577/AB XXIII. GP

Eingelangt am 24.05.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Gesundheit Familie und Jugend

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

GZ: BMGFJ-11001/0054-I/A/3/2007

Wien, am      22. Mai  2007

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 627/J der Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde wie folgt:

 

Frage 1:

Bei den ordentlichen Mitgliedern, beim Vorstand und den Beiräten des Vereins „Dialog-Gentechnik“ handelt es sich um Wissenschaftler/innen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen, aus verschiedenen Bundesländern und Universitäten mit einer breiten Meinungsvielfalt. Diese Konstellation von Wissenschaftler/innen soll einen wissenschaftlich ausgewogenen und sachlich fundierten Informationsfluss an die Öffentlichkeit gewährleisten.

 

Die kritische Evaluierung aller zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Fakten ist eine wesentliche Grundlage des Vereines Dialog-Gentechnik. Auf Grundlage  fundierter wissenschaftlicher Fakten gibt es im Hinblick auf die politischen, soziologischen und ethischen Aspekte der Anwendungen der Grünen und Roten Gentechnik unter diesen Wissenschaftler/innen durchaus ein  breites Spektrum an Meinungen.

 

Die Grenzziehung zwischen „Befürwortern“ und „Gegnern“ der Gentechnik ist gerade in einer Vereinigung von wissenschaftlichen Gesellschaften und Wissenschaftlern  wohl schwer vorzunehmen. Vom Verein wird jedenfalls ausdrücklich betont, dass unter diesen Wissenschaftler/innen auch sehr kritische Stimmen bezüglich des Einsatzes der Gentechnik sowohl im landwirtschaftlichen als auch im medizinischen Bereich vertreten sind.

 

Frage 2:

Die Behauptung, dass der Verein „Dialog-Gentechnik“ auf der Webseite www.dialog-gentechnik.at Studien mit kritischen Ergebnissen ausblendet, entspricht nicht den Tatsachen. In zahlreichen Artikeln wird auf Studien des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend (BMGFJ) und auf andere Webseiten verwiesen, die der Agro-Gentechnik sehr kritisch gegenüberstehen und sehr wohl die auftretende Problematik dieser Technologie aufzeigen.

 

Beispiele von Links, die auf der Seite www.dialog-gentechnik.at zu finden sind:

 

Studie “Review of scientific evidence including latest findings concerning Austrian safeguard measures for GM-Maize lines MON810 and T25” (Okt. 2006) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1161157975708)

 

Studie "Ökologische Effekte von gentechnisch verändertem Mais mit Insektenresistenz und/oder Herbizidresistenz“ (Jän. 2006) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1134457515326)

 

Studie: „Herkunfts-Identität von Raps und Rapsprodukten am Markt in Österreich und Verarbeitung in dezentralen Ölmühlen“ (Mär. 2006) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1138950978238)

 

Studie: “Feral oilseed rape -Investigations on its Potential for Hybridisation” (Jän. 2006) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1138950978238)

 

Protokolle zur Veranstaltung der Europäischen Kommission und der Österreichischen Agentur für Gesundheits und Ernährungssicherheit (AGES): "Koexistenz von GVO in der Saatgut- und landwirtschaftlichen Produktion" (Mär. 2005) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1111661111745)

 

Studie: Koexistenz von gentechnisch veränderten, konventionellen und biologisch angebauten Kulturpflanzen in der Österreichischen Landwirtschaft (2005) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1113391269254)

 

Studie: Monitoring von mit gentechnisch verändertem Mais kontaminierten Maisfeldern (2004) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1100765008689)

 

Studie: Concepts for Coexistence (2002) (http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0255&doc=CMS1087903299788)

 

Link zu den österreichischen Bio-Bauern (http://www.bio-austria.at/)

 

Link zu biosicherheit.de (http://www.biosicherheit.de/)

 

Links zum http://www.gmo-compass.org und zu http://www.transgen.de

 

Die Homepage von dialog<>gentechnik wird einer regelmäßigen Überarbeitung aller Rubriken, inklusive der Rubriken „Lebensmittel“, „Medizin“ und „Landwirtschaft“ unterzogen, wobei auf neue Erkenntnisse und Entwicklungen eingegangen wird.

 

Frage 3:

Wie schon zu Frage 2 ausgeführt,  wird insbesondere auf der Homepage meines Ressorts eine Reihe von Studien publiziert, die offene Fragen in der Sicherheitsbewertung von GVOs  kritisch behandeln.  Angesprochen werden dabei insbesondere Fragen der Biodiversität, der Koexistenz aus ökologischer Sicht sowie der Toxikologie, Allergologie und möglicher Antibiotikaresistenzen von GVO, die als Lebens- und Futtermittel verwendet werden können. 

 

Fragen 4 bis 6:

Dieses Projekt ist ein Teilprojekt des  Projektes „Public Understanding of Science“,  das im Jahr  2001 initiiert worden ist.

 

Damals beteiligte sich das damals für diese Agenden zuständige Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen an diesem gemeinsam vom damaligen Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung federführend betreuten Projekt. Ausgangspunkt dafür war die Forderung, dass sich auch die Wissenschaft nicht in ihrem Elfenbeinturm verstecken, sondern sich dem Dialog mit den  Bürgern in der Gentechnikdiskussion stellen  und entsprechende Öffentlichkeits-, Informations- und Diskussionsarbeit leisten soll.

 

Diese Öffentlichkeitsarbeit erfolgte in den letzten Jahren im Rahmen projektbezogener Beauftragungen zu den Anwendungen der Gentechnik in der Medizin und Pharmazie (Rote Gentechnik) sowie zum Thema Gentechnik in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion (Grüne Gentechnik). Ziel war und ist es, dass die Wissenschaft den Bürgerinnen und Bürgern seriöse wissenschaftliche Informationen zur Gentechnik vermittelt und darüber auch eine offene und objektive Diskussion führt.

 

Die vertraglichen Leistungen des damals zuständigen Ressorts dazu betrugen in den Jahren 2001 bis 2003 jährlich € 32.702,-- und im Jahr 2004 € 10.900,-.

In den Jahren 2004 und 2005 stellte das damalige BMGF auf Grund eines weiteren projektbezogenen Vertrages dem Verein jährlich € 40.000,- zur Verfügung. Themen waren einerseits die Gentechnik in Lebensmitteln und in der Landwirtschaft sowie andererseits die Etablierung zweier Arbeitskreise zum Thema genetische Beratung und Betreuung im Zusammenhang mit der Durchführung von genetischen Analysen sowie zum Thema „Handhabung des Umganges mit genetischen Daten“.

 

Im Jahr 2006 erfolgte auch die Entwicklung des innovativen „Kartenspiels“ zur Gentechnik, das in kreativer Weise allen Beteiligten ermöglicht, ihre Position zur Gentechnik einzubringen.

 

In diesem Jahr (2007) sind € 15.000,- für den Bereich der „Grünen Gentechnik“ (inbesondere für  das innovative „Kartenspiel“ und € 25.000,- für die Arbeitskreise für genetische Daten und für die genetische Beratung vorgesehen. Diese Projekte sollen heuer (2007) auf Grund einer diesmal nur einjährig erfolgten Beauftragung abgeschlossen werden.

 

Frage 7:

Da dieses Spiel im Jahre 2006 für die Veranstaltungen im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel vollkommen neu entwickelt wurde, erfolgte auf Bundesebene vorerst nur eine Beauftragung durch mein Ressort.

Die Veranstaltungen „Diskussion am Kartentisch – Ein Spiel zur Grünen Gentechnik“ werden somit derzeit mit Mitteln meines Ressorts (10 Spiele in den Bundesländern) sowie der Magistratsabteilung 7 der Gemeinde Wien (5 Spiele im Bereich Wien) finanziert.

 

Frage 8:

Das Konzept ist den DEMOCS und DECIDE-Spielen entnommen. Diese Spiele dienen als Instrument zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Deren Konzept ist auf den Webseiten http://www.neweconomics.org/ und http://www.playdecide.org/ einzusehen. Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung des Konzeptes:

 

DEMOCS steht für Deliberative Meeting of Citizens und ist ein Kartenspiel, das einer kleinen Personengruppe die Auseinandersetzung mit einem komplexen politischen Themengebiet ermöglicht. Es hilft den Spieler/innen mehr zu einem Thema herauszufinden, ihre Ansichten auszudrücken, Übereinstimmungen mit anderen Spielteilnehmer/innen zu entdecken und ihre persönliche politische Haltung zu einem Thema darlegen zu können.

 

DEMOCS

 

Dieses Konzept der deutschen Version des Kartenspiels „Diskussion am Kartentisch – Ein Spiel zur Grünen Gentechnik“ wurde auch im  Projektantrag des Vereines  meinem Ressort vorgelegt.  Weiters ist das Konzept auf der Homepage des Vereines zusammengefasst und mit folgendem Text offengelegt (siehe www.dialog-gentechnik.at).

 

„Mit Hilfe dieses Kartenspiels werden komplexe politische und wissenschaftliche Aspekte zu gentechnisch veränderten Pflanzen den Spieler/innen näher gebracht. In Kleingruppen werden beratende Sitzungen nachgeahmt, Fakten zu gentechnisch veränderten Pflanzen präsentiert und Streitpunkte aufgezeigt. Die Spielweise hilft den Teilnehmer/innen, mehr über ein Thema herauszufinden, ihre unterschiedlichen Meinungen auszudrücken, Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen zu entdecken und daraus einen Überblick über die Vielfalt der Positionen zu dem Thema Gentechnik in der Landwirtschaft zu erarbeiten.“

 

Bei der Moderation durch die Vereinsmitarbeiter wurde auch im Sinne der Beauftragung durch mein Ressort  darauf geachtet, als neutraler Vermittler zur unabhängigen Meinungsbildung der Spielteilnehmer/innen beizutragen.

 

Diskussionspunkte, die in der ersten Spielserie behandelt wurden, umfassten:

 

 

Die Ergebnisse der von New Economics Foundation (NEF) und vom Verein Dialog Gentechnik veranstalteten Spiele zeigten bisher überwiegend eine ablehnende Haltung der Teilnehmer/innen gegenüber der Grünen Gentechnik.

 

In Zusammenarbeit mit dem BMGFJ und NEF werden laufend Überarbeitungen des Spiels durchgeführt, um auf neue Erkenntnisse und Rückmeldungen reagieren zu können. Während der gesamten Spielphase wurde das Spiel ständig zwischenevaluiert und überarbeitet. So wurde der Abstimmungsbogen geändert, um die Abstimmung zu erleichtern, ein Moderationsleitfaden erarbeitet und wurden auch weitere kritische Anmerkungen von Wissenschaftler/innen aufgenommen.

 

Dieses Spiel wurde gemäß den vorliegenden Rückmeldungen von den höheren Schulen, an denen es bisher eingesetzt wurde, überaus positiv aufgenommen (exemplarisch ist in der Beilage der meinem Ressort  zugemittelte Leserbrief von Fr. Dr. Langer, BORG 15 beigeschlossen).

 

Frage 9:

Der Verein „Dialog-Gentechnik“ ist nach seinem Selbstverständnis eine kritische Institution, da er von Grundlagenforscher/innen aufgebaut und geleitet wird. Er bezieht insbesondere Schulen und sonstige Bildungsinstitutionen in seine Tätigkeit ein. Die Mitglieder und Angestellten sind dem Prinzip der Objektivität der Unabhängigkeit der Grundlagenforschung verpflichtet, die eine wissenschaftlich kritische Evaluierung von Fakten voraussetzt.

Auch bei den Diskussionsveranstaltungen zum Thema Landwirtschaft und Lebensmittel, die vor dem „innovativen Kartenspiel“ durchgeführt worden sind, wurde schon von meinem Vorgängerressort  darauf geachtet, dass dort auch kritische Ansätze zu diesen Anwendungen vertreten wurden.

 

Frage 10:

Das Spiel „Diskussion am Kartentisch – Ein Spiel zur Grünen Gentechnik“ ist keine Informationskampagne. Es ist eine Methode, die den Spieler/innen die Möglichkeit bietet, komplexe kontroversielle Inhalte zu diskutieren und eigene Positionen zu entwickeln. Selbstverständlich sind gentechnisch kritische Aspekte wie Koexistenz, Unabschätzbarkeit der Risiken, Auskreuzen, etc. in das Spiel miteinbezogen.

 

Die Studien sind bereits bei der Antwort zu Frage 2 aufgelistet.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Dr. Andrea Kdolsky

Bundesministerin

Beilage


BEILAGE zu parl. Anfrage 627/J

 

Leserbrief von Frau Dr. Elisabeth Langer

 

 

Betrifft: Artikel in der Kronen Zeitung vom 02.04.07, Seite 8

"Gesundheitsministerium macht "Gen-Propaganda" bei Schülern!"

 

Ich bin promovierte Chemikerin und unterrichte am BRG und BORG 15 Chemie. Mein Ziel ist es, Schülerinnen die fachliche und persönliche Kompetenz zu vermitteln, die sie als mündige BürgerInnen benötigen, um aktiv an der Gestaltung von Gesellschaft und Umwelt mitwirken zu können. Als Naturwissenschaftlerin halte ich es für ganz besonders wichtig, den SchülerInnen fundiertes Fachwissen zu jenen Themen zu vermitteln, deren gesellschaftliche und ethische Implikationen Normen und Gesetze erforderlich machen, zu deren Entstehen sie als WählerInnen beitragen (werden). Meine eigene Meinung ist dabei nur dort gefragt, wo ich sie in der Diskussion als solche anderen Meinungen gegenüber stelle. In jedem Fall ist billige, einseitige Polemik abzulehnen. Deshalb ist es mir auch ein Anliegen, eine kritische Einstellung der SchülerInnen gegenüber Boulevard-Zeitungen zu fördern.

 

Ich wurde auf den oben genannten Artikel von meinen SchülerInnen aufmerksam gemacht, die sich darüber empörten, dass ein Foto von ihnen herhalten musste, um eine Aktion schlecht zu machen, die sie als Bereicherung des Unterrichts empfunden hatten.

 

Das Spiel "Grüne Gentechnik" orientiert sich in Intention und Gestaltung an der Serie der "Decide" Spiele (http://www.playdecide.org), die ein international anerkanntes Instrument zu sachlich fundierter Meinungsbildung zu Themen wie: Präimplantationsdiagnostik, Therapeutisches Klonen, Nanotechnologie … darstellen. Das Spiel gibt nicht nur sehr ausführliche und präzise Information über Möglichkeiten, Methoden und Risken der Anwendung gentechnischer Methoden im Pflanzenbau, es stellt auch die vielen Meinungen, Sorgen und Befürchtungen von ExpertInnen und KonsumentInnen zur Diskussion. Die dargebotenen Materialien lassen das Ergebnis völlig offen – die Bildung eines ganz persönlichen Standpunktes ist auch der Sinn des Spiels!

Ich habe Frau Dr. Ursula Hunger von dialog<>gentechnik zu einer Durchführung des Spiels in einer siebten Klasse im Rahmen eines fächerübergreifenden thematischen Schwerpunkts "Naturwissenschaft und Ethik" zu uns an die Schule eingeladen.

Als Ergebnis haben sich die SchülerInnen mehrheitlich gegen gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel ausgesprochen und für genaue Regelung der Forschung (z. B. Freisetzung) plädiert. Dieses Ergebnis wurde von Frau Dr. Hunger präzise heraus gearbeitet und unkommentiert stehen gelassen.

 

Ich kann daher weder die Initiative des Landwirtschaftssprechers der Grünen noch den Artikel in der Kronen Zeitung nachvollziehen.

 

 

Dr. Elisabeth Langer

BRG und BORG 15

The European High School

elisabeth.l.langer@univie.ac.at