541/AB XXIII. GP
Eingelangt am 18.05.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Mai 2007
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0023-I/4/2007
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 533/J vom 20. März 2007 der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Vollziehung des Produktpirateriegesetzes im Jahr 2006 – Entwicklung der Produkt- und Markenpiraterie - Maßnahmen, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Dem Bundesministerium für Finanzen liegt ausreichendes Zahlenmaterial, das eine seriöse Schätzung des durch die Produktpiraterie verursachten Schadens ermöglichen würde, nach wie vor leider nicht vor.
Zu 2.:
Durch den Wegfall der Zollkontrollen gegenüber Rumänien und Bulgarien ist die Möglichkeit der Anwendung der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 im Warenverkehr mit diesen Staaten weggefallen. Konkrete Zahlenmaterialien darüber, ob diese EU-Erweiterung zu einem Anstieg der Produktpiraterie geführt hat, liegen dem Bundesministerium für Finanzen nicht vor.
Zu 3. bis 17.:
Hinsichtlich dieser Fragen wird auf den gemäß der Entschließung E 207-NR/XXII.GP am 6. März 2007 übermittelten Produktpirateriebericht 2006, der am 16. März 2007 im Parlament eingelangt ist [III-40 d.B. (XXIII. GP)], verwiesen.
Zu 18. und 19.:
Informationen über nationale Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaaten, nach denen der Kauf und/oder der Besitz von Produktfälschungen durch Konsumentinnen und Konsumenten strafbar sind, liegen im Bundesministerium für Finanzen nach wie vor nicht auf.
Zu 20. bis 26.:
Grundsätzlich ist es richtig, dass laxe Einfuhrkontrollen die Einfuhr von schutzrechts-verletzenden Waren begünstigen würden. Die von der Kommission geführten detaillierten Zollstatistiken über Beschlagnahmen nachgeahmter Waren zeigen jedoch ein anderes Bild. Anlässlich der Veröffentlichung der EU-weiten Statistiken der vom Zoll im Jahr 2005 sichergestellten nachgeahmten Waren hat die Kommission am 10. November 2006 mit der Presseaussendung IP/06/1541 folgendes bekannt gegeben:
"Die Europäische Kommission hat die neueste Zollstatistik veröffentlicht, aus der deutlich wird, dass die Produktnachahmung und Produktpiraterie eine zunehmende Bedrohung für Europa darstellen. Im Jahr 2005 stellten die EU-Zollbehörden über 75 Millionen Artikel sicher, die nachgeahmt oder unerlaubt hergestellt waren. Die Zahl der gefährlichen Nachahmungen steigt. Lebensmittel, Arzneimittel und andere Waren, die eine ernste Bedrohung für die Gesundheit der Verbraucher darstellen, werden weiterhin in großen Mengen unerlaubt hergestellt. Die Arbeit der Zollbehörden wird dadurch weiter erschwert, dass die Wege, über die Nachahmungen auf den Markt gelangen, wechseln, eine immer größere Palette von Waren nachgeahmt wird und die nachgeahmten Waren über das Internet verkauft werden. Als Reaktion hat die Europäische Kommission den Aktionsplan des Zolls zur Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie aufgestellt.
"Eine unsichtbare Welle gefährlicher Warenfälschungen bedroht die Menschen in Europa" warnt der für Steuern und Zoll zuständige Kommissar László Kovács. "Die Gegenwehr besteht darin, schneller zu sein als die Fälscher. Wir müssen neue Betrugswege und die sich ständig verändernden Nachahmungsmuster rasch ermitteln und bekämpfen, wenn wir unsere Gesundheit, unsere Sicherheit und unsere Wirtschaft schützen wollen."
Die Zollbehörden haben 2005 etwa 75 Millionen Artikel beschlagnahmt, und die Zahl der vom Zoll bearbeiteten Fälle, die nachgeahmte Waren betrafen, ist auf über 26 000 gestiegen. Auch werden immer mehr Warenfälschungen sichergestellt, die die Gesundheit und Sicherheit gefährden. Erstmals wurden über 5 Millionen nachgeahmte Lebensmittel, Getränke und Alkoholika beschlagnahmt. 2005 wurden über 500 000 nachgeahmte Arzneimittel sichergestellt.
Nachgeahmt werden nun zunehmend Haushaltswaren anstelle von Luxusgütern, und die Nachahmungen weisen eine so hohe Qualität auf, dass sie ohne Fachwissen nicht zu erkennen sind. Der zunehmende Verkauf von Nachahmungen (vor allem Arzneimitteln) über das Internet macht die Aufgabe für die Zollbehörden immer schwieriger.
Seitdem die Kommission zur Bekämpfung von Nachahmungen und Produktpiraterie den Aktionsplan des Zolls eingeleitet hat, wurden folgende Maßnahmen getroffen:
§ In den wichtigsten europäischen Häfen und Flughäfen werden gezielte, befristete operationelle Zollaktionen gegen Nachahmungen durchgeführt. Eine kürzlich abgeschlossene Zollaktion führte bereits zur Sicherstellung von über 90 großen Seecontainern mit nachgeahmten Waren, und es wird mit weiteren Beschlagnahmungen gerechnet.
§ Eine Task-Force "Bekämpfung von Nachahmung", bestehend aus führenden EU-Zollexperten, wurde eingesetzt, um die gezielten Kontrollen zur Erkennung von Nachahmungen in ganz Europa zu verbessern und um in enger Zusammenarbeit mit den Rechteinhabern, mit den betroffenen Industriezweigen und mit Drittlandssachverständigen vorzugehen.
§ Mit einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Unternehmen-Zoll wird ein Rahmen für den Informationsaustausch geschaffen, in dem die Weitergabe von Erkenntnissen der Rechteinhaber an EU-Häfen und Flughäfen rationeller erfolgt und Informationen über die jüngsten Trends beim illegalen Handel ausgetauscht werden können.
§ Derzeit wird über Änderungen des gemeinschaftlichen Zollrechts entschieden, die einen Rahmen für ein integriertes gemeinschaftliches Risikomanagement schaffen und dazu beitragen, an den Gemeinschaftsgrenzen gezielt Waren mit hohem Risiko herauszufiltern und abzufangen.
§ Die operationelle Zusammenarbeit mit Drittländern, vor allem China und den USA, wird durch den Austausch von Informationen über die jüngsten Trends beim illegalen Handel und über gefährliche Warensendungen weiter gestärkt.
§ Die Kommission bemüht sich zusammen mit den Mitgliedstaaten und wichtigen Partnern, den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums durch den Zoll besser durchzusetzen und insbesondere dafür zu sorgen, dass auch Ausfuhr-, Transit- und Umladevorgänge in anderen Regionen kontrolliert werden.
Weitere Auskünfte über die 2005 vom Zoll sichergestellten nachgeahmten Waren sind abrufbar unter:
http://ec.europa.eu/taxation_customs/customs/customs_controls/counterfeit_piracy/statistics/index_de.htm"
Zu 27.:
Die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 sieht eine Berichtspflicht der Mitgliedstaaten an die Kommission nicht vor. Die Mitgliedstaaten sind gemäß Artikel 22 der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 iVm Artikel 8 der Durchführungsverordnung zur EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 (Verordnung (EG) Nr. 1891/2004 der Kommission) verpflichtet, der Kommission lediglich folgende Informationen zu übermitteln:
§ zum Ende eines jeden Kalenderjahres eine Aufstellung aller schriftlichen Anträge gemäß Artikel 5 Absätze 1 und 4 der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 unter Angabe des Namens und der Anschrift des Rechteinhabers, der Art des Rechts, für das der Antrag gestellt wurde, sowie einer kurzen Beschreibung der Ware. Die Anträge, denen nicht stattgegeben wurde, sind ebenfalls aufzuführen;
§ zum Ende eines jeden Quartals eine Aufstellung zu den Fällen, in denen die Überlassung der Waren ausgesetzt wurde oder in denen Waren zurückgehalten wurden. Diese Aufstellungen enthalten folgende Angaben:
- Name des Rechteinhabers, Beschreibung der
Ware und sofern bekannt Ursprung, Her-
kunft und Bestimmungsort der Ware sowie die Bezeichnung
des Rechts an geistigem
Eigentum, gegen das verstoßen wurde;
- die Stückzahl der Waren, deren
Überlassung ausgesetzt oder die zurückgehalten wur-
den, ihr zollrechtlicher Status und das verwendete
Transportmittel;
- die Angabe, ob es sich um Fracht- oder
Personenverkehr handelt und ob es sich um ein
Verfahren handelt, das auf einen Antrag auf Tätigwerden
hin oder von Amts wegen
eingeleitet wurde;
- Informationen zu dem tatsächlichen
oder angenommenen Wert der Waren, deren
Überlassung ausgesetzt oder die zurückgehalten wurden.
Österreich kommt dieser Informationspflicht ordnungsgemäß nach. Diese Daten waren auch die Basis für den gemäß der Entschließung E 207-NR/XXII. GP erstellten Produktpirateriebericht 2006. Ein darüber hinausgehender Bericht wurde der Kommission nicht übermittelt.
Zu 28. und 29.:
Presseberichte, wonach gerade Österreich bei der Produktpiraterie als Handelsdrehscheibe dienen soll, sind dem Bundesministerium für Finanzen nicht bekannt. Österreich ist, so wie alle anderen EU-Mitgliedstaaten auch, von der Produktpiraterie betroffen und die Zollverwaltung ergreift wie vorstehend ausführlich dargelegt dagegen auch entsprechende Maßnahmen.
Zu 30.:
In Österreich sind im Jahr 2006 keine Fälle bekannt geworden, in denen große Handelsketten Produktfälschungen ein- oder ausführen wollten.
Zu 31.:
Bereits am 1. Mai 2004 wurde beim Zollamt Graz das Competence Center Internet und Cybercrime eingerichtet, in dem neun professionelle Internetermittler tätig sind. Kernaufgabe dieser Spezialeinheit mit bundesweiter Zuständigkeit für die Zollverwaltung ist die Marktbeobachtung hinsichtlich aktueller Trends des elektronischen Geschäftsverkehrs bis zur operativen Internetermittlung und Täteridentifikation für den Zollbereich.
Diese äußerst erfolgreiche Organisationseinheit wurde mit 1. März 2007 als selbstständiges Fahndungsteam in die Finanzstrafbehörde beim Zollamt Graz integriert.
Zu 32.:
Das Produktpirateriegesetz 2004 und insbesondere das dadurch eingeführte vereinfachte Verfahren zur sofortigen Vernichtung von Fälschungen unter zollamtlicher Überwachung hat sich sehr bewährt. Als Hauptgrund für die stetig steigende Zahl der Grenzbeschlagnahmeanträge wird vom Bundesministerium für Finanzen aber die im Produktpirateriebericht 2006 ausführlich dargestellte Entwicklung bei den Fälschungen gesehen.
Zu 33.:
Ich teile die Auffassung, dass Rechteinhaber ihre Rechte gegen gewerbsmäßig tätige Fälscher und Händler von nachgeahmten und unerlaubt hergestellten Waren konsequent durchsetzen sollten und dabei alle zur Verfügung stehenden Mittel, wie etwa auch die durch die Zollverwaltungen in Form des Grenzbeschlagnahmeverfahrens angebotene Unterstützung, nützen sollten.
Konsumentinnen und Konsumenten hingegen werden weder durch die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 noch durch das Produktpirateriegesetz 2004 kriminalisiert. Bei den Verfahren, die auf Grund des Einschreitens der Zollbehörden erfolgen, handelt es sich um zivilgerichtliche Verfahren, die auf Vernichtung der Eingriffsgegenstände gerichtet sind.
Zu 34.:
Der EU-Aktionsplan sieht auch Publicity-Aktionen zur Bewusstseinssteigerung bei den Konsumentinnen und Konsumenten vor, um die durch Nachahmung und Markenpiraterie für die Beschäftigung und die Gesellschaft erwachsenden Gefährdungen aufzuzeigen. Das Bundesministerium für Finanzen wird diese Aktionen im Einklang mit der EU-Kommission und den anderen Mitgliedstaaten konsequent umsetzen.
Der Produktpirateriebericht 2006 selbst wird jedenfalls auch auf der Homepage des BMF verlautbart werden.
Zu 35.:
Die Ressortauffassung zu einer verbindlichen Ursprungskennzeichnung hat sich nicht geändert. Dies unter anderem deshalb, weil der Entwurf zur Verordnung keinen Zusatznutzen für Endverbraucher verspricht, da für diesen zum Beispiel schon die komplexen Nichtpräferenziellen Ursprungskriterien des Zollkodex bzw. der Zollkodex-DVO nicht bekannt sind.
Zu 36.:
Auch an der Auffassung zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates über die Angabe des Ursprungslandes bei ausgewählten Einfuhrwaren aus Drittländern hat sich seit dem Vorjahr nichts geändert.
Seitens des Bundesministeriums für Finanzen wird ein sinnvoller Vollzug und ein entsprechender Mehrwert für Endverbraucher, Wirtschaft und die Verwaltung in der EU aus dem Entwurf nicht gesehen, sondern vielmehr komplizierte Vorgänge und klar vorhersehbare Unsicherheiten bzw. Unwägbarkeiten (zum Beispiel bei den komplexen Ausnahmebestimmungen im Entwurf, Erkennbarkeit falscher Angaben auf der Ware nicht gegeben, Dokumentation von Ursprungswechsel bei Weiterbearbeitung nicht geklärt).
Zum Vollzug wird festgehalten, dass derzeit keine Nachweise für den Ursprung außer den Aufschriften auf den Waren selbst und keine Verantwortlichen in Drittländern (für Nachprüfungen) vorgesehen sind.
Zu 37.:
Die geplante Ratsverordnung steht weiterhin in heftiger Diskussion.
Bei der letzten Tagung der Arbeitsgruppe Zollunion im November 2006 standen 10 Delegationen (= 40% der Mitgliedstaaten) in zum Teil vehementer Opposition zum bisherigen Vorschlag, viele weitere hatten diverse Einwände. Demgegenüber unterstützten überhaupt nur sechs Delegationen den Vorschlag (davon eine mit Vorbehalt).
Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ist daher aus heutiger Sicht nicht abschätzbar, wann eine entsprechende Ratsverordnung verabschiedet werden kann.
Mit freundlichen Grüßen