534/AB XXIII. GP

Eingelangt am 15.05.2007
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BM für Gesundheit, Familie und Jugend

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: BMGFJ-11001/0049-I/A/3/2007

Wien, am      10. Mai  2007

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 567/J der Abgeordneten Herta Mikesch und Kollegen wie folgt:

 

 

Fragen 1 und 2:

Ganz allgemein ist zunächst festzuhalten, dass verschiedene Formen der Selbstbeteiligung der Anspruchsberechtigten an den Kosten der Leistungen der sozialen Krankenversicherung seit jeher bestehen und ein nicht zu vernachlässigendes Finanzierungselement der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen. Die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Selbstbehalte ist zum Teil aus der historischen Entwicklung erklärbar; so sehen beispielsweise die Sonderversicherungsgesetze GSVG, BSVG und B‑KUVG im Unterschied zum ASVG seit ihrer Einführung einen generellen Selbstbehalt für ärztliche Hilfe vor. Einzelne Selbstbehalte hat der Gesetzgeber bewusst für alle Versichertengruppen einheitlich gestaltet, wie etwa die Rezeptgebühr, den Verpflegskostenbeitrag nach dem Krankenanstaltenrecht (jedenfalls im Grundsatzgesetz des Bundes) oder die Zuzahlungen für Kur- und Rehabilitationsaufenthalte. Darüber hinaus haben die Sozialversicherungsgesetze die zu deren Vollziehung berufenen Versicherungsträger für eine Vielzahl von Leistungen ermächtigt, in ihrer Selbstverwaltung den konkreten Umfang der Leistung bzw. die von den Anspruchsberechtigten zu erbringenden Selbstbehalte oder Zuzahlungen in einem vom Gesetz vorgegebenen Rahmen nach Maßgabe ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Bedürfnis der Versicherten in ihrer Satzung festzulegen; dies betrifft insbesondere die Leistungen für Heilbehelfe und Hilfsmittel, Reise- und Transportkosten sowie Zahnbehandlung, Zahnersatz und Kieferregulierungen. Hinsichtlich der satzungsmäßigen Regelungen ist noch darauf hinzuweisen, dass der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für den Bereich der Krankenversicherung eine Mustersatzung aufzustellen hat und einzelne Bestimmungen der Mustersatzung für alle Versicherungsträger oder für bestimmte Gruppen von Versicherungsträgern für verbindlich erklären kann, soweit dies zur Wahrung der Einheitlichkeit erforderlich erscheint.

 

Zu den in der Entschließung E 7-NR/XXII.GP angesprochenen Selbstbehaltsbefreiungen ist Folgendes zu sagen:

 

Die zentrale Rechtsnorm zur Befreiung von Selbstbehalten ist im Zusammenhang mit der Rezeptgebühr zu finden, wonach der Versicherungsträger bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des/der Versicherten nach Maßgabe der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hiezu erlassenen Richtlinien von der Einhebung der Rezeptgebühr abzusehen hat. Die für alle Krankenversicherungsträger verbindlichen Richtlinien des Hauptverbandes über die Befreiung von der Rezeptgebühr knüpfen an den Ausgleichszulagenrichtsatz an. Bezieher/innen einer Ausgleichszulage bzw. einer in den Richtlinien genannten gleichartigen Leistung, bei deren Gewährung das Einkommen bereits geprüft worden ist, sind automatisch von der Rezeptgebühr befreit. Andere Personen, deren anrechenbares Einkommen den anzuwendenden Ausgleichszulagenrichtsatz (für Alleinstehende oder für Ehepaare) nicht erreicht, werden über Antrag befreit. Für Personen, die an Krankheiten oder Gebrechen leiden, durch die ihnen erfahrungsgemäß besondere Aufwendungen entstehen (also chronisch Kranke), beträgt die maßgebliche Grenze zur Befreiung von der Rezeptgebühr 115% des in Betracht kommenden Ausgleichszulagenrichtsatzes. § 5 der Richtlinien über die Befreiung von der Rezeptgebühr ermöglicht darüber hinaus eine Befreiung in besonderen Fällen nach Prüfung der Umstände im Einzelfall insbesondere dann, wenn eine länger dauernde medikamentöse Behandlung notwendig ist, die im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des/der Versicherten eine nicht zumutbare Belastung mit Rezeptgebühren zur Folge hätte.

 

Für etliche Selbstbehalte ist eine Befreiung analog zur Befreiung von der Rezeptgebühr vorgesehen. So entfällt für Heilbehelfe und Hilfsmittel der an sich vom Gesetz vorgesehene Selbstbehalt bei Vorliegen einer Rezeptgebührenbefreiung. Für die Zuzahlungen zu Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (Kuraufenthalte) und medizinische Maßnahmen der Rehabilitation (Rehabilitationsaufenthalte), für das Service-Entgelt für die e-card sowie für den Zusatzbeitrag für Angehörige sind Befreiungsmöglichkeiten durch Richtlinien des Hauptverbandes vorzusehen; die diesbezüglich erlassenen Richtlinien des Hauptverbandes orientieren sich durchwegs an den Rezeptgebührenbefreiungs-Richtlinien.

 

Zum Spitalskostenbeitrag gemäß § 27a KAKuG ist festzuhalten, dass im KAKuG bei der Befreiung nicht auf die Rezeptgebührenbefreiung abgestellt wird, sondern – aufgrund der Natur des KAKuG als Grundsatzgesetz – ganz allgemein die Berücksichtigung besonderer sozialer Härte festgelegt wird. In allen Ausführungsgesetzen der Länder wird jedoch zumindest auch an die Rezeptgebührenbefreiung angeknüpft. Eine Änderung des Grundsatzgesetzes ist nicht erforderlich, da eine sozial gerechte Gestaltung der Befreiung vom Spitalskostenbeitrag durch den Landesgesetzgeber möglich ist.

 

Für den generellen prozentuellen Selbstbehalt bei Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe nach dem GSVG und dem B‑KUVG sehen die gesetzlichen Bestimmungen eine nicht näher definierte Befreiung bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit vor, die vom zuständigen Versicherungsträger im Rahmen seiner Vollziehung zu konkretisieren ist. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter hat hiezu interne Richtlinien über die Nachsicht des Behandlungsbeitrags beschlossen, die eine individuelle Beurteilung nach Maßgabe des anzurechnenden Einkommens in Relation zur monatlichen Belastung aus der Summe der Kostenbeteiligungen vorsieht.

Für manche Selbstbehalte bzw. Kostenbeteiligungen sehen die gesetzlichen Bestimmungen keine Befreiungsmöglichkeit vor; zu nennen sind hier insbesondere der für die Anstaltspflege der Angehörigen von ASVG-Versicherten sowie der Versicherten und Angehörige nach BSVG an Stelle des Spitalskostenbeitrags nach dem Krankenanstaltenrecht zu leistende Kostenbeitrag sowie die Zuzahlungen zu Zahnersatz und Kieferregulierungen.

 

Hinsichtlich der in der Entschließung ebenfalls angeführten „anderen sozialen Zuwendungen“ ist im Bereich des Sozialversicherungsrechts vor allem auf die bei den Versicherungsträgern eingerichteten Unterstützungsfonds hinzuweisen. Aus diesen unter Bedachtnahme auf einen gesetzlich vorgegebenen Rahmen eigens dotierten Fonds können in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, insbesondere unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des/der zu Unterstützenden nach Maßgabe der vom Vorstand des Versicherungsträgers erlassenen Richtlinien freiwillige Zuwendungen gewährt werden. Die Vollzugspraxis der einzelnen Versicherungsträger bei der Gewährung derartiger Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds ist im Hinblick auf die gesetzliche Vorgabe und die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Versicherungsträger sowie die durch deren Selbstverwaltung gesetzten Prioritäten durchaus unterschiedlich. Grundsätzlich sind auch bei Überschreiten der Ausgleichszulagenrichtsätze entsprechende Zuwendungen möglich; vielfach werden Leistungen des Unterstützungsfonds schwerpunktmäßig insbesondere dort erbracht, wo bei Beschränkung auf die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungen des Versicherungsträgers für die Betroffenen eine unzumutbare Belastung entstünde (z.B. durch den Kostenbeitrag für Anstaltspflege von Kindern oder Zuzahlungen für Zahnleistungen).

 

Frage 3:

Im Regierungsübereinkommen sind im vorliegenden Zusammenhang folgende einschlägige Vorhaben enthalten:

 

Im Hinblick auf die finanzielle Belastung aus der Summe bestehender Selbstbehalte für chronisch und Mehrfacherkrankte soll möglichst ab 1.1.2008 eine Obergrenze bei der Rezeptgebühr in Höhe von 2% des Einkommens festgelegt werden. Für die Verschreibung von Generika soll eine niedrigere Rezeptgebühr vorgesehen werden.

 

Zur Sicherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Krankenversicherungsträger sollen einerseits die Krankenversicherungsbeiträge um 0,15 Prozentpunkte angehoben werden und andererseits ein Betrag in selber Höhe auf Grund von Vorschlägen der Sozialpartner durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen (z.B. Angleichung der Leistungskataloge, Einsparungen bei Medikamenten und Verwaltungskosten) aufgebracht werden.

 

Weiters ist eine bundesweite Harmonisierung des Leistungsrechts der Gebietskrankenkassen in Aussicht genommen.

 

In Anbetracht der aus der Beantwortung der Fragen 1 und 2 ansatzweise ersichtlichen Komplexität der Materie ist als Zeithorizont für die Umsetzung dieser Vorhaben die laufende Legislaturperiode realistisch.

 

Dementsprechend ist ein abschließender Bericht über die dargestellte Problematik gegen Ende der laufenden Legislaturperiode zu erwarten.

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Dr. Andrea Kdolsky

Bundesministerin