58/AB XXIII. GP

Eingelangt am 10.01.2007
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0071-Pr 1/2006

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 64/J-NR/2006

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Drogenhandel in der Justizanstalt Garsten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1, 2, 5 und 6:

Die Leiche des in der Anfrage genannten Strafgefangenen wurde nach einer Verständigung durch den Haftraum-Mitinsassen am 31.10.2006 um 13.50 Uhr von Insp. Hauser aufgefunden.

Die Feststellung des Todes des Strafgefangenen erfolgte am 31.10.2006 um 14.15 Uhr durch Dr. med. Eckhard. Der genaue Todeszeitpunkt ist nicht bekannt. Laut Sterbebuch der Marktgemeinde Garsten wurde der Todeszeitpunkt zwischen 10 und 13 Uhr eingegrenzt.

Die telefonische Verständigung des Bundesministeriums für Justiz erfolgte am 31.10.2006 um 17.15 Uhr. Ein Bericht per Fax erging am 1.11.2006 um 0.22 Uhr. Die Todesursache war zu diesem Zeitpunkt unbekannt.

Der Strafgefangene hatte einen Mitinsassen im Haftraum.

Zu 3:

Ein Obduktionsbefund liegt mir noch nicht vor. Nach einer telefonischen Mitteilung der Gerichtsmedizin Linz liegt eine Vergiftung durch mehrere (illegal eingebrachte und konsumierte) Substanzen vor, möglicherweise durch Substitol und Rohypnol oder einer ähnlichen Substanz.

Zu 4:

Der Strafgefangene vereinbarte mit dem ärztlichen Dienst der Justizanstalt Garsten im August 2006 eine freiwillige Methadonreduktion, die am 17.9.2006 beendet sein sollte. Am 12.9.2006 verzichtete der Strafgefangene gänzlich auf die Verabreichung von Methadon.

Der Substitutionsverlauf ist aus folgender Aufstellung ersichtlich:

Methadon HCL 09.12.05 – 04.01.2006 - 30 mg

Methadon HCL 05.01.06 – 28.02.2006 - 50 mg

Methadon HCL 01.03.06 – 30.04 2006 - 70 mg.

Methadon HCL 01.05.06 – 31.05.2006 - 65 mg

Methadon HCL 01.06..06 –30.06.2006 - 55 mg

Methadon HCL 01.07.06 – 31.07.2006 - 45 mg

Methadon HCL 01.08.06 – 16.08.2006 - 35 mg

Methadon HCL 17.08.06 - 23.08. 2006 - 20 mg

Methadon HCL 24.08.06 – 30.08.2006 - 15 mg

Methadon HCL 31.08.06 – 04.09.2006 - 10 mg

Methadon HCL 05.09.06 – 10.09.2006   - 5 mg

Methadon HCL 11.09.06 – 17.09.2006   - 4 mg

Verzicht auf Methadon  ab 12.09.2006.

 

Der Strafgefangene stand unter allgemeinärztlicher sowie fachärztlicher Kontrolle und Betreuung. Parallel zur Methadonreduktion erhielt der Strafgefangene bis 17.10. 2006 Trileptal und bis 15.10. 2006 Praxiten verordnet. Die Beendigung der Substitutionsbehandlung wurde am 20.9. gemeldet.

In der Justizanstalt Garsten werden Substitutionsbehandlungen nur mit Methadon vorgenommen.

Zu 7:

Am 28. November 2006 betrug der Gefangenenstand 410 Insassen, die sich auf folgende Nationalitäten aufteilten:

Afghanistan (1), Algerien (1), Angola (2), Aserbeidschan (1), Bosnien-Herzegowina (9), Bulgarien (1), Chile (4), China (1), Deutschland (6), Estland (1), Frankreich (2), Georgien (7),

Griechenland (1), Guinea-Bissau (3), Indien (1), Irak (1), Iran (1), Italien (1), Jordanien (1), Jugoslawien (9), Kirgisien (1), Kroatien (5), Lettland (1), Libanon (1), Liberia (3), Liechtenstein (1), Litauen (1), Marokko (3), Mazedonien (1), Moldawien (1), Niederlande (1),

Nigeria (8), Österreich (274), Polen (7), Rumänien (8), Russland (3), Serbien-Montenegro (6), Sierra Leone (1), staatenlos (2), Syrien (1), Tschechien (2), Türkei (20), Ukraine (4), Ungarn (1).

 

Zu 8:

Es bestehen 160 Drogenvermerke, die sich auf folgende Nationalitäten aufgliedern:

Angola (1), Aserbeidschan (1), Bosnien-Herzegowina (1), Bulgarien (1), Deutschland(2), Frankreich (1), Georgien (4), Guinea-Bissau (3), Irak (1), Iran (1), Jugoslawien (4), Kroatien (3), Liberia (2), Marokko (3), Mazedonien (1), Niederlande (1), Nigeria (7), Polen (2), Rumänien (1), Russland (1), Serbien-Montenegro (2), Sierra Leone (1), Tschechien (1), Türkei (9), staatenlos (2), Österreich (104).

Zu 9:

95 % der Drogenvermerke bestanden bereits zum Zeitpunkt der Einlieferung.

Zu 10, 12, 24 und 25:

Justizanstalten sind (auch) im Hinblick auf Sozial- und Gesundheitsprobleme ein Spiegelbild der Gesellschaft. Der Drogenkonsum in unserer Gesellschaft steigt, weshalb das Suchtgiftproblem auch in den Justizanstalten im Zunehmen begriffen ist.

Daher ist die in der Anfrage angesprochene Suchtgiftproblematik nicht auf eine oder einzelne Justizanstalten beschränkt. Geschätzte 30 % aller Straftaten stehen im Zusammenhang mit Suchtgiftkonsum bzw. krimineller Drogenbeschaffung, wobei ca. 10 bis 20 % der Insassenpopulation der österreichischen Haftanstalten zum sogenannten „harten Kern“ der Drogenkonsumenten zählt. Internationale Vergleiche etwa mit Spanien, den Niederlande oder Großbritannien gehen sogar von bis zu 50 % Drogenabhängigen unter den Gefängnisinsassen aus.

In Europa gibt es derzeit keine Einrichtung des Strafvollzuges, die nicht von der Drogenproblematik betroffen wäre. Der Grad der Belastung der einzelnen Einrichtung hängt von der allgemeinen regionalen Drogenbelastung und allfälligen Sonderaufgabenstellungen einzelner Einrichtungen hinsichtlich mehr oder weniger gefährdeter Insassenpopulationen ab. Die Strategien zur Bekämpfung des Drogenkonsums sind ebenfalls europaweit ähnlich und bestehen aus einer Mischung von  restriktiven und therapeutischen Ansätzen. Unter Berücksichtigung ihrer besonderen Aufgabenstellung (Vollzug von langen Haftstrafen) entspricht die Drogenbelastung der Justizanstalt Garsten der vergleichbarer in- und ausländischer Einrichtungen.

In der Justizanstalt Garsten wird dem Drogenmissbrauch mit bestmöglicher Kontrolle und Betreuung begegnet.

Neben der Einrichtung sogenannter „drogenfreier Zonen“ (gelockerte Vollzugsabteilung mit permanenten Harnkontrollen) wird für die Gewährung von Ausgang oder Freigang ein negativer Harntest als Voraussetzung gefordert; ebenso mit Einrichtung der erweiterten Besucherzone 2006 für die Gewährung von Tischbesuchen. Aufgrund der verbesserten Personalsituation im Jahr 2006 wurden Haftraumkontrollen und Betriebsvisitierungen beträchtlich erweitert.

Maßnahmen zur Verhinderung von Drogenmissbrauch im Detail:

a)     Kontrollen:

·        jährlich werden etwa 700 Harntests durchgeführt;

·        genaue Visitierungen des Insassen nach jedem Besuch (bis dato 2006 ca. 4500!);

·        drei Einsätze von Suchtgifthunden der zuständigen Polizeidienststelle Linz 2006;

·        29 Schwerpunktvisitierungen in Arbeitsbetrieben bis dato 2006; zu den  Razzien siehe auch Punkt 26 der Anfragebeantwortung;

·        Stichprobenkontrollen beim Aus- und Einrücken in die Betriebe (Einsatz Metalldetektor);

·        Mobile Schwerpunktkontrolle von 10 Insassen pro Woche durch 3-4 Beamte;

 

Darüber hinaus werden auch von den Abteilungskommandanten täglich Haftraumkontrollen durchgeführt und verbotene Gegenstände eingezogen. Hauptsächlich sind dafür aber die mobilen und bestens geschulten Einsatzgruppen verantwortlich.

b)     Therapeutische Maßnahmen:

Es werden pro Jahr 2 Module in Gruppentherapie zum Thema „Alkohol-/Drogenmissbrauch durch externe Therapeuten angeboten; darüber hinaus stehen den Insassen 3 weitere externe Therapeuten und das Fachpersonal der Justizanstalt (Psychiater, Psychologen, Sozialarbeiter) zur Verfügung.

Zu 11:

Täglich erhalten etwa 30 Insassen Schmerz-, Beruhigungs- und Schlafmittel, dies zumeist zur Dämpfung suchtbedingter Entzugserscheinungen aber auch bei Indikationen wie etwa Alkoholkrankheit, Psychosen und Epilepsie. Medikamente werden von den Insassen immer wieder gehortet, untereinander weitergegeben oder vereinzelt von außen eingeschmuggelt.

Zu 13:

Die Anordnungen des Bundesministeriums für Justiz an die Justizanstalten ergehen in Programmen, Richtlinien und Erlässen für die Drogenbehandlung Suchtmittelabhängiger sowie Maßnahmen gegen das illegale Einbringen von Suchtmitteln in die Haftanstalten (Personendurchsuchungen, Haftraumvisitationen, Harntestungen, etc.)

Zu 14 bis 15:

In sämtlichen Justizanstalten werden medizinisch orientierte Programme, wie Entzugsbehandlungen, Substitutionsbehandlungen (Drogen-Ersatzprogramme) und generelle Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit (Verbesserung des gesundheitlichen Allgemeinzustandes, Zahnsanierungen, etc.) sowie (psycho)-therapeutische Programme, wie Einzel- und Gruppentherapien durch interne und externe Therapeuten durchgeführt. Seit ca. 5 bis 10 Jahren existiert in den Justizanstalten Hirtenberg, Sonnberg und Wien-Simmering, teilweise auch in anderen Justizanstalten das Projekt „Drogenfreie Zonen“, welches besondere Maßnahmen zur Herstellung der Drogenfreiheit und Kontrollen umfasst. Ein großes Augenmerk wird auch auf Personalschulungsmaßnahmen im Sicherheits- und therapeutischen Bereich gesetzt.

Um dem Drogenmissbrauch entgegen zu wirken, erfolgt eine ständige Überprüfung und Evaluierung der praktizierten Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit. Verbesserungen und der Einsatz neuer Maßnahmen hängen freilich auch von den budgetären Möglichkeiten ab. Jedenfalls werden von der Justizverwaltung – wie schon aus meinen Ausführungen zum Anfragepunkt 12. ersichtlich – alle zur Verfügung stehenden sicherheitstechnischen und therapeutischen Maßnahmen getroffen, die das Auffinden von illegal eingebrachten Drogen und die Behandlung Suchtkranker ermöglichen.

Zu 16, 18 bis 20:

Jede Sicherstellung von Suchtgift wird den Behörden angezeigt. Im Zeitraum Jänner bis November 2006 wurde in der Justizanstalt Garsten 19 mal Suchtgift sichergestellt. Das Suchtgift wurde der Polizeiinspektion Garsten übergeben, welche anschließend das Suchtgift zur kriminaltechnischen Untersuchung weiterleitete. Anschließend erfolgte eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Steyr. Hinweise für eine Unterlassung oder gar Amtsmissbrauch durch die Leitung der Justizanstalt Garsten liegen mir daher nicht vor.

Zu 17:

Zehn Drogenabhängige werden mit Methadon substituiert, wobei als langfristiges Ziel die Reduktion der Substitution angedacht ist; von den 160 Insassen mit Suchtgiftvermerk waren weniger als die Hälfte manifest süchtig, die andere Hälfte bekam den Vermerk wegen Suchtgifthandels. Die ehemals Süchtigen werden von den Fachdiensten betreut und erhalten zur Stabilisierung je nach Indikation stimmungsaufhellende und dämpfende Medikamente - meistens nur für einen begrenzten Zeitraum. Nur wenige Insassen suchten zur Entzugsbehandlung um eine Überstellung in die Sonderanstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher Wien-Favoriten an (zumeist werden familiäre Gründe für eine Vollzugsortsänderung angegeben), bis November 2006 wurde ein Insasse zu diesem Zweck nach Wien-Favoriten überstellt. 5 Insassen erhielten vom Vollzugsgericht die Weisung, nach bedingter Entlassung in einer entsprechenden Einrichtung Aufenthalt zu nehmen.

Zu 21:

Eingeschmuggelte Mobiltelefone und Sim-Karten werden in aller Regel von Angehörigen finanziert; Wertkarten zu schmuggeln ist nicht erforderlich.

Zu 22:

Seit September 2005 wurden insgesamt 226 Handys bei Visitierungen in den österreichischen Strafanstalten gefunden.

In der Justizanstalt Garsten wurden im Jahr 2005 insgesamt 51, von Jänner bis November 2006 insgesamt 42 Mobiltelefone sichergestellt.

Zu 23:

Eine kriminaltechnische Untersuchung ist lediglich bei konkretem Verdacht auf eine gerichtlich strafbare Handlung indiziert. Der bloße Besitz eines Handys in einer Justizanstalt stellt grundsätzlich nur eine Ordnungswidrigkeit dar.

Zu 26:

Statistik über Visitierungen bis 28.11. 2006:

Abteilung

Anzahl

Hafträume

Anzahl

Visitierungen 2006

„Razzien“ 2005 auf

„berauschende Substanzen“  (je Abtlg.)

„Razzien“ 2006 auf

„berauschende Substanzen“ (je Abtlg.)

E Einzelhaft

20

37

2

6

1  Einzelhaft

23

48

4

7

2 Einzelhaft

23

46

3

5

3  Einzelhaft

23

51

3

6

E Gemeinschaft

11

41

5

12

1 Gemeinschaft

14

50

6

15

2 Gemeinschaft

14

55

7

15

3 Gemeinschaft

22

36

5

12

Entlassungsvollzug

12

30

4

6

Spitalsabteilung

7

19

1

6

Absonderung

19

33

0

0

Drogenfreie Zone

34

57

1

3

Betriebe

 

29

 

 

 

 

 

 

 

Summe

222

532

41

93

 

Haftraumvisitierungen haben den Schwerpunkt, „unerlaubte Gegenstände“ (das sind Gegenstände, die nicht rechtmäßig ausgefolgt wurden) zu finden. Razzien sind Schwerpunktvisitierungen zum Auffinden von Alkohol und Drogen unter Einsatz speziell geschulter Beamten.

 

. Jänner 2007

 

(Maga. Karin Gastinger)