565/AB XXIII. GP

Eingelangt am 22.05.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0035-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 557/J-NR/2007

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gerichtliche Strafverfahren nach § 168a Strafgesetzbuch“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Die dieser Beantwortung zugrunde liegenden Berichte der Staatsanwaltschaften beruhen auf vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellten Registerdaten. Auf Basis dieser Daten konnten lediglich jene Verfahren ausgewertet werden, in denen die Anzeigen im Jahr 2006 erstattet wurden. Verfahren mit einer Anzeigeerstattung vor dem 1. Jänner 2006 und einer Erledigung nach diesem Zeitpunkt konnten von den Anklagebehörden daher nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Außerdem sind Mehrfachzählungen von Anzeigen auf Grund von Verfahrensabtretungen bzw. -rückabtretungen zwischen den Anklagebehörden bzw. Gerichten nicht auszuschließen.

Durch diese Berichte der Anklagebehörden sind mir folgende Fälle bekannt geworden:

Zu 1:

Staatsanwaltschaft Wien:

"FIP-Club", "HELIX", "Schnell Geld verdienen", "nonishop.at" und "Tipp zum Glück".

Staatsanwaltschaft St. Pölten:

"Pay Pal", "Das Goldene Internet".

Staatsanwaltschaft Krems an der Donau:

Ein nicht namentlich benanntes System.

Staatsanwaltschaft Graz:

"Schenkkreis".

Staatsanwaltschaft Klagenfurt:

"Schenkkreis".

Staatsanwaltschaft Leoben:

„Helfen um zu helfen“.

Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis:

„Schenkkreis“.

Staatsanwaltschaft Salzburg:

"Aus 35 Euro werden 400.000 Euro".

Staatsanwaltschaft Steyr:

Systeme ohne besondere Bezeichnung.

Staatsanwaltschaft Innsbruck:

Schenkkreise.

Staatsanwaltschaft Feldkirch:

"Schenkkreis".

Zu 2:

Ich gehe davon aus, dass sich diese Frage auf bei Gerichten anhängig gewordene Verfahren bezieht.

Gericht

Anzahl der Verfahren im Jahr 2006

Bezirksgericht Meidling

1

Bezirksgericht Donaustadt

1

Landesgericht St. Pölten

1 („Das Goldene Internet“)

Bezirksgericht Voitsberg

1 („Schenkkreis“)

Landesgericht Leoben

1(„Helfen um zu helfen“)

Landesgericht Salzburg

1

Bezirksgericht Kufstein

1

Landesgericht Feldkirch

1a)

a)        ursprünglich beim Bezirksgericht Bregenz geführt und von dort an das Landesgericht Feldkirch abgetreten.

Zu 3:

Eine rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht Salzburg zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten im Zusammenhang mit einem „Schenkkreis“.

Zu 4 und 5:

Staatsanwaltschaft Wien:

Drei Anzeigen ohne Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen.

Staatsanwaltschaft St. Pölten:

Eine Anzeige nach Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen.

Staatsanwaltschaft Krems/Donau:

Eine Anzeige ohne Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen.

Staatsanwaltschaft Klagenfurt:

Eine Anzeige ohne Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen.

Staatsanwaltschaft Leoben:

Eine Anzeige nach Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen.

Staatsanwaltschaft Ried/Innkreis:

Eine Anzeige ohne Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen.

Staatsanwaltschaft Steyr:

Ein Verfahren wurde eingestellt.

Staatsanwaltschaft Innsbruck:

Ein Verfahren ohne Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen und eine Anzeige nach Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen.

Zu 6 und 8:

Ob gerichtliche Verfahren auf Grund älterer Anzeigen noch nicht entschieden sind, konnte nicht von allen Staatsanwaltschaften erhoben werden.

Im Sprengel der Staatsanwaltschaft Wien sind einige Verfahren gemäß § 412 StPO vorläufig eingestellt, zwei Verfahren betreffend „Schnell Geld verdienen“ und „nonishop.at“ sind noch nicht rechtskräftig entschieden.

Staatsanwaltschaft St. Pölten:

Ein Verfahren betreffend „Das Goldene Internet“ ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Staatsanwaltschaft Salzburg:

Ein Verfahren betreffend „Aus 35 Euro werden 400.000 Euro“ ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Staatsanwaltschaft Steyr:

Ein Verfahren ist gemäß § 412 StPO vorläufig eingestellt.

Staatsanwaltschaft Innsbruck:

Je ein Verfahren des Landesgerichtes Innsbruck (Causa „VIP“) und des Bezirksgerichtes Kufstein sind noch anhängig.

Staatsanwaltschaft Feldkirch:

Ein Verfahren des Landesgerichtes Feldkirch betreffend einen „Schenkkreis“ ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Zu 7:

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten ist in einem Verfahren gemäß § 90f Abs. 1 StPO von der Verfolgung unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgetreten.

Zu 9 und 10:

Österreichische Gerichtsbarkeit hinsichtlich ausländischer Pyramidenspiele und Gewinnerwartungssysteme im Internet liegt dann vor, wenn die Verbreitung aktiv über das Internet, insbesondere durch Versendung von E-Mails, betrieben wird. Eine gesonderte Statistik hinsichtlich Anzeigen gegen ausländische Betreiber solcher Spiele und Systeme wird nicht geführt. Die Staatsanwaltschaften haben für das Jahr 2006 von einer allgemeinen Zunahme der Internetkriminalität berichtet. Dabei wird vermehrt die Strafverfolgung an jenen Staat abgetreten, in dem der Täter solche Spiele veranstaltet oder in dem der Täter diese Inhalte ins Internet gestellt hat, insbesondere wenn in diesen Staaten bereits ein Ermittlungsverfahren anhängig ist.

Zu 11:

Bei der Staatsanwaltschaft Wien wurden zwei Teilnehmer eines tschetschenischen Schenkkreises ohne besondere Bezeichnung angezeigt, bei der Staatsanwaltschaft Graz fünf Teilnehmer eines Schenkkreises, bei der Staatsanwaltschaft Ried/Innkreis zwei Personen als Veranstalter bzw. Teilnehmer, bei der Staatsanwaltschaft Salzburg acht Personen, bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck neun Personen und bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch vier Teilnehmer. Eine Anzeige wurde bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt erstattet.

Zu 12:

Ich weise darauf hin, dass nicht jede bei einer Staatsanwaltschaft gegen Veranstalter bzw. Teilnehmer von Schenkkreisen erstattete Anzeige in weiterer Folge auch zu einem Gerichtsverfahren führt.

Beim Bezirksgericht Kufstein ist eine Hauptverhandlung anhängig. Ein Verfahren des Landesgerichtes Feldkirch ist derzeit in zweiter Instanz anhängig.

Zu 13:

Die gerichtliche Voruntersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Die rechtliche Beurteilung ist dem Gericht vorzubehalten.

Zu 14 und 15:

Im Zusammenhang mit der VIP-Beteiligungs-GesmbH wurden bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck  bis  31. März 2007   13  Personen angezeigt, davon sieben  wegen
§§ 168a; 146, 147 StGB und sechs Personen wegen § 165 StGB.

Zu 16:

Aus materiellrechtlicher Hinsicht erweist sich der Tatbestand des § 168a StGB als ausreichend und umfassend, wobei Probleme bei der Täterausforschung auftreten können, weil diese häufig übers Internet agieren und eine Beweisführung sich schwierig gestalten kann.

Zu 17:

Die Entscheidung des EuGH vom 6.3.2007, Rs C-338/04 (Placanica) betraf das italienische Sportwettenmonopol und der Gerichtshof hatte insbesondere zu prüfen, ob die Regelungen in Italien mit der Niederlassungs- bzw. der Dienstleistungsfreiheit vereinbar sind. Während bei Glücksspielen und Sportwetten in Österreich vom Bund bzw. von den jeweiligen Ländern Konzessionen vergeben werden, können solche für die Veranstaltung von Ketten- oder Pyramidenspielen nach der österreichischen Rechtsordnung nicht erteilt werden. Glücksspiele sind wegen der Gefahr der Suchtbildung und der Gefahr der Verschuldung einerseits verboten (vgl. § 168 StGB und §§ 52ff GSpG), andererseits unter staatlicher Aufsicht aber dennoch erlaubt. Der EuGH überlässt es den einzelnen Mitgliedstaaten – auch nach der Entscheidung Placanica – den Glücksspielbereich entweder gänzlich zu verbieten (wie in manchen skandinavischen Ländern) oder aber unter bestimmten Auflagen zu veranstalten. Sofern sich ein Mitgliedstaat dafür entscheidet, das Glücksspiel zu erlauben, müssen die europarechtlichen Vorgaben (Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit) bei der Konzessionsvergabe berücksichtigt werden.

Bei Ketten- oder Pyramidenspielen, die per definitionem nicht unter den Glücksspielbegriff zu subsumieren sind, gibt es keine erlaubte Veranstaltung (keine Konzession), weshalb eine Veranstaltung solcher Systeme nicht am Europarecht (Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit) zu prüfen ist. Auswirkungen der Entscheidung Placanica auf § 168a StGB sind daher nicht zu erwarten.

. Mai 2007

(Dr. Maria Berger)