren zuständigen Abteilung I 7 des Bundesministeriums für Justiz Dr. Karl Mayerhofer befasst.
Im zweitgenannten Fall wurde – aufbauend auf die im Jahr 1981 aktenmäßig festgehaltenen Erwägungen – mit an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gerichtetem Erlass vom 20. November 1986 kein Einwand erhoben, dass vom Angebot der prämienfreien Mitversicherung zu der vom Ausgleichsverwalter abgeschlossenen Haftpflichtversicherung bezüglich der im Erlass angeführten Ausgleichsverfahren des Landesgerichtes Salzburg Gebrauch gemacht werde. Diese Erledigung wurde von der damaligen Referentin in der oben erwähnten Abteilung III 6 des Bundesministeriums für Justiz Dr. Ulrike Tessarek vorbereitet und vom damaligen Leiter dieser Abteilung Dr. Michael List approbiert. Vor Abfertigung wurden der Leiter der Abteilung I 5 Dr. Franz Mohr und der damalige Leiter der Abteilung I 7 Dr. Robert Tschugguel befasst.
1989 wurde aufbauend auf den beiden Vorentscheidungen im inhaltlich gleichgelagerten Fall mit dem an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gerichteten von der damaligen Referentin in der Abteilung III 6 Dr. Ulrike Tessarek vorbereiteten und approbierten Erlass vom 8. November 1989 kein Einwand erhoben, dass vom Angebot der prämienfreien Mitversicherung zu der vom Masse- bzw. Ausgleichsverwalter abgeschlossenen Vermögensschadensversicherung bezüglich der im Erlass angeführten Verfahren des Landesgerichtes Salzburg Gebrauch gemacht werde.
In den drei genannten Fällen gab es auch deswegen inhaltlich keine Bedenken, weil die zu Grunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht auf den Inhalt der Entscheidungen des Richters abgestellt waren und keine zusätzliche Belastung der Masse damit verbunden war. Im dritten Fall ist aus dem Anbot des Versicherers ersichtlich, dass auch die Konzipienten des Masseverwalters, der Wirtschaftstreuhänder und der Gläubigerausschuss in seiner Funktion als gerichtlich bestelltes Organ mitversichert waren.
Das Verfahren beim Landesgericht Wr. Neustadt wurde bei einer Recherche aus Anlass dieser Anfrage in einem Sachakt der Exekutionsrechtabteilung festgestellt.
Zu 7 bis 9:
Im Jahr 1994 haben die Richtervereinigung und die Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der GÖD an das Bundesministerium für Justiz die Frage der besonderen Haftungsrisiken insbesondere im Firmenbuch- und Konkursrecht herangetragen. Nach Gesprächen wurde der Richtervereinigung und der Bundessektion Richter und Staatsanwälte mitgeteilt, dass sich der Abschluss von Gruppenversicherungen zur Minderung der Risken der Organhaftung und des Regresses in Amtshaftungssachen anbiete. Weiters wurde ausgeführt, dass einem Regressverzicht des Bundes Bestimmungen des BHG entgegenstünden. Nach dem Informationsstand des Bundesministeriums für Justiz wurde dann ein Versicherungspaket mit einem österreichischen Versicherer für Richter und Staatsanwälte angeboten.
Eine Umfrage bei den Präsidenten der Oberlandesgerichte ergab, dass derzeit der Justizverwaltung nicht bekannt ist, dass Insolvenzrichter in Haftpflichtversicherungen von Masse- und Ausgleichsverwaltern mitversichert würden.
Ich beabsichtige jedenfalls, auch im Lichte allfälliger Feststellungen des Untersuchungsausschusses Finanzmarktaufsicht, eine rechtliche Prüfung der seinerzeit mitunter gepflogenen Vorgangsweise durchführen zu lassen und diese Rechtsmeinung den Gerichten in einem Erlass zur Kenntnis zu bringen.
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. Mai 2007
(Dr. Maria Berger)